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Knapp zehn Monate nach der Veröffentlichung des ersten Mobilitätspakets „Europa in Bewegung“ kommen die Verhandlungen über die Dossiers im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments in die entscheidende Phase. Die Berichtsentwürfe zu den insgesamt acht Dossiers liegen vor, und auch die Frist zur Einreichung von Änderungsanträgen ist verstrichen. Nun arbeiten die Bericht- und SchattenberichterstatterInnen an möglichen Kompromissanträgen, um Mehrheiten für die geplante Abstimmung im Mai zu finden. Hinsichtlich der sozialrechtlichen Bestimmungen liegen die Positionen aber noch weit auseinander.

 

Am 18. und 19. März 2018 stand im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments (TRAN) das erste Mobilitätspaket auf dem Programm, das die Kommission im Mai vergangenen Jahres vorgestellt hatte. Kontrovers verliefen dabei die Diskussionen um die Dossiers zu den sozialrechtlichen Bestimmungen.

 

Nicht weniger als 300 Abänderungsanträge haben die Abgeordneten zur Verordnung über die Lenk- und Ruhezeiten für BerufskraftfahrerInnen eingebracht. Der Berichterstatter Wim van de Kamp (EVP, Niederlande) fasste diese Änderungsvorschläge in neun Gruppen zusammen. Relativ großen Konsens über die stärksten Fraktionen hinweg ortete er dabei beim Vorschlag, die Anwendung der Vorschriften für Lenk- und Ruhezeiten auf Kleinfahrzeuge von deutlich unter 3,5 Tonnen Gewicht zu senken. Viele der Abgeordneten sind sich nämlich bewusst, dass mit kleinen Fahrzeugen die strengen Vorschriften für LKW ab 3,5 t immer wieder umgangen werden. Es besteht allerdings keine Einigkeit darüber, ob der Anwendungsbereich der Verordnung nur auf Kleintransporte im grenzüberschreitenden Verkehr ausgedehnt wird, oder ob die Verordnung auch für Klein-LKW im nationalen Verkehr gelten soll.

 

Groß ist auch die Bandbreite an Meinungen über die Lenk- und Ruhezeiten an sich. Während manche Abgeordneten keine Änderungen der bestehenden Regeln wünschen, fordern andere eine Lockerung hinsichtlich des letzten Streckenstücks, falls also FahrerInnen Gefahr laufen, wenige Kilometer dem Ziel nicht mehr weiterfahren zu dürfen, da die maximale Lenkzeit erreicht wurde. Und auch der Durchrechnungszeitraum soll nach Ansicht mancher Abgeordneter – allen voran liberaler Fraktionen – von bisher zwei auf vier Wochen ausgedehnt werden. Hinsichtlich des Verbringens der regulären wöchentlichen Ruhezeit in der FahrerInnenkabine scheint der Vorstoß des Berichterstatters, dies auf nachweislich sicheren Parkplätzen zu erlauben, ein mehrheitsfähiger Kompromiss zu sein. Uneinigkeit gibt es aber weiterhin bei der Definition von „Zuhause“, an das die FahrerInnen zumindest einmal im Monat zurückkehren sollen, und wer die Kosten hierfür zu tragen hat. Aus Sicht der Arbeiterkammer ist klar, dass die Kosten von ArbeitgeberInnenseite zu tragen sind, wie es auch im Kommissionsvorschlag vorgesehen ist.

 

Von mehreren Abgeordneten wurde auch die Notwendigkeit angesprochen, dass für BusfahrerInnen andere Regelungen als für LKW-FahrerInnen zu gelten haben. Sie begründen dies damit, dass die LenkerInnen flexibel auf Gästewünsche eingehen müssten, was beim Gütertransport nicht der Fall sei. Dass die maximalen Lenkzeiten in erster Linie der Straßenverkehrssicherheit dienen, geriet bei der Diskussion etwas in den Hintergrund.

 

Große Differenzen gibt es auch bei den vorgeschlagenen Sonderregelungen im Straßenverkehr zur Entsenderichtlinie („lex specialis“). Die Überarbeitung der branchenunabhängigen Entsenderichtlinie ist de facto beendet, und sie sieht vor, dass die bisher gültige Form der Entsenderichtlinie für den Straßenverkehr zu gelten hat, bis die für den Straßenverkehr geltende „lex specialis“ in Kraft tritt.

 

Die Berichterstatterin im TRAN-Ausschuss, Merja Kyllönen (GUE-NGL, Finnland), zeigte die Bandbreite der verschiedenen Positionen auf. Während einige Abgeordnete die Anwendung der Entsenderichtlinie im internationalen Verkehr ab dem ersten Tag fordern, schlagen andere die Anwendung ab dem 16. Tag vor. Die unterschiedlichen Positionen gehen dabei entlang der Fraktionen, aber auch zwischen den Abgeordneten alter und neuer Mitgliedstaaten. Gerade die VertreterInnen der neueren Mitgliedstaaten wünschen sich möglichst lange Übergangsfristen, um einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten. Aus Sicht der Arbeiterkammer steht außer Frage, dass zur wirksamen Bekämpfung von Sozialdumping die Anwendung der Entsenderichtlinie ab dem ersten Tag zu erfolgen hat und deshalb auch keine Notwendigkeit für eine lex specialis besteht.

 

Weitere Themenschwerpunkte stellten die Einführung von digitalen Tachographen dar, die nach Ansicht vieler Abgeordneter nicht erst 2034, sondern bereits 2020 verpflichtend zu erfolgen hat. Außerdem soll klar geregelt werden, welche Dokumente bei Kontrollen vorzuweisen sind. Die Kommission betonte im Rahmen der Diskussion, dass gerade auch für das Transportgewerbe die in der vergangenen Woche vorgeschlagene Europäische Arbeitsbehörde einen wichtigen Beitrag leisten kann, um Lohn- und Sozialdumping auf Europas Straßen einzudämmen. Mehrere sozialdemokratische Abgeordnete fordern darüber hinaus eine eigene Behörde, die auf den Straßenverkehr fokussiert ist.

 

Die Diskussion um das dritte maßgebliche Dossier im Rahmen des Mobilitätspakets, nämlich jenes betreffend Marktzugang und den vorgeschlagenen Änderungen zur Kabotage, wurde aufgrund des unerwarteten Todes des Berichterstatters Jens Nilssen (S&D, Schweden) verschoben. Mehrere Abgeordnete würdigten in ihren Statements die Verdienste des erfahrenen Politikers.

 

Weiterführende Informationen:

AK EUROPA: Kontroverse Debatten über das EU-Paket zum Straßenverkehr

AK EUROPA: Mobilitätspaket „Europa in Bewegung“ – doch wohin und wie schnell?

AK EUROPA: Paket für Soziale Gerechtigkeit der Kommission

AK EUROPA: Entsenderichtlinie: Einigung im Trilog – Wirksame Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping?

AK Positionspapier: Mobilitätspaket „Europa in Bewegung“ – Sozialvorschriften

AK Positionspapier: Mobilitätspaket „Europa in Bewegung“ – Berufs- und Marktzugang