Nachrichten
ZurückIn ihrer Rede zur Lage der Union am 14. September 2022 erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Jahr 2023 zum Europäischen Jahr der Kompetenzen. Im Oktober 2022 legte die EU-Kommission ihren Vorschlag für einen Beschluss des EU-Parlaments und des Rates vor. Nachdem im März 2023 die politische Einigung erzielt wurde, wurde das Themenjahr am 9. Mai 2023, dem diesjährigen Europatag, gestartet. Nun ist geplant, die kommenden Monate mit Aktionen zu füllen, die wirksam zur Stärkung der Kompetenzen der Bevölkerung und der Qualifikationen der Arbeitnehmer:innen beitragen.
Zur Umsetzung des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte haben sich die Mitgliedstaaten Mitte 2022 auf nationale Ziele in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung geeinigt. Als EU-Ziel wird im Aktionsplan genannt, bis 2030 zu erreichen, dass jedes Jahr mindestens 60 % der Erwachsenen an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Damit möchte man auch dazu beitragen, dass bis 2030 eine Beschäftigungsquote von mindestens 78 % erreicht wird. In ihrer Pressemitteilung zum Vorschlag, 2023 zum Europäisches Jahr der Kompetenzen auszurufen, hob die EU-Kommission demgegenüber hervor, dass sich den jüngsten verfügbaren Eurostat-Zahlen aus dem Jahr 2016 zufolge lediglich knapp mehr als ein Drittel der Erwachsenen in der EU regelmäßig weiterbilden (können). Und auch vom in der Mitteilung zum Digitalen Kompass 2030 festgelegten Ziel, dass bis 2030 mindestens 80 % aller Erwachsenen über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen sollten, ist man noch weit entfernt. Dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft zufolge würde das aktuell nur auf rund 60 % der Erwachsenen und zwei Drittel der Beschäftigten zutreffen.
Zunehmende Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt
Diesen Zahlen zu Kompetenzen und Qualifizierungsmöglichkeiten stehen zunehmend Engpässe bei der Besetzung offener Stellen gegenüber. So berichten EU-weit potenzielle Arbeitgeber:innen über Schwierigkeiten, Beschäftigte mit den erforderlichen Kompetenzen zu finden. Dem Bericht über Arbeitskräftemangel und Arbeitskräfteüberschuss der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) zufolge bestand 2021 in 28 Berufen ein Fachkräftemangel, unter anderem im Gesundheitswesen, im Bau- und Dienstleistungssektor oder im IT-Bereich. Nicht nur im Lichte der Pensionierungen der Babyboomer-Generation, die viele EU-Mitgliedstaaten vor Herausforderungen stellen, sondern auch angesichts der Notwendigkeit, die sogenannten Twin Transitions – also den digitalen Wandel und den ökologischen Umbau der Wirtschaft – zu bewältigen, muss in den kommenden Jahren ambitioniert in den Kompetenzerwerb der gesamten Bevölkerung investiert werden. Wie das EU-Parlament und der Rat in den Erwägungsgründen ihres Beschlusses zum Europäischen Jahr der Kompetenzen betonen, gilt es nicht nur, den Problemen unattraktiver Arbeitsplätze und schlechter Arbeitsbedingungen durch ein hohes Angebot an hochwertigen Arbeitsplätzen zu begegnen. Ebenso muss das Potenzial aller Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter möglichst gut ausgeschöpft werden, nicht zuletzt auch von Frauen sowie von jungen Menschen, die weder arbeiten noch eine Schule oder Ausbildung absolvieren.
Schwerpunkte des Europäischen Jahres der Kompetenzen
Das Europäische Jahr der Kompetenzen soll nun dazu beitragen, dass alle relevanten Stakeholder, von den Sozialpartnern über Arbeitsvermittlungsagenturen bis zu Bildungseinrichtungen zusammenwirken, um den Kompetenzerwerb zur Bewältigung der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen fördern. Mit dem EU-weit und national koordinierten Ansatz im Rahmen des Themenjahres wird darüber auch das Ziel verfolgt, den aktuellen Wandel der Wirtschaft gerecht zu gestalten und die „Chancen für ein erfülltes Berufs- und Privatleben“ in der EU zu erhöhen. In diesem Sinne sollen auf allen Ebenen wirksame und inklusiv ausgerichtete Investitionen in Umschulung, Weiterbildung sowie allgemeine und berufliche Bildung verstärkt, gemeinsame Ansätze entwickelt sowie die Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen vereinfacht werden. Daneben möchte man Drittstaatsangehörige anwerben, die über benötigte Kompetenzen verfügen.
Um diese Ziele zu erreichen, sollen zunächst bestehende Instrumente, nicht zuletzt europäische Finanzierungsmöglichkeiten genutzt werden. Dazu gehören der Europäische Sozialfonds Plus (ESF+), die Aufbau- und Resilienzfazilität sowie die Programme Digitales Europa, Horizont Europa und Erasmus+. Daneben sollen aber auch neue Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden, darunter die im Industrieplan für den Grünen Deal angekündigten „Net-Zero Industry Academies“ (Akademien für eine CO2 -neutrale Industrie), ein Paket für digitale Bildung und Kompetenzen, die Aktualisierung des Europäischen Qualitätsrahmens für Praktika, die Einrichtung eines EU-Talentpools zur Erleichterung der internationalen Rekrutierung von qualifizierten Drittstaatsangehörigen oder die Erneuerung des Rahmens für die Mobilität zu Lernzwecken. Während des Jahres der Kompetenzen werden sowohl in Brüssel als auch dezentral zahlreiche Aktionen stattfinden. Zu den geplanten Großveranstaltungen zählen die “European Vocational Skills Week 2023“ (23.-27.10.) und ein Abschlussevent im Jahr 2024.
Aus Sicht der AK sollte das Europäische Jahr der Kompetenzen bildungspolitisch vor allem dazu beitragen, die Entwicklung von Kompetenzen von Schüler:innen und die Weiterbildung von Arbeitnehmer:innen in den Fokus zu rücken. Die Betriebe sind dabei verstärkt in die Pflicht zu nehmen. Denn die betriebliche Weiterbildung in Österreich ist – trotz anhaltend hoher Nachfrage nach Arbeitskräften – rückläufig und noch immer finden viele Lehrstellensuchende keinen Ausbildungsplatz. Auf schulischer Ebene müssen in diesem Jahr weitere Anstrengungen für eine größere Chancengerechtigkeit und zur Sicherstellung der Grundkompetenzen unternommen werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Mitteilung zur Erreichung des Europäischen Bildungsraums bis 2025
AK EUROPA Positionspapier: Gut ausbilden, Weiterbildung stärken, die Zukunft gestalten: Für ein Recht auf berufliche Weiterbildung!
AK EUROPA Positionspapier: Mitteilung zu Digital Education Action Plan
AK EUROPA Positionspapier: Digitaler Kompass 2030: Der europäische Weg in die digitale Dekade
AK EUROPA Policy Brief: Aktionsplan zur Säule sozialer Rechte und EU Sozialgipfel: Notwendige soziale Neuausrichtung der EU (Nur Englisch)
A&W Blog: Bildungspolitische Perspektiven auf den Arbeitskräftebedarf
A&W Blog: Just Transition - Arbeitskräfte für die Energiewende