Nachrichten
ZurückAm 8. Oktober 2021 einigten sich 136 OECD-Länder auf einen globalen Mindeststeuersatz von 15 %. Bei einem von AK EUROPA, dem ÖGB Europabüro und European Tax Observatory organisierten Webinar wurde das Ergebnis der internationalen Einigung einer Bewertung unterzogen und politische sowie rechtliche Aspekte einer Umsetzung der globalen Mindeststeuer in der EU diskutiert. Die Panellist:innen waren sich einig, dass die Einigung ein wichtiger Schritt ist, viele Details aber noch ungeklärt sind.
Die Mindeststeuer stellt ein wirksames Instrument zur Erhöhung der öffentlichen Einnahmen und zur Eindämmung der Gewinnverschiebung und des Steuerwettbewerbs durch große multinationale Unternehmen dar. Dennoch gibt es Grund zur Kritik: So fehlt es der jüngsten Einigung teilweise an Ehrgeiz und sie ist deutlich zu Gunsten der Länder des globalen Nordens: Während sich Länder des Globalen Südens bei einem höheren Umverteilungsprozentsatz und Mindeststeuersatz nicht durchsetzen konnten, gelang es den EU-Steueroasen Irland und Ungarn, den Mindeststeuersatz auf 15 % zu begrenzen.
Prof. Joachim Englisch wies auf das rechtliche Problem hin, dass der Europäische Gerichtshof die Mindeststeuer als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit ansehen könnte, und erörterte mögliche Lösungen. Laut ihm muss die EU bei der Implementierung Alternativen zur Einstimmigkeit und mehr Flexibilität, wie eine zukünftige Anhebung des Mindeststeuersatzes, in Betracht ziehen.
Benjamin Angel, der für die Richtlinie zuständige Direktor in der Generaldirektion TAXUD, lobte die Einigung als Meilenstein, vor allem angesichts der äußerst unterschiedlichen Interessenslagen der verhandelnden Staaten. Die Aufgabe der EU-Kommission bestehe nun darin, möglichst rasch einen Richtlinienentwurf zu erstellen. Dieser werde sich weitestgehend an der internationalen Einigung orientieren und dabei gleichzeitig eine gerechte steuerliche Behandlung von inländischen und multinationalen Unternehmen in Europa sicherstellen. Für viele überraschend kündigte Angel an, dass der Vorschlag der Kommission bereits im Dezember 2021 veröffentlicht und bereits 2023 implementiert werden soll.
Theresa Neef vom EU Tax Observatory bedauerte, dass die Einigung über die Mindeststeuer keinen Spielraum nach oben zulässt, da nun ein fixer Steuersatz von 15 % gilt. Laut Neef würden bei einer weiteren Anhebung der Mindeststeuersätze die Einnahmen überproportional ansteigen. So würden sich z.B. die Einnahmen in der EU-27 bei einer Erhöhung der Mindeststeuer um 6 Prozentpunkte bereits verdoppeln. Neef betonte deshalb, dass die EU-Gesetzgebung bei den Steuersätzen flexibel bleiben muss. Weiters wies sie auf ein Ungleichgewicht innerhalb der EU-Staaten hin: Da der Anteil der Konzernzentralen in den alten EU-Mitgliedsstaaten deutlich höher ist, profitieren sie zumindest kurzfristig stärker von der Mindeststeuer als die neuen Mitgliedsstaaten.
Dominik Bernhofer, Leiter der Steuerrechtsabteilung in der AK, sah das Ergebnis der jüngsten Einigung mit gemischten Gefühlen. Er hob das Erreichen eines umfassenden globalen Abkommens hervor, wodurch die Umsetzung in der EU erleichtert wird. Er verwies aber auch auf das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Ländern mit hohem und niedrigem Einkommen bei der internationalen Unternehmensbesteuerung und kritisierte die erheblichen Zugeständnisse an Irland und Ungarn, die es geschafft haben, den Mindestsatz auf 15 % zu begrenzen. Angesichts der nach wie vor bestehenden erheblichen Umsetzungsrisiken plädierte er für einen Plan B zur Einstimmigkeit. Weiters hob er die Chancen der Mindeststeuer hervor, wie z.B. die einheitliche Besteuerung und die Möglichkeit, den Schwellenwert unter 750 Mio. Euro zu senken, um zusätzliche Einnahmen für die Mitgliedsstaaten zu erzielen.
Im Statement von Evelyn Regner, Europaabgeordnete der S&D wurde die Einigung als historischen Schritt in Richtung mehr Fairness und Transparenz bewertet. Die Mindeststeuer sorgt für die adäquate und transparente Besteuerung multinationaler Unternehmen und erschwert Gewinnverschiebungen. Dennoch gibt es Punkte, die eine Weiterentwicklung verlangen, so ist z.B. der Fragekomplex um die Digitalsteuer immer noch nicht restlos geklärt.
Das Webinar baute auf das Webinar vom 1. Juli 2021 an, in welchem über die politischen und rechtlichen Herausforderungen und potenziellen Risiken einer effektiven Umsetzung der globalen Mindeststeuer auf einer technischen Ebene diskutiert wurde.