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ZurückMenschenrechte sind universell, doch kommt es gerade bei globalen unternehmerischen Aktivitäten immer wieder zu Verletzungen, vor allem in Ländern des globalen Südens. In der Praxis ist es jedoch oftmals nicht möglich, Mutterkonzerne für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden haftbar zu machen. Im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen laufen daher seit 2014 Verhandlungen über ein verbindliches Abkommen, das Unternehmen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Einhaltung von Menschenrechten auferlegen soll. Zu diesem Zweck lud AK Europa gemeinsam mit dem ÖGB Europabüro, dem EGB und der Europäischen Koalition für Corporate Justice am 24. September zu einer Diskussion mit der Frage, wie Menschenrechte effektiver geschützt werden können.
Isabelle Schömann, Leitende Sekretärin im Europäischen Gewerkschaftsbund, verwies einleitend auf das aktuelle Momentum auf internationalem und EU Level, das zum Schutz der Menschen genutzt werden muss. Sie brachte auch die Dringlichkeit zum Ausdruck, die Anstrengungen von Gewerkschaften und NGOs zu bündeln und verstärkt gemeinsam aufzutreten, um Konzerne für ihre Menschenrechtsverstöße tatsächlich haftbar zu machen. ArbeiterInnen und ihre VertreterInnen seien nicht nur Opfer, sondern können auch AkteurInnen für die Implementierung von Sorgfaltspflichten in den Betrieben sein.
Um die Wichtigkeit unternehmerischer Sorgfaltspflichten zu unterstreichen, rief Claudia Saller von der Europäischen Koalition für Corporate Justice den Fall der brennenden Textilfabrik in Karatschi mit mehr als 250 Toten in Erinnerung. Der Hauptkunde, der europäische Konzern KiK, akzeptierte inadäquate Sicherheitsvorkehrungen im Brandschutz und schlechte Arbeitsbedingungen, um seine Profite zu steigern. Zwar bestehen auf UN Ebene seit 2011 bereits freiwillige Leitprinzipien zu Unternehmen und Menschenrechten, jedoch brauche es einen Ausbau. Von Bedeutung sei: (1) der Schutz der Grundfreiheiten und Menschenrechte durch den Staat inklusive Gesetzgebung, die auch Wirtschaftsunternehmen bindet; (2) menschenrechtliche Sorgfaltspflichten der Unternehmen, die damit eine Risikoabschätzung ihrer eigenen Tätigkeiten vornehmen müssen und negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit verhindern sollen und (3) ein Zugang der Opfer zu effektiven außergerichtlichen und gerichtlichen Maßnahmen. Saller wies darauf hin, dass die Zahl der europäischen Staaten, welche auf nationaler Ebene Gesetzgebung zu Sorgfaltspflichten verankert haben oder darüber verhandeln, immer mehr werden. Auch eine Zusammenarbeit zwischen den drei Ebenen der Nationalstaaten, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen sei essentiell.
In der anschließenden Diskussion betonte Heidi Hautala, grüne Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, dass derzeit durch die öffentliche Aufmerksamkeit zum Klimawandel und Entwaldung ein wichtiges Momentum gegeben sei. Die Frage nach dem Zweck von Unternehmen sei die Frage unserer Zeit. Die Menschen, und teilweise auch die Unternehmen selbst, würden die Verantwortung großer Konzerne bei Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung nun stark einfordern. Als Beispiel nannte sie progressive Unternehmen in der Schokoladenverarbeitung, welche selber bindenden Regelungen fordern, um auch ihre KonkurrentInnen zu einem fairen Wettbewerb zu zwingen. Hautala berichtete vom Schattenaktionsplan des EU-Parlaments zur Umsetzung der UN Leitprinzipien aus 2011 und forderte die Kommission auf, einen solchen Aktionsplan mit Sanktionen und Haftbarkeit der Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette vorzulegen.
Dazu ergänzte Thomas Wagnsonner, Berichterstatter zum UN Vertrag zu Unternehmen und Menschenrechten im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, dass die EU Kommission sich stark in die Verhandlungen zum UN Vertrag einbringen und sich ein entsprechendes Mandat holen müsse. Auch eine einheitliche Linie der Mitgliedstaaten in den Verhandlungen sei essentiell. In den Verhandlungen im EWSA mit der Wirtschaftsseite hätte sich gezeigt, dass es zwar auch Hardliners gäbe, welche jede Regulierung ablehnen, teils aber auch von den Unternehmen verstärkte verpflichtende Standards eingefordert würden. Dies gewährleiste einen fairen Wettbewerb für alle.
Maija Laurila von der Europäischen Kommission erläuterte, dass in der derzeitigen Übergangsperiode der Fokus auf die Durchsetzung der bestehenden Regelungen liege. Gleichzeitig werden aber auch die Möglichkeiten für eine europäische Regelung zu Sorgfaltspflichten nachgedacht. Die generelle Erreichung der UN Nachhaltigkeitszielehabe eine Priorität in der neuen Kommission. Beim UN Vertrag prüfe die EU Kommission den neu eingetroffenen vorliegenden Textentwurf und die erneute Beteiligung an den Verhandlungen. Gleichzeitig habe die EU Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit den unternehmerischen Sorgfaltspflichten beschäftigt.
Mit dem konkreten Beispiel der französischen Gesetzgebung gab Juliette Renaud von Friends of the Earth Frankreich einen Einblick aus der Praxis. In Frankreich wurde 2017 ein Gesetz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (Loi Devoir de Vigilance) verabschiedet. Renaud wies darauf hin, dass bedauerlicherweise intensives Lobbying von Unternehmensseite zur Verwässerung des Gesetzes geführt hätte. Die Erfahrung aus der Praxis zeige, dass nicht nur eine zivil-, sondern auch eine strafrechtliche Verantwortung notwendig ist. Zudem seien Sorgfaltspflichten alleine nicht ausreichend, es brauche einen konstanten Prozess zum Opferschutz. Weiters berichtete sie von der ersten Klage gegen den Ölkonzern Total auf Basis des französischen Gesetzes. Der Fall gegen Total werde zeigen, wie gut das Gesetz nun tatsächlich Menschen und die Umwelt schützt.
Die nächste Sitzung des Menschenrechtsrats zu einer bindenden Regelung wird im Oktober stattfinden und aufzeigen, inwiefern eine einheitliche europäische Vorgangsweise gefunden werden kann. Eines ist aber bereits jetzt klar: Die massiven Eingriffe in Menschenrechte und Umweltverschmutzungen durch unternehmerische Tätigkeiten brauchen eine durchsetzungsfähige und starke Antwort. Damit können Mensch und Umwelt besser geschützt und der Wettbewerb zwischen den Unternehmen auch fairer werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Human rights and environmental due diligence - Präsentation von Claudia Saller (ECCJ)