Nachrichten

Zurück
Langzeitarbeitslosigkeit, also über 12 Monate andauernde Arbeitslosigkeit, hat sich in der EU seit 2007 verdoppelt. Im Jahr 2014 waren in der EU 12 Millionen Menschen langzeitarbeitslos. Auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen insgesamt, steigt an. 60 % der Arbeitslosen in der EU sind dies seit über einem Jahr.
Vergangene Woche hat Kommissarin Marianne Thyssen (Beschäftigung, Soziales und Integration) neue Leitlinien zur besseren Unterstützung von Langzeitarbeitslosen vorgeschlagen.

Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sollen vor allem bei der individuellen Betreuung der arbeitslosen Menschen ansetzen: Erstens soll die Meldung der arbeitssuchenden Menschen bei den Arbeitsämtern lückenloser werden, da viele Langzeitarbeitslose sich gar nicht (mehr) bei den Behörden melden. Zweitens soll für alle über ein Jahr Arbeitssuchenden eine individuelle Bestandsaufnahme ihrer Bedürfnisse und Potenziale erfolgen. Drittens soll nach spätestens 18 Monaten Arbeitslosigkeit eine Wiedereinstiegsvereinbarung getroffen werden, also ein individueller Fahrplan zurück in die Beschäftigung, der auch bestimmte Unterstützungsangebote beinhalten kann (zB. Mentoring oder soziale Leistungen wie Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung, Wohn- und Transportkostenzuschüsse oder Rehabilitation).

Für diese Maßnahmen sollen Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds für die Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt werden. Diese sollen unter anderem als finanzielle Anreize für Unternehmen eingesetzt werden, die Langzeit-Arbeitslose einstellen.

Alle genannten Vorschläge setzen auf einer individuellen Ebene an und verkennen dabei die makroökonomische Dimension von Langzeitarbeitslosigkeit – schließlich ist es kein Zufall, dass diese sich gerade seit Beginn der Wirtschaftskrise verdoppelt hat. Solange daher in der EU keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden, öffentliche Budgets gekürzt und öffentliche Ausgaben eingespart werden, kann eine effektive Bekämpfung von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit nicht gelingen.

Gerade, wenn sich die Leistungen in den und rund um die Arbeitsämter diversifizieren sollen, ist mit einem Mehr an Kursen und Beratungsleistungen zu rechnen, die üblicherweise von privaten Unternehmen angeboten werden. Dabei zeigt die Erfahrung, dass fehlgeleitete Arbeitsmarkt-Maßnahmen (etwa der verpflichtende Besuch von unpassenden Kursen) von vielen Betroffenen als schikanös wahrgenommen werden, und die psychologischen negativen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit eher verstärken.

Abzuwarten bleibt, wie sich die Vorschläge in Bezug auf die Unterstützungsangebote im Rahmen der Wiedereinstiegsvereinbarungen entwickeln: Ein besserer Zugang zu bestimmten Sozialleistungen wäre gerade für Langzeitarbeitslose natürlich wünschenswert.

Auch zum Thema Jugendarbeitslosigkeit hat Kommissarin Thyssen sich diese Woche zu Wort gemeldet – und als eine mögliche Lösung für junge Menschen den Weg in die Selbständigkeit genannt, da dieser die notwendige Flexibilität am Arbeitsmarkt bringe. Dieser Vorschlag ist mit höchster Vorsicht zu genießen, denn Selbständigkeit wird oft als Deckmantel für atypische Beschäftigungsverhältnisse verwendet. Gerade diese Praxis kann bestimmt keine Lösung für Jugendarbeitslosigkeit sein, sondern würde eher zu einer weiteren Prekarisierung und Verarmung junger Menschen führen.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Unterstützung Langzeit-Arbeitsloser werden als Nächstes im Rat diskutiert, der daraufhin eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten beschließen kann.


Weiterführende Informationen:


Pressemitteilung

Volltext des Vorschlags