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Letzte Woche wurde im Parlamentsausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) der Entwurf zum Initiativbericht zu Beschäftigungs- und sozialen Aspekten im Jahreswachstumsbericht 2016 präsentiert. Berichterstatterin ist die konservative Sofia Ribeiro (EVP), die in weiten Teilen der Analyse der Kommission zustimmte und verabsäumte, kritische Aspekte anzusprechen.

Der heurige Jahreswachstumsbericht (JWB) unterstreicht erstmals die Notwendigkeit, sich auch mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit als Indikatoren für wirtschaftspolitische Zielsetzungen auseinanderzusetzen – nicht nur um Wirtschaftswachstum und Konvergenz anzukurbeln, sondern auch als Selbstzweck. Im Warnmechanismusbericht 2016 wurden daher erstmals die Indikatoren Beschäftigungsrate sowie Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit berücksichtigt. Diese Neuerung ist aus AK-Perspektive begrüßenswert, das Hauptproblem liegt jedoch im fiskalpolitischen Korsett, das eine echte Kehrtwende und effektive Bekämpfung von Ungleichheit und Arbeitslosigkeit verunmöglicht. Denn die Kommission hält weiterhin am Stabilitäts- und Wachstumspakt fest, der es den Staaten verunmöglicht, die dringend notwendigen Investitionen zu tätigen. Auch der Initiativbericht des EMPL-Ausschusses lobt die Einführung dieser sozialpolitischen Kriterien.

Beschäftigung

Der Berichtsentwurf deutet den Rückgang der Arbeitslosigkeit seit 2013 als Erfolg der europäischen Wirtschaftspolitik und Strukturreformen. Aus AK-Perspektive ist dieser (wenn auch vorsichtige) Optimismus allerdings verfehlt: Derzeit sind etwa 23 Mio EU-BürgerInnen arbeitslos, das entspricht etwa 9,9% der Bevölkerung. Wenn die Arbeitslosigkeit weiterhin in diesem Tempo sinkt, würde erst 2020 der Stand von 2007 wieder erreicht werden.

Weiters spricht der Bericht ein allgemeines Bekenntnis zu guten Jobs aus, enthält aber keine Strategie dafür. Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit wird der individualisierte Zugang des JWB gelobt - aus Sicht der AK ist dieser Zugang zwar gut, aber das Einsetzen einer individualisierten Betreuung nach 18 Monaten der Arbeitslosigkeit viel zu spät.

Strukturreformen

Der Bericht betont die Notwendigkeit, Investitionen, Strukturreformen und verantwortungsvolle Budgetkonsolidierung voranzutreiben, ohne Stellung zu beziehen, in welchem Verhältnis diese Ziele zueinander stehen. Denn die strikte Budgetdisziplin ist derzeit das größte Hemmnis für Investitionen.

In Bezug auf den Flexicurity-Ansatz, den die Kommission zur Schaffung von Arbeitsplätzen vorschlägt, positioniert sich der Bericht unkritisch, fordert jedoch auch mehr arbeitsrechtlichen Schutz. Die AK stellt dem entgegen, dass Flexicurity bisher nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern nur zu mehr unsicheren Jobs geführt hat.

JWB und Ausschussbericht fordern, die Steuerlast von Arbeit auf andere, unternehmensfreundliche Bereiche zu verlagern. Die AK begrüßt die Entlastung des Faktors Arbeit zwar, aber nur wenn eine arbeitnehmerInnen- und konsumentInnenfreundliche Gegenfinanzierung gesichert ist. Dazu wäre etwa die EU-weite Mindestbesteuerung von Vermögen ein wichtiger Schritt. Aber auch die im JWB erwähnten Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung und –hinterziehung sind sehr zu begrüßen. Was im JWB fehlt, ist ein Bekenntnis zur gemeinsamen konsolidierten KöSt-Bemessungsgrundlage mit einem Mindeststeuersatz und zur Finanztransaktionssteuer.

Investitionen

Ein Vorschlag aus dem JWB, der vom Ausschussberichtsentwurf unkritisch übernommen wird, ist dass der Europäische Struktur- und Investitionsfonds (EFSI) länderspezifische Empfehlungen umsetzen helfen soll – diesen Vorschlag wertet die AK jedoch als höchst problematischen Versuch, Kohäsionspolitik als weiteres Druckmittel einzusetzen, um Economic Governance durchzusetzen.

Der Vorschlag des JWB, die Mitgliedsstaaten sollten soziale Investitionen erhöhen, begrüßen der Ausschussberichtsentwurf und die AK jedoch gleichermaßen.

Soziale Inklusion

Der Ausschussberichtsentwurf fordert die Mitgliedsstaaten dazu auf, Sozialleistungen auf einem Minimum zu halten, und keine „Abhängigkeit“ davon zu erzeugen und reproduziert damit das Märchen der sozialen Hängematte. Dabei ist es erwiesen, dass Sozialleistungen an die einkommensschwächsten Bevölkerungsschichten zu 100% als Konsum in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen und sich so selbst finanzieren. Die Sozialleistungen gerade an diese Gruppen dürfen sich also nicht auf einem minimalen, sondern müssen sich auf einem Niveau bewegen, das ein würdiges Leben ermöglicht.

Zur Inklusion von Flüchtlingen schlägt der Berichtsentwurf vor, die Finanzierung nicht allein den Mitgliedsstaaten zu überlassen und fordert die EK auf, eine Strategie für den Mehrjährigen Finanzrahmen vorzulegen.

In Bezug auf die alternde Bevölkerung beschränkt sich der Berichtsentwurf darauf, pauschal festzustellen, dass soziale Sicherungssysteme nicht mehr aufrechterhalten werden können, spricht aber keine explizite Forderung nach einer Erhöhung des Pensionsalters an.

Europäisches Semester

Zum Abschluss beschäftigt sich der Berichtsentwurf mit dem Europäischen Semester und erhebt zwei aus AK-Perspektive begrüßenswerte Forderungen: Einerseits die stärkere Einbindung der nationalen Parlamente und andererseits die Förderung des Sozialen Dialogs und die Einbindung der SozialpartnerInnen.

Weiterführende Informationen:

Berichtsentwurf des EMPL-Ausschusses zum JWB 2016

Positionspapier der AK zum JWB 2016