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ZurückDie EU-Kommission hat angekündigt, Ende 2025 eine „Quality Jobs Roadmap“, einen Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze, vorzulegen. Aus der Perspektive der Arbeitnehmer:innen ist zu begrüßen, dass die Voraussetzungen für hochwertige Arbeitsplätze stärker auf EU-Ebene verankert und sichergestellt werden sollen. Unverbindliche Analysen werden jedoch nicht ausreichen. Vielmehr sind konkrete und rechtlich verbindliche Maßnahmen notwendig, um die Qualität der Arbeitsplätze tatsächlich zu verbessern.
In Vorbereitung der Quality Jobs Roadmap hat die EU-Kommission jüngst einen Feedback-Prozess durchgeführt, wo sich auch die AK eingebracht hat. Vor dem Hintergrund der notwendigen weiteren Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) ist es wichtig, Würde und Respekt in der Arbeitswelt sicherzustellen. Gerade weil im heurigen Arbeitsprogramm der EU-Kommission keine einzige legislative sozialpolitische Initiative enthalten war, liegt der Ball nun bei der Kommission, effektive Impulse vorzuschlagen.
Entscheidend für gute Arbeit sind unter anderem faire Bezahlung, soziale Sicherheit, planbare Arbeitszeiten, betriebliche Mitbestimmung, Weiterbildungsmöglichkeiten und Schutz vor Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz. Daten aus Österreich – etwa der Arbeitsklima Index der AK Oberösterreich – zeigen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht. Immer mehr Beschäftigte berichten von Stress, Isolation am Arbeitsplatz und Überlastung. Die Zufriedenheit der Beschäftigten sinkt seit Jahren und die Belastung steigt. Das wirkt sich auch gesundheitlich aus. Laut der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2020 sind rund 3,7 Millionen Erwerbstätige in Österreich (rund 86,4 % aller Erwerbstätigen) zumindest einem körperlichen und/oder psychischen Risikofaktor am Arbeitsplatz ausgesetzt.
Wie die AK vorschlägt, sind Maßnahmen insbesondere in folgenden drei Bereichen notwendig:
- Verfügbarkeit der Daten verbessern und Qualität der Arbeitsplätze (stärker) in das sozialpolitische Scoreboard und die sozialen EU-2030-Ziele aufnehmen
- Ambitionierte und effektive EU-Mindeststandards zur Stärkung der Qualität der Arbeitsplätze – und deren konsequente Umsetzung
- Keine Verschlechterungen der Qualität der Arbeitsplätze durch die aktuelle Deregulierungs-Agenda der EU-Kommission
Datenverfügbarkeit verbessern und Qualität der Arbeitsplätze in das sozialpolitische Scoreboard aufnehmen
Um effektive politische Maßnahmen zur Stärkung der Arbeitsplatzqualität entwerfen zu können, braucht es die Verfügbarkeit von aktuellen und aussagekräftigen ländervergleichenden Daten. Häufigere europäische Erhebungen zu Arbeitsbedingungen und eine konsequente Beobachtung und Analyse der Indikatoren zur Qualität der Arbeit wären notwendig. Das sozialpolitische Scoreboard der ESSR enthält derzeit jedoch kaum Indikatoren zur Qualität der Arbeitsplätze, obwohl das Thema „Faire Arbeitsbedingungen“ eines der drei Kapitel der sozialen Säule darstellt. Das Scoreboard muss entsprechend erweitert werden. Die Messung von Arbeitsplatzqualität ist vielschichtig und bedarf einer Vielzahl an Indikatoren. Der bereits erwähnte Arbeitsklima Index und der European Job Quality Index des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) bieten dabei wertvolle Beispiele für die Erhebung von Arbeitsqualität. Wichtig ist, dass diese Daten ernst genommen und entsprechende Fort- und Rückschritte in Berichten auf nationaler und EU-Ebene analysiert werden.
Effektive EU-Mindeststandards zur Stärkung der Qualität der Arbeitsplätze
Um, basierend auf guten Daten, auch wirksame Verbesserungen zu erzielen, sind ambitionierte, effektive und rechtlich verbindliche soziale EU-Mindeststandards insbesondere in folgenden Bereichen notwendig:
- „Right to training“ bzw. Rechtsansprüche auf hochwertige Aus- und Weiterbildung. Dazu zählen ein Recht auf bezahlte Bildungskarenz, ein jährliches Mindeststundenausmaß an Aus- und Weiterbildung während der Arbeitszeit und ein Rechtsanspruch auf hochwertige und selbstgewählte Qualifizierung von Arbeitssuchenden.
