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ZurückIn einer von Europäischen Gewerkschaftsverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen breit getragenen Konferenz, welche am 10. Juni in Brüssel unter dem Titel „Rules to Protect - die realen Folgen der Deregulierung“ stattfand, wurde vor den großen Risiken der aktuellen Deregulierungs-Agenda gewarnt. Neben Gewerkschaften und NGOs mehrt sich jedoch auch von anderer Seite die Kritik an den sogenannten Omnibus-Vorschlägen. Jüngst warnte auch die EU-Grundrechteagentur vor den Folgen der Deregulierung. Auch die Europäische Bürgerbeauftragte hat eine neue Untersuchung zu den „Vereinfachungsmaßnahmen“ der Kommission gestartet.
Mit ihren Omnibus-Paketen hat die EU-Kommission unter dem Titel der Vereinfachung und mit Verweis auf die Wettbewerbsfähigkeit der EU innerhalb nur weniger Monate fünf Pakete vorgelegt, deren Ziel es ist, „unnötige“ Regulierungen zu vereinfachen oder zu streichen. Bereits das im Februar 2025 vorgelegte Omnibus I-Paket, welches die gerade erst beschlossene Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) stark verwässern würde, hat jedoch gezeigt, dass „Vereinfachung“ hier unter anderem das Absenken von Schutzstandards für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen bedeutet.
In diesem Sinne wies EPSU-Generalsekretär Jan Willem Goudriaan in den Eröffnungsworten zur Veranstaltung einmal mehr darauf hin, dass in der Kommission zwar von Vereinfachung gesprochen, tatsächlich aber Deregulierung vorangetrieben werde. Dem widersprach Mirzha de Manuel (Kabinett Kommissar Valdis Dombrovskis), der betonte, dass es der Kommission nur um Vereinfachung, nicht um Deregulierung ginge. Im Rahmen der Veranstaltung wurde die Kommission auch damit konfrontiert, dass nach OECD-Daten Unternehmen in vielen europäischen Ländern im Vergleich zu den USA tatsächlich sogar weniger reguliert sind. De Manuel reagierte darauf mit dem Verweis, dass die Forderung nach Vereinfachung von Expert:innengruppen und im Zuge von Konsultationen von Unternehmen an die Kommission herangetragen wurde.
In einem Panel zur Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) verdeutlichte Nele Meyer (ECCJ), wie wenig sich die Kommission bei ihrem Omnibus I-Paket an ihre eigenen Vorgaben zu Besserer Rechtsetzung gehalten habe. Weder seien im Vorfeld die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Omnibus-Vorschlages erhoben worden, noch sei die Konsultationsfrist von zwölf Wochen eingehalten worden. Man müsse hier von einem Corporate Capture der EU-Gesetzgebung durch eine kleine Gruppe von Industrieunternehmen ausgehen. MEP Anna Cavazzini (Grüne) betonte, dass es auch darum ginge, das unrichtige Narrativ, wonach Klimapolitik schlecht für Unternehmen sei, umzukehren. Als gutes Beispiel eines in die Zukunft gerichteten Regulierungsvorhabens nannte sie die Reform der EU-Zollunion, wo es darum ginge, Verbraucher:innen besser vor einer zunehmenden Flut von Billigimporten zu schützen.
Auch direkt Betroffene und Aktivist:innen zeigten im Rahmen der Konferenz anhand von unterschiedlichen Fallbeispielen auf, welche Folgen für die Allgemeinheit das Zurückfahren von Regulierung oder auch das Fehlen von Rechtssetzung habe. Genannt wurde unter anderem die fehlende Gesetzgebung zu PFAS – einer Gruppe von Chemikalien, die sich in vielen Produkten des täglichen Lebens befinden und auch im industriellen Fertigungsprozess verwendet werden. Die durch PFAS verursachten Krankheiten führen neben der persönlichen Betroffenheit auch zu erheblichen Kosten u.a. für die öffentlichen Gesundheitssysteme.
Abschließend wies Patrizia Heidegger (Europäisches Umweltbüro) darauf hin, dass die Vorgabe der Kommission, den Verwaltungsaufwand um 25 % zu reduzieren, willkürlich sei. Isabelle Schömann (stv. Generalsekretärin im EGB) betonte, dass es nicht die Belastung durch Vorschriften ist, welche die EU vom Wohlstand abhält, sondern der Mangel an Investitionen in Schlüsselbereichen.
Untersuchung der EU-Bürgerbeauftragten und Bericht der Grundrechteagentur
Am 21. Mai 2025 wurde eine neue Untersuchung durch die Europäische Bürgerbeauftragte Teresa Anjinho eingeleitet. Die Untersuchung folgt einer Beschwerde von acht zivilgesellschaftlichen Organisationen, die darauf hinweisen, dass die Kommission gegen ihre eigenen Leitlinien für Bessere Rechtsetzung verstoßen habe, indem sie nicht begründet hat, warum sie vor Vorlage ihres Omnibus I-Vorschlages keine öffentliche Konsultation oder Folgenabschätzung durchgeführt hat.
Jüngst erschienen ist auch der aktuelle Jahresbericht der Europäischen Grundrechte-Agentur, der in mehreren Passagen auf die aktuellen Omnibus-Vorschläge eingeht. Im Bericht wird davor gewarnt, dass „Vereinfachung und Deregulierung […] auf Kosten einer Schwächung der Menschenrechte und des Umweltschutzes gehen“ können. Wie der EGB in seiner Aussendung zum Jahresbericht hinwies, ist es beachtlich, dass sich die EU-interne Menschenrechtsbeobachtungsstelle, den Gewerkschaften und Aktivist:innen anschließt, um vor den aktuellen Deregulierungsvorschlägen der Kommission zu warnen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Omnibus I
A&W Blog: Omnibus: Wie die EU-Kommission Schutzvorschriften im Eiltempo loswerden will
ETUC: Joint European Trade Union Statement on the Omnibus Proposal: A Direct Attack on Workers’ Rights and Corporate Accountability (nur Englisch)
ECCJ (u.a.): Gemeinsame Erklärung zum Omnibus (nur Englisch)