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ZurückDie EU-Kommission veröffentlichte im Juli ein Maßnahmenpaket, das eine nachhaltigere Nutzung von natürlichen Ressourcen sicherstellen und die Widerstandsfähigkeit der Lebensmittelsysteme stärken soll. Ein wesentlicher Baustein sind aus Sicht der EU-Kommission Änderungen beim Einsatz von Verfahren der Neuen Gentechnik (NGT). NGT sollen gezielter, präziser und schneller funktionieren als konventionelle Verfahren und dabei auch die Klimaresilienz der Pflanzen verbessern. Ein neues AK EUROPA-Positionspapier zeigt die Tücken dieses Vorschlags auf.
Das Gesetzespaket der EU-Kommission von Anfang Juli 2023 besteht aus verschiedenen Vorschlägen, darunter eine Richtlinie zur Bodenüberwachung und eine Richtlinie zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung. Im Verordnungsvorschlag zur Neuen Gentechnik werden diese Verfahren als wahre Wundermittel angepriesen. Die Änderung der bestehenden Vorschriften soll daher den Anbau von NGT-Pflanzen erleichtern, dabei Nachhaltigkeit sicherstellen und insgesamt wirtschaftliche, soziale und ökologische Auswirkungen in Einklang bringen. Alles im Namen des European Green Deal und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die darauf abzielt, die Lebensmittelsysteme fair, gesund und umweltfreundlich zu gestalten. Entscheidende Auswirkungen auf Konsument:innen, (Land-)Wirtschaft und Umwelt werden beiseite gewischt. Diese werden im aktuellen AK EUROPA-Positionspapier herausgearbeitet.
Hintergrund des Vorschlags
Im Juli 2018 entschied der Europäische Gerichtshof in einem Urteil, das Verfahren der Neuen Gentechnik wie die Genschere CRISPR/Cas als gentechnisch veränderte Organismen im Sinne des europäischen Gentechnikrechts gelten. Im Lichte dieses Urteils beauftragten die Agrarminister:innen der EU-Mitgliedsstaaten die EU-Kommission im November 2019 damit, eine umfassende Bewertung der Neuen Gentechnik vorzunehmen. Da die EU-Kommission in ihrer Studie zum Status der NGT zum Schluss kam, dass die bestehenden EU-Regelungen für die neuen genomischen Verfahren ungeeignet sind, wurde beschlossen, einen neuen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten. Die AK hat im Laufe des Gesetzwerdungsprozess mehrmals ihre Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Wahlfreiheit und Sicherheit der Konsument:innen, aber auch hinsichtlich der negativen Effekte auf die Umwelt eingebracht und auf die Angemessenheit der bestehenden Regelungen auch für die Neue Gentechnik hingewiesen. Der vorliegende Vorschlag wird daher von der AK klar abgelehnt, da er unter anderem vom Vorsorgeprinzip abweicht und die Informationsgrundlagen von Konsument:innen untergräbt.
Vom unbekannten Hof zum unwissenden Tisch
Im aktuellen Positionspapier werden die Vorhaben der EU-Kommission nun genau unter die Lupe genommen. Problematisch ist zunächst die Kategorisierung von Pflanzen, die mit Hilfe der Neuen Gentechnik entwickelt wurden. NGT-Pflanzen werden in zwei Kategorien eingeteilt, für die unterschiedliche Anforderungen gelten sollen: Obwohl die vorgeschlagenen Kategorien 1 und 2 wissenschaftlich umstritten sind, sollen Pflanzen der Kategorie 1 zukünftig wie konventionell gezüchtete Pflanzen behandelt werden. Das bedeutet, dass diese Pflanzen und die daraus hergestellten Lebensmittel nach dem Vorschlag der Kommission nicht als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) gekennzeichnet werden müssen und keine Risikoabschätzung brauchen. Konsument:innen hätten damit keine Informationsgrundlage mehr, um zu entscheiden, ob sie Produkte mit Neuer Gentechnik konsumieren wollen oder nicht. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten durch das Kaufverhalten werden ausgehebelt, obwohl laut einer AK-Umfrage für 84% der Konsument:innen Gentechnikfreiheit ein wichtiges Kriterium beim Lebensmitteleinkauf ist. Zudem wird das Vorsorgeprinzip der EU umgangen. Denn obwohl die Auswirkungen von NGT auf Ökosysteme, Biodiversität und Lebensmittelsicherheit noch unklar sind, sollen sie ohne weiteres zugelassen werden.
Weitere Punkte sind, dass die biologische Landwirtschaft, bei der Österreich im EU-Vergleich eine Vorreiterrolle einnimmt, und die gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft unter Druck geraten. Zwar sieht der Kommissionsvorschlag auch vor, dass der Einsatz von NGT-Pflanzen in der biologischen Landwirtschaft verboten wird. Die Anforderungen an eine gentechnikfreie Biolandwirtschaft werden aber viel zu wenig berücksichtigt. Damit werden die Hürden für die notwendige Förderung der biologischen Landwirtschaft erhöht statt gesenkt. Der Vorschlag schafft zudem die Möglichkeit für eine Art freiwilliger Nachhaltigkeitskennzeichnung für NGT-Pflanzen der Kategorie 2, damit könnten diese Produkte besonders anfällig für Greenwashing sein. Hinzu kommen vereinfachte Zulassungsverfahren für NGT-Produkte der Kategorie 2. Auch die Frage, wer die Patente erhält, die sich hinter diesen Zulassungen verbergen, wird im vorliegenden Entwurf nicht behandelt. Internationale Konzerne werden dabei aber klar im Vorteil sein.
Umfassende Änderungen werden benötigt
Die EU-Kommission setzt mit ihrem Vorschlag offensichtlich alles daran, die Produktion von Produkten mit Neuer Gentechnik zu fördern. Um einen sozial-ökologischen Wandel und die Ziele des Green Deal zu erreichen, sind jedoch umfassende Änderungen am Vorschlag der EU-Kommission notwendig. Statt die Wahlfreiheit von Konsument:innen zu untergraben, müssen Lebensmittel aus NGT weiterhin sicher, rückverfolgbar und klar gekennzeichnet sein. Da der Zeitplan für eine politische Einigung sehr eng ist, muss das Bewusstsein für die Gefahren, die mit dem Vorschlag verbunden sind, schnell geweckt werden.
Weiterführende Informationen:
EU Commission: Plants obtained by certain new genomic techniques and their food and feed, andamending Regulation (Nur Englisch)
EU Commission: Study on the status of new genomic technique (Nur Englisch)
EU-Kommission: Untersuchung zu dem Status neuartiger genomischer Verfahren
AK EUROPA Positionspapier: Regeln für Neue Gentechnik
AK EUROPA: Policy Brief: Genome Editing – How to protect the interests of consumers (Nur Englisch)
AK EUROPA: AK-Expertise im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments
AK EUROPA: Keine Änderung der EU-Gesetzgebung zur Gentechnik