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ZurückDer steigende Einfluss nationalistischer Bewegungen in Europa hat nicht nur Auswirkungen auf soziale Rechte, sondern zugleich sind diesen Kräften Gewerkschaften oft ein Dorn im Auge. Insbesondere für Medien und JournalistInnen ist der derzeitige politische Trend gefährlich. AK EUROPA und das ÖGB Europabüro nahmen diese Entwicklungen zum Anlass, um im Rahmen einer Veranstaltung am 18.2.2019 über die vielfältigen Konsequenzen für ArbeitnehmerInnen zu diskutieren. Dabei stellte Prof. Joachim Becker seine aktuelle Studie „Neo-Nationalismus in der EU“ in Brüssel erstmals vor.
Einleitend stellte Prof. Joachim Becker, die zentralen Ergebnisse seiner kürzlich erschienen und von der AK herausgegebenen Studie „Neo-Nationalismus in der EU“ vor. Insbesondere wies er auf die drei Strömungen neo-nationalistischer Parteien hin und erläuterte die damit einhergehenden unterschiedlichen Positionierungen zu Gewerkschaften und die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Studie zeigt auf, dass die sozio-ökonomische Programmatik und Praxis neo-nationalistischer Rechtsparteien tendenziell negativ für ArbeitnehmerInnen sind und häufig eine Schwächung von ArbeitnehmerInnenorganisationen und -vertretungen beinhalten. In den Fokus stellte er auch die Wichtigkeit der Stärkung von ländlichen Regionen, da speziell diese Gebiete unter der Globalisierung und De-Industrialisierung gelitten haben und hier Handlungsbedarf besteht, um das Vertrauen in die Vertretungsorganisationen wieder zu stärken.
Renate Schroeder, Direktorin der Europäischen Journalisten Föderation, schilderte die Veränderung des Umgangstons rechter RegierungsvertreterInnen, die sich häufig in einer beleidigenden Sprache über JournalistInnen äußern und diese verbal angreifen. Konkret sprach sie auch die jüngsten Attacken der FPÖ auf den ORF und die verbalen Angriffe gegen JournalistInnen durch den österreichischen Innenminister an. In diesem Zusammenhang hat sie auch die Gefahr der Zensur mit den Beispielen Ungarns und Polens erörtert, sowie die Gewalt gegenüber JournalistInnen, die mit der Ermordung des slowakischen Journalisten Jan Kuciak und der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia die bisherigen traurigen Höhepunkte erreichte. Ihrer Ansicht nach kann das fehlende Vertrauen der Menschen nur durch vertrauenswürdige Vertretungsorganisationen und unabhängigen Journalismus zurückgebracht werden. Zudem müssen Herausforderungen, die mit Migration einhergehen, auch offen angesprochen werden.
Károly György, Internationaler Sekretär des Ungarischen Gewerkschaftsbunds, schilderte eindrücklich die Situation in Ungarn. So gibt es zwar formal eine Demokratie, jedoch stehen sämtliche Organe des Staates loyal zu Orbán. Auch ca. 95 % der Medien sind in der Hand des Premierministers, wodurch es keinen Medienpluralismus mehr gibt. In den letzten Jahren gab es überdies eine konstante Suche nach Feindbildern zu beobachten: zuerst das Bankensystem, dann die EU, darauf folgten die Roma sowie die ärmere Bevölkerung, anschließend MigrantInnen und in jüngster Zeit George Soros. Darüber hinaus schilderte er das Bestreben der ungarischen Regierung, das traditionelle Rollenverständnis der Frau in der Gesellschaft zu re-etablieren.
Sophia Reisecker, Leiterin der Abteilung Europa, Konzerne und internationale Beziehungen der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus und Papier, wies darauf hin, dass die Rechte von ArbeitnehmerInnen, Gewerkschaften und BürgerInnen durch neo-nationalistische Regierungen bedroht werden. Die österreichische Regierung versucht mit Themen wie Gold-Plating, arbeits- und sozialrechtliche Schutzbedingungen abzubauen. Weiters zeigte sie auf, dass sozialpartnerschaftliche Standards von Regierungsseite abgeschafft werden, beispielsweise durch Beschneidung der Stellungnahmemöglichkeiten bei Begutachtungsverfahren. Besonders marginalisierte Gruppen, Arbeitslose und Frauen leiden unter der Politik. Die Regierung setzt überdies auf Kurzweiligkeit bei der Berichterstattung, wohingegen journalistisch gegenteilige Meinungen als Propaganda oder „Fake News“ gezielt – verbal oder juristisch – angegriffen werden. Um die Stellung der Gewerkschaften zu stärken, sind Kollektivvertragsverhandlungen auf nationaler Ebene ein wichtiges Instrument, das ausgebaut und gestärkt werden muss. Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnenvertretungen müssen länderübergreifend voneinander lernen und dagegenhalten, wenn Rechte eingeschränkt werden. Auf EU-Ebene kann mit populären Themen gegengesteuert werden, etwa dem Thema grenzüberschreitender Besteuerung und gerechter Umverteilung.
Weiterführende Informationen:
Policy Paper: Neo-Nationalismus in der EU
Studie: Neo-Nationalismus in der EU: Sozio-ökonomische Programmatik und Praxis