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Die pro-europäischen Fraktionen stimmten mit großer Mehrheit für einen Entschließungsantrag, der die Prioritäten und Bedingungen des Parlaments für die anstehenden Brexit-Verhandlungen festlegt. Auch wenn das Parlament an den Verhandlungen selbst nicht beteiligt ist, so muss es doch am Ende der Vereinbarung zustimmen.

 

Im Raum stehen derzeit zwei Szenarien, wie die Austrittsverhandlungen ablaufen könnten: Das Vereinigte Königreich verlässt die EU, ohne dass Übergangsvereinbarungen getroffen wurden und die zukünftigen Beziehungen geklärt sind, oder es erfolgt ein sogenannter „geordneter“ Austritt, der sowohl für EU-BürgerInnen als auch Unternehmen rechtliche Stabilität und möglichst wenig Einschränkungen bedeutet.

 

Das Europäische Parlament bevorzugt letztere Variante, wobei es in der am Mittwoch verabschiedeten Entschließung auch eine harte Verhandlungsposition deutlich machte: Man wolle sich nicht vorführen lassen. Die ParlamentarierInnen forderten eine faire und transparente Verhandlung beider Seiten und erinnerten die britische Regierung daran, dass das Vereinigte Königreich noch mindestens bis zum offiziellen Austritt in zwei Jahren die Rechte eines EU-Mitgliedsstaates genießt und damit jedoch auch seinen Pflichten nachzukommen hat. Insbesondere die finanziellen Verpflichtungen, die noch nach dem Austritt schlagend werden, hatten in den vergangenen Wochen für Diskussionen gesorgt.

 

Als gewählte Stimme der EU-BürgerInnen setzte das Parlament mit der Entschließung eindeutige Prioritäten: Die Interessen der EuropäerInnen sollten im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen – besonders jene der EU-BürgerInnen, die derzeit im Vereinigten Königreich leben und jene britischer BürgerInnen, die in der EU27 ansässig sind. Gleichwohl müsse man bedenken, dass manche Regionen des Vereinigten Königreichs mehrheitlich gegen einen Austritt gestimmt hätten. Um Unsicherheiten zu beseitigen, sollte der Status all dieser Gruppen gleich zu Beginn der Verhandlungen geklärt werden. Menschen seien keine Verhandlungsmasse, betonte auch Kommissionspräsident Juncker.

 

Je früher sich die EU und das Vereinigte Königreich auf Prinzipien eines geordneten Austritts einigen würden, desto eher könne auch über die zukünftigen Beziehungen geredet werden, wie Michel Barnier, Chefunterhändler der EU, hervorhob. Damit bekräftigten die EU-Institutionen erneut ihre Position, dass Aspekte wie der zukünftige Zugang des Vereinigten Königreichs zum EU-Binnenmarkt und der Zollunion erst nach einer Vereinbarung über die Bedingungen des Austritts verhandelt werden sollen und dabei die vier Freiheiten (Freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr) zu respektieren seien. „Rosinenpickerei“ und asymmetrische Bedingungen, bei denen den BritInnen mehr Zugeständnisse gemacht würden als sie derzeit die Mitgliedsstaaten genießen, seien nicht vertretbar, wie Manfred Weber, Vorsitzender der Volksparteien (EVP), bekräftigte: „Ein Staat außerhalb der EU kann sich nicht besserer Bedingungen erfreuen als ein Staat in der EU.“ Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion (S&D), Gianni Pittella, unterstützte diese Forderung und betonte, dass das Parlament seine Zustimmung verweigern werde, sollten die gestellten Bedingungen nicht eingehalten werden.

 

Wie die Verhandlungen ablaufen und inwieweit die Forderungen des Parlaments tatsächlich umfassende Berücksichtigung finden werden, bleibt abzuwarten. Immerhin handelt es sich bei Brexit um Neuland für alle Beteiligten: Noch nie hat ein Land den Austritt aus der Europäischen Union beantragt, wenn vom Austritt Grönlands aus der EWG im Jahr 1985 abgesehen wird.

 

Weiterführende Informationen:

Pressemitteilung des Europäischen Parlaments