Nachrichten
ZurückVon 6. bis 9. Juni 2024 haben die EU-Bürger:innen die 720 Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt. Das Ergebnis zeigt einen deutlichen Rechtsruck. Was bedeutet die künftige Zusammensetzung des EU-Parlaments für Arbeitnehmer:innen? Und was sind die nächsten Schritte nach der Wahl?
Das EU-Parlament rückt nach den Wahlen nach rechts. Ob es zur Bildung neuer Fraktionen kommen wird, ist derzeit noch offen. Bisher waren sieben Fraktionen im EU-Parlament vertreten. 83 der 720 Abgeordneten gehören aktuell keiner Fraktion an. Viele von ihnen sind Mitglieder von Parteien, die weit rechts der Mitte eingeordnet werden. Von 16. bis 19. Juli findet die erste Plenartagung mit den neu gewählten Abgeordneten statt. Bis dahin werden sich die Fraktionen konstituieren, um auf der Plenartagung offiziell anerkannt zu werden. Oliver Röpke, der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), bezeichnet das Wahlergebnis als „Weckruf“ an die EU-Spitzen und ruft alle demokratischen Kräfte zur Zusammenarbeit auf.
Auswirkungen für Arbeitnehmer:innen
Das EU-Parlament ist auf EU-Ebene Co-Gesetzgeber und verhandelt gemeinsam mit dem Rat über Gesetzesvorschläge, die von der Kommission vorgelegt werden. Beschlüsse fasst es in der Regel mit einfacher Mehrheit (mindestens 361 Stimmen). Die Fraktionszugehörigkeit der Abgeordneten allein ist dabei nicht entscheidend, da die Fraktionen (anders als in nationalen Parlamenten) nicht immer einheitlich abstimmen. Nichtsdestotrotz war in den letzten Jahren eine Allianz von rechten Gruppierungen wahrnehmbar, die im EU-Parlament gegen die Anliegen von Arbeitnehmer:innen, gegen Gleichstellung, Klimaschutz oder das EU-Lieferkettengesetz gestimmt hat. Abgeordnete jener Fraktionen, die am lautesten die EU kritisieren, lehnten gemeinsam mit Abgeordneten, die Unternehmensinteressen vertreten, oft jene Initiativen ab, die die EU sozial ausgewogener gestalten könnten. Das Wahlergebnis dürfte es schwieriger machen, in Zukunft Mehrheiten für die Anliegen der Arbeitnehmer:innen im EU-Parlament zu erreichen. „Diese Entwicklung bedeutet nichts Gutes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, meinte dazu Wolfgang Katzian, Präsident des ÖGB und des EGB.
Die nächsten Schritte
Nach der Wahl wird derzeit über die Besetzung der Spitzenjobs in der EU verhandelt. Dazu zählen vor allem die Posten der Präsidentschaft der Kommission, des Europäischen Rates und des Parlaments. Am 17. Juni 2024 haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten bei einem informellen Treffen über die Besetzungen diskutiert. Eine Einigung kam dabei noch nicht zustande. Die Entscheidung soll auf der bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates am 27. und 28. Juni 2024 fallen.
Die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP) Ursula von der Leyen ist die Favoritin für das Amt der Kommissionspräsidentin. Nach der Nominierung durch den Europäischen Rat muss das EU-Parlament über die Wahl der Kommissionspräsidentin abstimmen. Aus diesem Grund wird über die EU-Spitzenjobs derzeit sowohl auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs als auch auf der Ebene der Fraktionen des EU-Parlaments verhandelt. Die bisherige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas, eine Liberale, soll die neue EU-Außenbeauftragte werden. António Costa, der sozialistische Ex-Ministerpräsident Portugals, soll von den Staats- und Regierungschefs als Präsident des Europäischen Rates ab 1. Dezember 2024 nominiert werden. Berichten zufolge will die Fraktion der EVP das Amt nach zweieinhalb Jahren mit einer Person aus ihren Reihen neu besetzen, womit jedoch nicht alle Staats- und Regierungschefs einverstanden sind. Die Tagung des Europäischen Rates am 27. und 28. Juni wird aber nicht nur im Hinblick auf die Personalentscheidungen spannend. Es wird außerdem die Strategische Agenda verabschiedet, in welcher die politischen Prioritäten auf EU-Ebene für die kommenden fünf Jahre festgelegt werden.
Konstituierung und wichtige Aufgaben des neu gewählten EU-Parlaments
Das EU-Parlament wird in seiner ersten Plenartagung von 16. bis 19. Juli 2024 seine Fraktionen anerkennen und die Parlamentspräsidentin wählen. Amtsinhaberin Roberta Metsola (EVP) wird für die nächsten zweieinhalb Jahre voraussichtlich weiterhin im Amt bleiben. Für die zweite Hälfte der Legislaturperiode beanspruchen die Sozialdemokrat:innen den Posten. Die Abgeordneten entscheiden auf der ersten Plenartagung außerdem über die Anzahl der Mitglieder, die in den einzelnen parlamentarischen Ausschüssen sitzen werden. In der Woche nach der ersten Plenartagung, vom 22. bis 25. Juli 2024, konstituieren sich bereits die Ausschüsse des EU-Parlaments.
Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen EU-Parlaments ist die Wahl der EU-Kommissionspräsidentin. Danach wird das EU-Parlament im Laufe des Herbstes die Kandidat:innen für das Amt eines Mitglieds der Kommission (designierte Kommissar:innen) in öffentlichen Anhörungen bewerten. Die neue Kommission muss in einer Plenarabstimmung die Zustimmung des EU-Parlaments erhalten, um ihr Amt antreten zu können. Die AK wird diesen Prozess aufmerksam verfolgen. Das Ziel bleibt klar: Als Stimme der Beschäftigten setzt sich die AK weiterhin für die Interessen der Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen ein.
Weiterführende Informationen
EU-Parlament: Ergebnisse EU-Wahl
EU-Parlament: Nach der Wahl
EU-Parlament: Timeline nach der Wahl (nur Englisch)
EWSA: Statement des EWSA-Präsidenten zu den Ergebnissen der EU-Wahl (nur Englisch)
ÖGB: EU-Wahl 2024 – Rechtsruck in Europa