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ZurückDas digitale Wettrüsten hat schon begonnen. Weltweit investieren Staaten aktiv, damit ihre Industrien im globalen Wettbewerb mithalten können. Dabei geht es um Spitzentechnologien wie künstliche Intelligenz, Quantencomputing oder Cloud-Technologien, denn Rechenpower bedeutet heute politische und wirtschaftliche Macht.
Was ist das Ziel einer europäischen Cloud-Lösung? Produktion im 21. Jahrhundert ist auf Daten, Rechenleistung und IT-Know How angewiesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bessere Rechenleistung bedeutet zum Beispiel, dass ein Unternehmen einen fehlerhaften Prozess in wenigen Stunden anpassen kann, während ein anderes Unternehmen dafür zwei Wochen benötigt. Das braucht Speicherplatz, leistungsstarke Prozessoren und schnelle Datenleitungen.
Diese Infrastruktur bereitzustellen, ist nun staatliche Aufgabe geworden: Fast alle Industrieländer haben schon damit begonnen. Auch die EU setzt nun einige aktive industriepolitische Schritte in Richtung „digital souveränes Europa“, darunter auch das Cloud-Projekt GAIA-X.
Eine „Cloud“ sind eigentlich sogenannte Serverfarmen, auf denen riesige Datenmengen gespeichert werden können. Der Markt für Cloud-Anbieter ist extrem konzentriert: Derzeit hält Amazon mit seiner Cloud AWS („Amazon Web Services“) ein Drittel des Marktes. Wer seine Daten bei Amazon hostet, muss in Kauf nehmen, dass diese dort „eingesperrt“ sind. Digitale Souveränität erfordert aber, nicht auf amerikanische oder chinesische Anbieter angewiesen zu sein.
Die EU will deshalb mit dem Projekt GAIA-Xeine Cloud-Infrastruktur „nach europäischen Werten“ für heimische Unternehmen und Verwaltung aufbauen. Wichtig ist vor allem Datenschutz bei gleichzeitiger „Interoperabilität“. Das heißt, dass die Daten nicht eingesperrt sein dürfen, sondern Schnittstellen zwischen den Anbieter:innen ermöglicht werden.
Von den europäischen Werten profitieren aber vor allem Unternehmen. Das GAIA-X-Projekt ist stark deutsch-französisch geprägt und sehr industriegetrieben. Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich neben BMW, Bosch, Fraunhofer, SAP oder Siemens nun auch US-amerikanische Internetgiganten wie Amazon oder Google. Besonders brisant ist der Einstieg des „Big-Data“-Riesen Palantir, der als „Schlüsselfirma der Überwachungsindustrie“ gesehen wird.
Arbeitnehmer:innenvertretungen sowie Konsument:innen- oder Datenschutzorganisationen sind in das Projekt hingegen gar nicht eingebunden. Die Vorteile der „europäischen Cloud-Variante“ gelten dementsprechend auch nicht für sie, denn ihre Daten können nach wie vor ungehindert von Unternehmen erfasst und zu Geld gemacht werden.
Cloud-Technologie ist jedoch als Infrastruktur auch für Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen zentral. Daher muss sie dringend unter demokratische Kontrolle gestellt werden. Abseits von sozialen Folgen wie Überwachung und Kontrolle oder algorithmischer Diskriminierung hat der Ausbau von Clouds und rechenintensiven Technologien auch drastische Folgen für die Umwelt.
Fortschrittliche Industriepolitik muss mehr sein als reine Unternehmensförderung. Sie muss sich auch den sozialen und ökologischen Fragen stellen. Es bleibt noch Zeit, Arbeitnehmer*innen- oder Konsument:innenvertretungen und zivile Organisationen wie Datenschutz-NGOs, in industriepolitische Entscheidungen ehrlich einzubinden.
Weiterführende Informationen:
A&W-Blog: Industriepolitik und digitale Infrastrukturen
AK EUROPA Positionspaper: Industriepolitik
A&W-Blog: Künstliche Intelligenz: Nicht um jeden Preis
nd aktuell: Gaia-X: Datenschutz fürs Kapital