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ZurückZukünftige EU-Erweiterungen bedürfen der Einbindung der Sozialpartner und einer Vertiefung des Sozialen Dialogs – sowohl in der EU als auch in den Kandidatenländern. Am 26. März 2024 luden AK EUROPA und das ÖGB-Europabüro zur Auftaktveranstaltung des Central European Trade Union Network (CETUN). Dabei wurden Herausforderungen und Chancen einer Erweiterung der EU um die Westbalkanregion diskutiert. Man war sich einig, dass die soziale Dimension deutlich stärker berücksichtigt werden muss.
Vor dem Hintergrund zunehmender Unsicherheiten, Umbrüche und anhaltender Krisen, nahm die Debatte um die Erweiterung der EU wieder an Fahrt auf, wobei der Fokus auf geopolitischen und wirtschaftlichen Zielen liegt. Aktuell sind neben der Ukraine, Moldau, Georgien und der Türkei die Westbalkan-Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien Beitrittskandidaten. Die soziale Dimension und der Soziale Dialog finden demgegenüber nicht die notwendige Berücksichtigung. Dem widmeten das ÖGB Europabüro und AK EUROPA jüngst eine Veranstaltung. Im Zentrum stand die Podiumsdiskussion „Höchste Zeit für soziale Integration – Förderung des sozialen Dialogs am Westbalkan“.
Das CETUN Projekt
Zu Beginn der Veranstaltung wurde das neugegründete Netzwerk und EU Projekt CETUN präsentiert. Bei CETUN sind Gewerkschaften aus Österreich, Kroatien, Tschechien, Ungarn, Liechtenstein, Serbien, der Slowakei, Slowenien und der Schweiz vertreten. CETUN wird sich auf EU-Ebene für deren gemeinsame Anliegen einsetzen, die oftmals grenzüberschreitenden Charakter haben. Zwischen März 2024 und Februar 2026 sollen regelmäßig Vernetzungstreffen und gemeinsame Seminare stattfinden. Martin Hojni, Österreichs Vertreter im politischen und sicherheitspolitischen Komitee der EU, hob die Bedeutung der Region des Westbalkans hervor. Tea Jarc, Vorstandsmitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) und slowenische Gewerkschafterin, betonte, dass ihr das Thema Erweiterung und daher auch CETUN ein besonderes Anliegen sei. Ein Fokus müsse auf die Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie gelegt werden. Monika Uhlerova, Präsidentin des slowakischen Gewerkschaftsbundes (KOZ SR), bekräftigte die gemeinsamen Interessen und Werte der von CETUN vertretenen Gewerkschaften.
Förderung des Sozialen Dialogs am Westbalkan
Wolfgang Katzian, Präsident von ÖGB und EGB, hob in seiner Videoansprache hervor, dass überregionale Gewerkschaftsnetzwerke wichtiger denn je seien. Der offene Arbeitsmarkt und übernational agierende Unternehmen bringen Herausforderungen mit sich, denen man nur mit Hilfe internationaler Zusammenarbeit etwas entgegenhalten könne. Auch in Bezug auf den Westbalkan müssen der Ausbau des Sozialen Dialogs und gemeinsame soziale Standards zum integralen Bestandteil des Beitrittsprozesses werden. Schließlich seien eine hohe kollektivvertragliche Abdeckung und eine starke Vertretung der Arbeitnehmer:innen Voraussetzung für höhere Löhne und verbesserte soziale Rahmenbedingungen und damit auch für die Einhaltung des EU-Wohlstandsversprechens. Čedanka Andrić, Präsidentin des serbischen unabhängigen Gewerkschaftsbundes und Vize-Präsidentin des EGB, bestätigte, dass der Soziale Dialog auf Augenhöhe in den Regionen des Weltbalkans oftmals schwierig sei. Oliver Röpke, EWSA-Präsident, brachte ein, dass seinerzeit auch in Österreich nur durch die aktive Einbindung der Sozialpartner der Beitritt eine breite Zustimmung in der Bevölkerung fand.
EU-Erweiterung für alle
Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, gab zu bedenken, dass derzeit eine gewisse Erweiterungsmüdigkeit zu beobachten sei. Nur wenn das soziale Versprechen der EU, nämlich wachsender Wohlstand, eingelöst wird, könne die Unterstützung der Bevölkerung in der EU gewonnen werden. Und das sei nur mit einer starken sozialen Säule möglich, von dieser würde auch die Stabilität der Region abhängen. Er stellte klar, dass es sowohl in den Kandidatenländern als auch in der EU keinen Sozialabbau geben dürfe und dass soziale Rechte als Grundrechte in der EU insgesamt besser verankert werden müssen. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung in den Kandidatenländern hänge an einer Verbesserung des Lebensstandards, bemerkte Čedanka Andrić in diesem Zusammenhang. Oliver Röpke hob schließlich hervor, dass soziale Kriterien ein zentraler Bestandteil in den Beitrittsprozessen sein sollten.
Schritt für Schritt
Alle Diskutant:innen betonten die Wichtigkeit einer stufenweisen Integration der potenziellen neuen Mitgliedstaaten. Oliver Röpke zeigte auf, dass der EWSA der organisierten Zivilgesellschaft und insbesondere auch den Sozialpartnern aus den Kandidatenländern bereits jetzt eine Plattform biete, um sich aktiv in die EU-Politik einzubringen. Nicolas Schmit nannte den aktuellen Wachstumsplan für den Westbalkan, der mit einer Kreditlinie von 6 Milliarden zwar noch nicht ausreiche, aber ein wichtiges politisches Zeichen darstelle. Schließlich müsse bereits jetzt dort investiert werden. Čedanka Andrić erinnerte daran, dass die Westbalkanregion lange Zeit vernachlässigt worden sei. Die Beitrittsprozesse seien vor allem als technische Angelegenheit betrachtet worden. Für eine gelungene Integration sei aber eine Veränderung der Gesellschaft und eine Erhöhung des Lebensstandards notwendig, auch angesichts des akuten Arbeitskräftemangels in der Region.
Weiterführende Informationen:
Fotogalerie zur Veranstaltung
Europäisches Parlament: Die Länder des westlichen Balkans
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Europäischer Rat: EU-Erweiterungspolitik