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Der dieswöchige Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) stand ganz im Zeichen etwaiger Finanzmarktreformen. Dabei fand sich die Finanztransaktionssteuer (FTS) erstmals offiziell auf der Tagesordnung des ECOFIN. Von einer Einigung sind die EU-Finanzminister nach wie vor weit entfernt. Begleitet wurde der ECOFIN von einer Protestaktion vor dem Ratsgebäude von einer Gruppe von BefürworterInnen der Finanztransaktionssteuer.

Klarheit über die Position der beteiligten EU-Institutionen herrscht nach wie vor nicht. EU-Steuerkommissar Algirdas Šemeta legte Mitte August eine Studie vor, in der eine europaweite Einführung der FTS eher kritisch bewertet wird. Folgende Kernaussagen gegen eine FTS gehen aus der Studie hervor:

  • Es besteht die Gefahr einer Kapitalverlagerung aus der EU in Drittländer
  • rechtliche Probleme mit der WTO (Beschränkungen hinsichtlich internationaler Überweisungen) werden befürchtet
  • die technische Machbarkeit wird bezweifelt
  • die Kapitalkosten für Wirtschaft und Staat erhöhen sich
  • der Preisfindungsprozess auf den Märkten würde erschwert
  • die Stabilität der Finanzmärkte sinkt durch ein Zunehmen der Schwankungen.
  • die Kommission rechnet mit geringeren Einnahmen als von den BefürworterInnen behauptet und
  • die Einnahmen sind ungleich verteilt.

Inhaltliche Kritik an diesem Papier kam unter anderem von der Nichtregierungsorganisation WEED (World Economy, Ecology & Development) und aus dem WIFO von Stephan Schulmeister. Schulmeister entkräftete vor allem die technischen Schwierigkeiten die bei einer Einführung entstehen könnten, während WEED der Kommission unterstellt „sich dabei nicht wirklich mit den Argumenten der Befürworter der FTS auseinanderzusetzen“ und „keine Lehren aus der Finanzkrise“ zu ziehen. Auch entkräftet WEED jedes einzelne oben angeführte Gegenargument zur FTS.

Der ECOFIN konnte sich auf kein gemeinsames Vorgehen bei der FTS einigen. Bei dieser Debatte verschwimmen die ideologischen Grenzen der Regierungen: BefürworterInnen sind vor allem Frankreich, Belgien, Österreich und Deutschland. GegnerInnen kommen vor allem aus Großbritannien, Schweden aber auch aus sozialdemokratisch regierten Ländern  wie Spanien und Griechenland. Letztere sind vor allem aus Angst vor einer Verunsicherung auf ihren ohnehin fragilen Finanzmärkten gegen die Einführung einer FTS. Konservativ regierte Länder die für eine Einführung einer FTS sind, sehen darin eine notwendige Regulierung des Finanzmarktes um neue Krisen zu vermeiden und um das Budget mit deren Einahmen zu entlasten.

Eine Reihe offener Fragen zu Einführung der FTS blieben am ECOFIN unbeantwortet:

Was passiert mit den Einnahmen? (diskutierte Alternativen sind Entwicklungshilfe, Klimaschutz, Haushaltszuführung) Was ist die Bemessungsgrundlage? Wie hoch ist diese Steuer? Wer hebt sie ein?

Am Rande des ECOFIN kam es auch zu einem Treffen der Kampagnen-Plattform „Europäer für eine Reform des Finanzmarkts“, bei dem auch das Brüsseler AK EUROPA Büro beteiligt war. Ziel dieses Bündnisses, das neben der AK unter anderem Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen  Klimaschutz, Entwicklung, Gesundheit und Bildung, die Europäischen Sozialdemokraten und die Europäischen Grünen umfasst, ist gemeinsam Druck auf die EU-Institutionen und die einzelnen Regierungen aufzubauen. BürgerInnen Europas sollen regelmäßig informiert und für die Einführung einer FTS mobilisiert werden.

Im Europäischen Parlament verläuft die Debatte hingegen deutlich entlang ideologischer Grenzen. Die Frage, ob eine FTS nur global Sinn macht oder ob Europa eine Vorreiterrolle einnehmen soll, ist dabei eine der Hauptkonfliktlinien. Die  Europäische Volkspartei, die europäischen Liberalen und die europäischen Konservativen streben eine Verschiebung der Debatte bis zum nächsten G20 Gipfel an und möchten damit einen Alleingang der EU verhindern. SozialdemokratInnenen, Grüne und Linke ParlamentsvertreterInnen sehen darin eine Verschleppung der Debatte und sprechen sich für eine rasche  Einführung der Finanztransaktionssteuer aus, um die Auswirkungen der Krise jetzt zu finanzieren und um den Finanzmarkt so schnell wie möglich zu regulieren.

Weiterführende Informationen:

WEED Factsheet: EU-Kommission will Finanztransaktionssteuer blockieren

Ergebnisse der außerordentlichen ECOFIN-Ratssitzung am 7. September