- Eine Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer:innen vor den Risiken, die mit algorithmischem Management verbunden sind, wie zum Beispiel Überwachung, ausgeübtem Druck, Diskriminierung und Verletzung des Datenschutzes.
- Eine effektive „Just-Transition“-Richtlinie, die Arbeitnehmer:innen konkrete Rechte in Bezug auf die Auswirkungen der Transformation auf ihren Arbeitsplatz gibt und die Mitbestimmung von Beschäftigten in der Transformation erweitert.
- Stärkerer Schutz von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, etwa durch eine Richtlinie zum Schutz vor psychosozialen Risiken in der Arbeitswelt. Der Fokus dabei soll vor allem auf Prävention liegen, um körperlichen und psychischen Belastungen erfolgreich vorzubeugen.
- Effektive Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter. Hier sind deutliche Fortschritte notwendig. Wichtige Schritte sind eine konsequente Umsetzung der Lohntransparenz-Richtlinie und der Beschluss der horizontalen Anti-Diskriminierungsrichtlinie.
- Eine stärkere Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping. Grenzüberschreitendes Lohn- und Sozialdumping auf dem Rücken entsandter Arbeitnehmer:innen sowie komplexe Subauftragsketten stellen ein massives Problem für die soziale Gerechtigkeit und auch für den fairen Wettbewerb im EU-Binnenmarkt dar. Die Europäische Arbeitsbehörde muss daher auch Kompetenzen zur effektiven Rechtsdurchsetzung bekommen, um Verwaltungsstrafen bei Lohn- und Sozialdumping auch grenzüberschreitend vollstrecken zu können.
- Eine europäische Jobgarantie zur Unterstützung langzeitarbeitsloser Menschen
- Mindeststandards für die nationalen Arbeitslosenversicherungssysteme. Eine Richtlinie sollte klare europäische Mindeststandards zur Nettoersatzrate, zur Abdeckungsrate und zur Bezugsdauer enthalten, was wesentlich zu sozialem Fortschritt in der EU beitragen würde.
- Mindeststandards zu den Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen und der Personenbetreuung
- Verankerung von sozialen Konditionalitäten in der öffentlichen Auftragsvergabe, etwa durch Beschränkung der Subunternehmenskette und eine verpflichtende Generalunternehmerhaftung.
Keine Verschlechterungen der Qualität der Arbeit durch die aktuelle Deregulierungsagenda
Eine erfolgreiche Strategie für hochwertige und gute Arbeitsplätze muss starke und verlässliche soziale Rechte gewährleisten. Denn durch die Verbesserung von Arbeitsbedingungen können Arbeitnehmer:innen lange gesund in Beschäftigung bleiben. Deshalb dürfen keine Abstriche bei der Qualität der Arbeitsplätze und den damit verbundenen Schutzsystemen gemacht werden. Die aktuellen Deregulierungspläne der EU-Kommission, wie etwa das geplante 28. Regime für Unternehmen oder die Abschaffung des ESF+ als eigene Budgetlinie sind besorgniserregend.
Die Quality Jobs Roadmap bietet die Chance, die Qualität von Arbeit grundlegend zu verbessern. Dafür sind effektive Maßnahmen notwendig um die Erwerbsarbeit sicherer, menschenwürdiger, demokratischer und ökologisch verantwortungsvoller zu gestalten. Wichtig wäre hier Mut zur De-Intensivierung, zur Umverteilung von Zeit, Ressourcen und Mitbestimmung – und zur fundamentalen Neubewertung und Organisation der Rolle von Arbeit in der Gesellschaft.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Quality Jobs Roadmap
AK EUROPA: Gekommen, um zu bleiben. Die Europäische Säule sozialer Rechte
AK EUROPA: Die Soziale Säule und die Zukunft der sozialpolitischen Agenda der EU
AK EUROPA: Auf dem Weg zu starken sozialen Mindeststandards für den sozialen Fortschritt in Europa
AK Oberösterreich: Warum Arbeitsklima Index? | Arbeiterkammer Oberösterreich