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Der Countdown bis zum britischen Austritt aus der EU läuft: Kommende Woche ist bereits die Halbzeit für die zweijährigen Verhandlungen über den Brexit erreicht, welche das Vereinigte Königreich mit dem Austrittsgesuch vom 29. März 2017 in Gang gesetzt hat. Diese Woche (19.3.2018) präsentierten nun EU-Chefverhandler Michel Barnier und GB-Brexit-Minister David Davis einen – wie beide es formulierten – „maßgeblichen Schritt“ im Hinblick auf einen gemeinsamen Rechtstext für das Austrittsübereinkommen.

 

Zuletzt hat die EU-Seite am 28. Februar 2018 den Druck auf die UK-Verhandlungsseite deutlich erhöht und im Alleingang einen Entwurf eines 130-seitigen Vertragstextes präsentiert. Diese Woche wurde nun ein überarbeiteter Text durch beide VerhandlungspartnerInnen vorgelegt, ein Zwischenstand für den Vertragstext über ein Austrittsabkommen. Neu sind die farblichen Markierungen: Dem Ampelsystem folgend wurden nun größere Teile des Vertragstextes grün („Einigkeit“) und manche Passagen („prinzipiell einig mit Klärungsbedarf“) gefärbt. Nach wie vor wird jedoch auch der Grundsatz betont, dass „nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist.“

 

„Vollständige Einigung“ über Teile des Vertragstextes

Eine „vollständige Einigung“ wurde diese Woche bei den Themen „BürgerInnenrechte“ und „Finanzen“ präsentiert. Bei den BürgerInnenrechten hat das Vereinigte Königreich nun akzeptiert, dass auch BürgerInnen, die nach dem Brexit, aber während der Übergangsperiode, im Vereinigten Königreich bzw. der EU eintreffen, dieselbe BürgerInnenrechte zustehen wie vor dem Brexit. Gemäß dem britischen Büro für budgetäre Verantwortung könnte das Vereinigte Königreich bis 2064 noch 37 Mrd. Euro an Zahlungen an die EU leisten müssen.

 

Ebenfalls Einigkeit besteht über den „Zeitraum der Übergangsperiode“. Diese soll 21 Monate betragen und mit Dezember 2020 enden. Während des Übergangszeitraums ist das Vereinigte Königreich weiterhin zur Einhaltung des gesamten EU Acquis verpflichtet, ist aber nicht mehr selbst in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Im Zeitraum der Übergangsphase soll es dem Vereinigten Königreich jedoch erlaubt sein, neue, eigene Handelsabkommen zu unterzeichnen. Diese dürfen jedoch erst nach Auslaufen der Übergangszeit implementiert werden. „Erstmals seit mehr als 40 Jahren“ neue, eigene Handelsverträge abschließen zu können, bezeichnete GB-Brexit-Minister Davis als „eine der größten Möglichkeiten des Brexits“.

 

Meinungsdifferenzen zur Irland/Nordirland und Governance

Erhebliche Meinungsdifferenzen bestehen weiterhin zur Grenze zwischen Irland und Nordirland sowie beim Governance-Thema, der Rolle des EuGHs und der britischen Teilnahme bei Euratom, Eurojust und Europol. Der Vertragsentwurf der EU-Seite sieht die Verankerung einer Rückfallslösung („backstop“) vor, wonach Nordirland im EU-Zollgebiet verbleiben soll, insoweit nicht eine günstigere Lösung zur Vermeidung einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland gefunden wird. Das Vereinigte Königreich hat aber mittlerweile zumindest akzeptiert, dass es im Austrittsabkommen jedenfalls eine rechtliche Sicherstellung zur Vermeidung einer harten Grenze braucht.

 

Eine ebenfalls diese Woche präsentierte aktuelle Studie legt dar, dass ein harter Brexit gerade die ärmsten irischen Haushalte am härtesten treffen würde: Die Lebenshaltungskosten würden um 2-3,1% (892-1.360 Euro pro Haushalt) steigen, Preiserhöhungen bei Brot und Getreideprodukte könnten bis zu 30%, bei Milch, Käse und Eiern sogar bis zu 46% betragen.

 

In einem nächsten Schritt muss nun der Verhandlungsstand am dieswöchigen Europäischen Rat (22./23.3.) durch die EU-Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden. Der Zeitdruck ist hoch: Bis in den späteren Herbst muss der Vertragstext vorliegen, um auch noch den mitgliedstaatlichen Ratifikationsprozess zu schaffen. Zudem soll der Europäische Rat auch Leitlinien für den Rahmen für die künftigen Beziehungen festlegen. Der Rahmen für die künftigen Beziehungen soll dem Austrittsabkommen in einer politischen Erklärung beigefügt werden. Das EU-Parlament hat hierfür am 14. März 2018 eine Resolution beschlossen, in welcher es bereits seine Perspektive für die zukünftige Zusammenarbeit der EU mit dem Vereinigten Königreich dargelegt hat.

 

Save the Date: AK-ÖGB-Veranstaltung zum Brexit

Am 11. April 2018 widmen auch Arbeiterkammer und Österreichischer Gewerkschaftsbund dem Thema Brexit eine Veranstaltung in Brüssel. Hier wird das Thema der möglichen Auswirkungen des Brexits auf die ArbeitnehmerInnen und das Arbeitsrecht im Vordergrund stehen. Viele Standards im britischen Arbeitsrecht basieren auf EU-Richtlinien. Hier besteht die Befürchtung, dass sobald diese nicht mehr durch das Europarecht geschützt sind, diese verwässert oder gar aufgehoben werden. Dies könnte – vor dem Hintergrund der Verhandlungen über ein Abkommen zur zukünftigen Zusammenarbeit – zu einer Abwärtsspirale und einem erhöhten Druck auch auf europäisches Arbeitsrecht führen.

 

Die Arbeiterkammer tritt dafür ein, dass ein zukünftiges Abkommen Garantien gegen unfaire Steuer-, Sozial-, Umwelt- und Regulierungsmaßnahmen beinhalten muss. Genauso wurde es in den Leitlinien des Europäischen Rates für die Brexit-Verhandlungen vom April 2017 festgehalten. Diese Vorgabe muss nun auch tatsächlich umgesetzt werden.

 

Weiterführende Informationen:

Brexit-Informationsportal der EU-Kommission

Presseerklärung EU-Chefverhandler Barnier vom 19. März 2018

Presseerklärung EU-Chefverhandler Barnier vom 28. Februar 2018

AK EUROPA: Nächste Meilensteine in den Brexit-Verhandlungen

AK-Kaske: Brexit nicht auf Kosten der Beschäftigten, 14.12.2017

EGB-Resolution zum Brexit vom 13./14.12.2017

Brexit – Verhandlungsoptionen aus Sicht des DGB, 25.9.2017