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Nach monatelangen intensiven Verhandlungen über die Entsenderichtlinie konnte sich eine große Mehrheit der Abgeordneten auf einen Kompromiss zur Überarbeitung der Richtlinie einigen. Mit einer klaren Mehrheit von 32 zu 8 Stimmen beschlossen die Abgeordneten des Beschäftigungsausschusses (EMPL) im Europäischen Parlaments den Bericht von Elisabeth Morin-Chartier (EPP) und Agnes Jongerius (S&D). Dieser beinhaltet mehrere positive Punkte, die Lohn- und Sozialdumping auf Kosten von entsendeten ArbeitnehmerInnen vermeiden sollen. Keine Mehrheit fand sich aber für die Senkung der maximalen Entsendungsdauer sowie für ein Bekenntnis, dass die Entsenderichtlinie vom ersten Tag an auch für alle Beschäftigte im Straßengüterverkehr angewendet werden soll.

 

Gleiches Recht für gleiche Arbeit am gleichen Ort – das ist das Grundprinzip, mit dem die Überarbeitung der Entsenderichtlinie für mehr Fairness auf dem europäischen Arbeitsmarkt sorgen soll. Konkret wird im Bericht von Elisabeth Morin-Chartier (EPP) und Agnes Jongerius (S&D) klargestellt, dass Kosten für die Reisen und die Unterkunft im anderen Land nicht mehr vom Lohn abgezogen werden können. Da dies bisher möglich war, waren die entsendeten ArbeitnehmerInnen mit massiven Abschlägen bei der monatlichen Entlohnung konfrontiert.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Klarstellung, dass alle Kollektivverträge angewendet werden müssen. Gerade für den österreichischen Arbeitsmarkt mit seiner hohen Dichte an Abschlüssen ist es wichtig, dass diese auch für ausländische Unternehmen gelten müssen, um ihnen keinen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zu geben. Die Mitgliedstaaten müssen hierfür eine offizielle Webseite betreiben, damit die ArbeitnehmerInnen und UnternehmerInnen die geltenden Kollektivverträge abrufen können.

 

Keine Mehrheit fand sich im Ausschuss für eine Herabsetzung des maximalen Zeitraumes einer Entsendung. Die Kommission hatte in ihrem Vorschlag eine maximale Entsendedauer von 24 Monaten vorgeschlagen. ArbeitnehmervertreterInnen sprachen sich im Vorfeld für eine deutlich kürzere Zeitspanne aus, da in der Praxis die durchschnittliche Entsendungsdauer weniger als sechs Monaten beträgt. Doch genau zu diesem Punkt gibt es nicht nur im Parlament, sondern auch auf Ratsebene unterschiedliche Positionen: Der französische Präsident Emmanuel Macron erhob mehrfach die Forderung, die maximale Entsendedauer auf 12 Monate zu senken, und wird dabei auch von anderen Mitgliedstaaten unterstützt. Im Rahmen der Trilogverhandlungen zwischen dem Parlament, der Kommission und dem Rat sind somit noch intensive Verhandlungen zu erwarten.

 

Leider sieht der Bericht des Ausschusses nicht vor, dass die Entsenderichtlinie ausdrücklich auch für die Beschäftigten im Straßenverkehr ab dem ersten Tag Anwendung findet. Stattdessen wird ihm aufgrund der hohen Mobilität der Beschäftigten eine Sonderstellung eingeräumt. Damit zeichnet sich ab, dass für den grenzüberschreitenden Verkehr eine Sonderregelung geschaffen wird, die von Seiten der Kommission im Rahmen des Mobilitätspakets Ende Mai 2017 vorgestellt wurde. Nach dieser Vorlage kommt die Entsenderichtlinie bei grenzüberschreitendem Verkehr erst zur Anwendung, wenn der/die Arbeitnehmer/in mindestens vier Tage innerhalb eines Kalenderjahres in einem anderen Mitgliedstaat tätig ist.

 

Aus Sicht der Arbeiterkammer gibt es keinen Grund, für diese Berufssparte eine Sonderregelung zu schaffen und Regelungen zur Entsendung nicht ab dem ersten Tag anzuwenden. Gerade im Transportgewerbe herrscht ein massiver Wettbewerb zu Lasten der ArbeitnehmerInnen. Wenn erst ab dem vierten Tag innerhalb eines Kalendermonats die nationalen Bestimmungen angewendet werden können, führt dies zu einem klaren Wettbewerbsvorteil von Unternehmen in Billiglohnländern. Mit intelligenten Fahrtenschreibern und den online abrufbaren Kollektivverträgen bestünden auch gute Möglichkeiten, die Entsenderichtlinie im Straßenverkehrsgewerbe anzuwenden und zu kontrollieren.

 

Über die endgültige Position des Europäischen Parlaments zur Entsenderichtlinie wird es voraussichtlich am 26. Oktober in Straßburg zur Abstimmung kommen, bevor die Trilogverhandlungen mit der Kommission und dem Rat beginnen werden.

 

Weiterführende Informationen:

Vorschlag der Kommission zur Änderung der Entsenderichtlinie

Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments

AK EUROPA: Mobilitätspaket „Europa in Bewegung“ - Sozialvorschriften

AK EUROPA: Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 883/2004