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ZurückDie Organisation und Finanzierung der nationalen Sozialversicherungs- und Gesundheitssysteme ist Aufgabengebiet der EU-Mitgliedstaaten. Doch der Einfluss der Europäische Union auf Reformen der sozialen Sicherheit nimmt zu. AK EUROPA, das ÖGB Europabüro und die Europavertretung der österreichischen Sozialversicherung nahmen dieses Thema zum Anlass und diskutierten im Rahmen einer Veranstaltung am 26.02.2019, wie ein Gleichgewicht zwischen der wirtschaftlichen Steuerung einerseits und der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte andererseits erreicht werden kann.
In seiner Eröffnungsrede erläuterte Günter Danner, stellvertretender Direktor der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung, die Herausforderungen für die Sozialsysteme in Europa. Neben der Angst der Bevölkerung vor dem Verlust des eigenen sozialen Standards führen auch Sparmaßnahmen der Regierungen und die zunehmende private und öffentliche Verschuldung zu Unzufriedenheit und Unsicherheit in der Gesellschaft. Ein gut funktionierendes soziales Netz ist essentiell für eine Demokratie und beugt zudem Radikalisierung vor. Danner betonte die Bedeutung der Subsidiarität der europäischen Sozialsysteme, da nicht alle Länder der EU den gleichen Standard im Sozialsystem haben. So wären Millionen von Menschen inner- und außerhalb der EU froh, wenn sie von einem so guten Sozialversicherungssystem profitieren könnten, wie es in Österreich vorzufinden ist. Eine intensive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sei deshalb von großer Bedeutung.
Bernd Achitz, Generalsekretär des ÖGB und stellvertretender Vorsitzender des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, sprach über die Reformen im österreichischen Sozialsystem, welche von ÖsterreicherInnen größtenteils negativ wahrgenommen werden. Er sieht dabei eine unglückliche Mischung zwischen problematischen Vorgaben aus der EU, beispielsweise im Rahmen der Länderberichte, und der ideologischen Ausrichtung konservativer und neoliberaler Regierungen, die sich auf vermeintliche EU-Vorgaben berufen. Als Beispiel nennt er etwa den Vorschlag zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters in Österreich. Achitz betonte außerdem, dass Staaten mit einem guten sozialen Netz die Krise besser bewältigt haben und die EU Konzepte liefern muss, die die Lebensrealitäten der Menschen verbessern.
Isabel de la Mata von der GD Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission betonte die europäischen Werte, die sich auch im Sozialsystem wiederspiegeln. Den Einfluss der Europäischen Kommission auf die nationalen Sozialsysteme hält sie aber für beschränkt. So liefert die Kommission lediglich Vorschläge an die Länder, sie gibt aber keine strikten Anweisungen vor, was geändert oder verbessert werden muss. Vielmehr beschreibt sie die Arbeit der Kommission als Hilfestellung an die Mitgliedstaaten.
Alexander Biach, Vorsitzender des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und stellvertretender Direktor der Wirtschaftskammer Wien, hob die Zusammenarbeit im Sozialbereich auf europäischer Ebene hervor. Um zukünftige Herausforderungen wie die Digitalisierung, die Alterung oder die steigende Mobilität zu meistern, soll gegenseitige Unterstützung und nicht der Wettbewerb untereinander im Mittelpunkt stehen. Europa braucht Einheit durch Vielfalt. Durch eine europäische Koordinierung können zudem innovative Ideen und Forschungen gefördert werden, damit die EU im internationalen Wettbewerb mit China und den USA bestehen kann. Biach erläuterte außerdem die Probleme im Sozialsystem, die im Zuge eines „hard brexit“ auftauchen könnten: So würden österreichische PensionistInnen, die im Vereinigten Königreich leben, zwar ihre Pensionen bekommen, aber sie wären nicht versichert.
Für Matthias Wismar von der Europäischen Beobachterstelle für Gesundheitssysteme und – politik ist das Gesundheits- und Sozialsystem Teil des europäischen Binnenmarkts. Er möchte von der Vorstellung der Subsidiarität loskommen. So wird es zwar kein gemeinsames EU-Gesundheitswesen geben, aber es können dennoch gemeinsame Standards geschaffen und die Kooperation gefördert werden. Er betonte die Wichtigkeit einer länderübergreifenden Zusammenarbeit, die vor allem in den Bereichen Ausbildung, Personal und Berufsanerkennung notwendig ist. Außerdem fordert er mehr Solidarität, und zwar nicht nur auf nationaler, sondern auch auf EU-Ebene. Die Kohäsionspolitik in der Landwirtschaft und bei strukturschwachen Regionen könnten für ihn auch Vorbild für das Sozialwesen sein.
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