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Diese Woche lud die Europäische Kommission zu einem Treffen der Interessenvertreter zum Thema Zulassung von LKWs mit einer Länge von 25,25 Metern und einem Fassungsvermögen von 60 Tonnen ein. Diese LKWs würden damit einer Länge von 6 durchschnittlichen PKWs bzw. einem Fassungsvermögen einer Boeing 737-300 entsprechen. Die Studien, die von der Kommission in Auftrag gegeben wurden, sprechen sich allerdings überraschend deutlich für die Einführung der Mega-LKWs aus. Auffallend dabei: Argumentationen von anderen Verkehrsträgern, Umwelt- und ArbeitnehmerInnenorganisationen wurden so gut wie nicht in der Studie berücksichtigt bzw. umgedeutet.
Der Kabinettchef des Verkehrskommissars Tajani, Antonio Prato, eröffnete die Veranstaltung mit sehr vorsichtigen Aussagen zu den Mega-LKWs (unter anderem auch Gigaliner genannt): Unmittelbar sei nicht mit einem neuen Richtlinienvorschlag zu rechnen; Sollte es eine Gesetzesinitiative geben – diese sei aber noch offen und hänge von den Ergebnissen der Untersuchungen ab – dann sei mit einer Gesetzesinitiative erst Ende 2010/Anfang 2011 zu rechnen. Offensichtlich in Anspielung auf den (sehr an der Einführung von Monster-LKWs interessierten) zuständigen Beamten betonte Prato, dass Meinungen einzelner Beamter nicht mit der Haltung der Europäischen Kommission übereinstimmen müssen.

Bei der Konferenz wurden sowohl eine Studie von Transport & Mobility Leuven als auch eine Studie vom Joint Research Centre (JRC, gehört zur Kommission) präsentiert. Beide Studien sehen durch den Einsatz der überlangen LKWs eine Verringerung der CO2-Emissionen und des LKW-Verkehrs. T & M Leuven spricht von einem möglichen Rückgang des LKW-Verkehrsaufkommens von bis zu 30 %, während das Joint Research Centre eine Reduktion von nur rund 3 % prognostiziert. Beide Studien sprechen von Rückgängen des Marktanteils (bzw. eines langsameren Wachstums) im Schienenverkehr, aber auch von Chancen, die die Bahnen dadurch hätten. Wie diese Chancen genau aussehen, erwähnen die Studien nicht.

Ebenso wurde ein Studienentwurf der OECD zu diesem Thema vorgestellt, der tendenziell ebenfalls in Richtung der Zulassung von Gigalinern ging.

Das Publikum war von Frächterlobbyisten dominiert, entsprechend positiv fielen die Redebeiträge aus dem Auditorium aus: Der Lebensmittel- und der Chemiesektor sprechen sich für eine Anpassung der Richtlinie zu den Dimensionen von LKWs aus, um ihre Produkte besser transportieren zu können; Viele RednerInnen hoben insbesondere das Volumen und weniger das Gewicht der transportierten Güter hervor. Autoproduzenten sehen keine Konkurrenz zur Schiene.

Bemerkenswert waren aber die Wortmeldungen der Redner, die sich gegen eine Einführung von Mega-LKWs ausgesprochen haben. Tom Jones von Freightliner macht die Kommission auf Rechenfehler in den Studien aufmerksam. Die angenommenen Elastizitäten, die zum positiven Studienergebnis geführt haben, seien zu bezweifeln. Darüber hinaus müsse die Frage gestellt haben, wie viel Geld die Kommission bereits für Pro-Gigaliner-Studien ausgegeben habe. Johannes Ludewig vom Verband der Europäischen Eisenbahnen (CER) stellte umfassend dar, welche negativen Folgewirkungen durch die Einführung überlanger LKWs zu erwarten seien: Die JRC-Studie berücksichtige nicht den intermodal-shift (von Schiene auf Straße), kritische Studien wie von der deutschen Bundesanstalt für Straßenwesen würden nicht berücksichtigt. Er sieht einen Teufelskreis für die Bahn, da eine teilweise Verlagerung von der Schiene auf die Straße zu negativen Economies of Scales führen und die Bahn teurer macht. Die Infrastrukturkosten wären sehr hoch, da Straßen und Brücken für 60t ausgelegt werden müssten. Unterstützt wurde Ludewig von einem Vertreter des Deutschen Bundesverkehrsministeriums, der eine Studie zum Güterverkehr und Logistik zitierte, die darstellt, dass Gigaliner keine Entlastung auf der Straße bringen werden. Der Sicherheitsaspekt dürfe auch nicht vernachlässigt werden, denn die kinetische Energie eines 60 Tonnen LKWs sei bei einem Unfall wesentlich schwerwiegender als eines 40 Tonnen-Wagens. Nina Renshaw von Transport & Environment machte darauf aufmerksam, dass nicht mit einer Verringerung, sondern mit einer Erhöhung der CO2-Emissionen zu rechnen sei, da die umweltfreundlichere Bahn Aufträge verlieren und Güter vermehrt auf der Straße transportiert werden könnten.

Zur sozialen Dimension bei einer Einführung der Monster-LKWs meldete sich AK EUROPA zu Wort: Die Studien würden die negativen Beschäftigungseffekte nicht erfassen. Nur in der JRC-Studie sei davon die Rede, dass zwar weniger LKW-Lenker benötigt würden, die verbleibenden erhielten aber eine bessere Ausbildung und mehr Lohn. AK EUROPA kritisierte diese Aussage und fragte, woher der Studienautor diese Meinung hätte: Es gäbe weder verbindliche Regelungen dazu, noch seien empirische Daten dazu vorhanden. Darüber hinaus seien die Beschäftigungseffekte auf andere Verkehrsträger überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl sie hohe Kosten für die Volkswirtschaften verursachen würden. Außerdem machte AK EUROPA auf den neuen Kommissionsvorschlag zu den Arbeitszeiten für Personen im Straßenverkehr aufmerksam. Die Kommission möchte demnach Selbständige aus den Regelungen zu den Arbeitszeiten ausnehmen. Für AK EUROPA ist dies im Zusammenhang mit der möglichen Einführung von 60 Tonnen LKWs ein besonderes Risiko: Selbständige, die sich an keine Arbeitszeitbegrenzungen halten müssen und übermüdet Mega-LKWs fahren, seien für die Straßensicherheit ein großes Problem.

Die Kommission und der Studienautor vom Joint Research Centre sicherten zu, dass alle in die Diskussion eingebrachten Argumente berücksichtigt würden. Es soll auch noch ein Impact Assessment geben, bei dem unter anderem die soziale Komponente untersucht werden soll. Eine größere Gefahr für LenkerInnen von 60 Tonnen LKWs im Vergleich von 40 Tonnen LKWs sieht die Kommission im Hinblick auf den Kommissionsvorschlag zur Arbeitszeit nicht.

Resumé: Die Kommission äußert sich zur Zulassung von Mega-LKWs viel zurückhaltender als noch vor einem Jahr; Aufgrund des offensichtlich massiven Lobbyings der Frächter-InteressenvertreterInnen ist die Haltung der Kommission aber weiterhin Gigaliner-positiv.


Weiterführende Informationen:

Studie vom Joint Research Centre (nur in Englisch verfügbar)