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ZurückDie EU-Kommission hat am 14. September 2022 einen Verordnungsentwurf vorgestellt, wonach Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, vom europäischen Markt verbannt werden sollen. Was Ursula von der Leyen bereits in der Rede zur Lage der Union 2021 angekündigt hatte, wurde nun mit einjähriger Verspätung in die Wege geleitet. Nun sind das EU-Parlament und der Rat am Zug, um den vorgelegten Entwurf zu verhandeln.
Schätzungen zufolge verrichten weltweit ungefähr 28 Mio Menschen Zwangsarbeit. Aus diesem Grund hat das EU-Parlament bereits am 9. Juni 2022 mit fast einstimmiger Mehrheit eine Entschließung für ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit angenommen und damit die EU-Kommission zur raschen Vorlage einer entsprechenden Gesetzesinitiative aufgefordert.
Vom nun präsentierten Vorschlag der EU-Kommission sind sämtliche Produkte aus allen Wirtschaftssektoren umfasst und er gilt für alle Unternehmen, die Waren aus Zwangsarbeit herstellen, verkaufen, in den EU-Binnenmarkt einführen und in Drittstaaten ausführen.
Dem Vorschlag zufolge soll den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten und einer engen zwischenstaatlichen Zusammenarbeit eine zentrale Rolle zukommen. In einem ersten Schritt haben die Behörden eine Risikobewertung in Bezug auf Zwangsarbeit vorzunehmen. Der Verordnungsentwurf sieht vor, dass sie sich dabei auf Stellungnahmen der Zivilgesellschaft, eine Datenbank zum Zwangsarbeitsrisiko und auf die vonseiten der Unternehmen durchgeführten Sorgfaltsprüfungen stützen. Sollte daraufhin der Verdacht auf Herstellung in Zwangsarbeit entstehen, sind ohne Aufschub umfangreiche Untersuchungen anzuordnen. In diesem Zusammenhang soll den Behörden vor allem die Möglichkeit zur Durchführung von Inspektionen gegeben werden. Diese Befugnis bezieht sich nach den Plänen der EU-Kommission auch auf Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten. Die tatsächliche Umsetzung dieser umfassenden Inspektionsbefugnis erscheint gerade vor dem Hintergrund eines oftmals fehlenden Kooperationswillens, aber auch beschränkter Ressourcen zweifelhaft. Hier schlägt die EU-Kommission vor, dass die nationalen Behörden ihre Entscheidung in Fällen mangelnder Kooperation auch auf Basis der verfügbaren Informationen treffen können. Bestätigt sich der Verdacht auf Herstellung in Zwangsarbeit, soll eine sofortige Rücknahme der Produkte vom Markt und die Untersagung der Ein- bzw Ausfuhr erfolgen.
Die EU-Kommission hat darüber hinaus angekündigt, innerhalb von 18 Monaten nach dem möglichen Inkrafttreten dieser Verordnung Leitlinien zu publizieren, welche insbesondere Informationen zu den Risikoindikatoren für Zwangsarbeit enthalten sollen. Des Weiteren soll ein neues EU-Netzwerk für in Zwangsarbeit hergestellte Produkte (EU Forced Labour Product Network) eine unterstützende Rolle einnehmen, um die Koordinierung zwischen den nationalen Behörden zu verbessern.
Verordnungsentwurf mit erheblichen Lücken
Aus Sicht der AK ist der Kommissionsvorschlag zum Verbot von Produkten, die mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen, grundsätzlich zu begrüßen. Um ausbeuterische Arbeit in Wertschöpfungsketten effektiv zu verhindern, braucht es jedoch eine Nachbesserung des Vorschlags. Die EU sollte nicht nur gegen Zwangsarbeit, sondern auch gegen andere Formen der Ausbeutung und Unterdrückung entschlossener vorgehen. Wie aktuelle Zahlen des Internationalen Gewerkschaftsbundes zeigen, wird die Gründung von Gewerkschaften weltweit zunehmend erschwert, genauso wie der außergewerkschaftliche Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen. AK-Präsidentin Renate Anderl äußert sich diesbezüglich wie folgt: „Nur wenn sich Arbeiter:innen vereinigen können, haben sie die Möglichkeit, gemeinsam für existenzsichernde Löhne zu kämpfen“. Die AK fordert gerade in den Bereichen Gewerkschaftsbildung und Tarifverhandlungen dringend notwendige Nachbesserungen, um einen umfassenden Schutz vor generell menschenunwürdiger Arbeit zu gewährleisten. Das Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit kann außerdem nur ein erster Schritt sein. Aus Sicht der AK müssen Unternehmen endlich in die Pflicht genommen werden, Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten zu achten. Für Betroffene muss es wirksame Abhilfe geben. Die AK fordert daher ein starkes EU-Lieferkettengesetz.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: EU-Parlament möchte Produkte aus Zwangsarbeit vom EU-Markt verbannen
AK Wien: Arbeiterkammer unterstützt EU-Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit
Europäische Kommission: Kommission verbannt in Zwangsarbeit hergestellte Produkte vom EU-Markt
Europäischer Gewerkschaftsbund: Unions back EU ban on forced labour goods (Nur in Englisch)
European Coalition for Corporate Justice: European Commission announces new tool banning forced labour goods (Nur in Englisch)