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Diese Woche veranstaltete AK EUROPA gemeinsam mit dem ÖGB Europabüro eine Podiumsdiskussion zum Thema Datenschutz im 21. Jahrhundert. Neue Technologien bieten Unternehmen immer mehr Möglichkeiten, ihre (potentiellen) KundInnen ohne ihr Wissen genau zu überwachen und zu analysieren. Dies stellt nicht nur einen Eingriff in die persönliche Integrität dar, sondern kann auch wirtschaftliche Auswirkungen auf VerbraucherInnen haben, wenn z.B. die Preisgestaltung individuell an die Kaufkraft bzw. Bedürfnisse der/des Kunden bzw. Kundin angepasst wird. Datenverwertung ist somit ein lukratives Geschäft an sich („Big Data“), das die EU im Rahmen ihrer Agenda zum digitalen Binnenmarkt weiter vorantreiben will. Im Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und kommerzieller Verwertung diskutierten vier ausgewiesene ExpertInnen in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel über die Zukunft des Datenschutzes in Europa.

Wolfie CHRISTL, Technologie-Experte, Researcher und Netzaktivist präsentierte die im Auftrag der Arbeiterkammer erstellte Studie „Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag“. Er gab anhand von ausgewählten Problemfeldern und Beispielen einen Überblick über internationale Trends in der zunehmenden Erfassung und Verwertung persönlicher Daten durch Unternehmen und skizzierte mögliche Auswirkungen auf das alltägliche Leben. Detailliert schilderte er, wie sich Unternehmen in der einen oder anderen Weise dem Handel mit persönlichen Daten verschrieben hätten. Durch diese Entwicklungen und Praktiken werde deutlich, dass eine Art von Überwachungsgesellschaft Realität geworden sei, in der die Bevölkerung ständig auf Basis persönlicher Daten klassifiziert und sortiert werde. Er warnte davor, dass die digitale Überwachung künftig drastische Auswirkungen auf Gesellschaft, Demokratie und die Autonomie des Einzelnen haben könne. Abschließend sprach sich CHRISTL für die Schaffung von mehr Transparenz über die Praktiken von Unternehmen aus und damit auch klar für eine neue Datenschutzverordnung, damit die zukünftigen Regeln nicht mehr von den Unternehmen gemacht werden könnten.

Josef WEIDENHOLZER (Mitglied des Europäischen Parlaments, S&D-Fraktion) merkte an, dass der „Goldgräbermentalität“ im Bereich der Datenverwertung („Big Data“) etwas entgegengesetzt werden müsse. Insbesondere die Enthüllungen von Edward Snowden hätten dem Thema eine massive öffentliche Präsenz verschafft. Datenschutz stehe nicht unbedingt im Gegensatz zu unternehmerischen Interessen, da es von dieser Seite den Wunsch nach klaren Regeln gebe. Für die KonsumentInnen sei wichtig, dass sie besser über die Verwendung ihrer Daten Bescheid wüssten (Transparenz) sowie eine gewisse gesetzgeberische „Fürsorge“, z.B. für ältere Menschen, die sich in der neuen digitalen Welt oft nicht zurechtfänden. Es müsse auch garantiert sein, dass VerbraucherInnen den DatenverwerterInnen mit einem gewissen Vertrauen begegnen könnten, da persönliche Daten – ähnlich wie Körperteile – fester Bestandteil des Individuums seien. Es sei daher unerlässlich, dass einer Datenverwendung explizit zugestimmt werden müsse.

Renate NIKOLAY von der Europäischen Kommission (Kabinettschefin der Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung Věra Jourová) betonte die Notwendigkeit einer Änderung der EU-Datenschutzgesetze, die aus dem Jahr 1995 stammten. Auch eine gewisse EU-weite Einheitlichkeit sei angesichts der Pläne zum digitalen Binnenmarkt unerlässlich, um Wettbewerbsverzerrungen endlich zu reduzieren. Angesichts des kürzlich begonnen Trilogs der EU-Kommission mit dem Rat und dem Europäischen Parlament zur neuen Datenschutzverordnung zeigte sich NIKOLAY positiv gestimmt. Klar sei, dass die BürgerInnen als mündige KonsumentInnen eine gewisse Verantwortung für ihre Daten übernehmen müssten, der Gesetzgeber könnte hier aber Grundrechte – wie z.B. das mehrmals genannte „Recht auf Vergessen“ – garantieren. Im Gegensatz zum Rat würden sich die beiden anderen Trilog-Institutionen für eine ausdrückliche Einwilligung der KonsumentInnen für die Verarbeitung ihrer Daten einsetzen.

Daniela ZIMMER von der AK Wien zitierte eine Eurobarometer-Umfrage (Februar 2015), nach der 92% der ÖsterreicherInnen mehr Priorität für das Thema Datenschutz auf EU-Ebene fordern. Zahlreiche AK-Studien hätten gezeigt, wie vielfältig die Überwachung der VerbraucherInnen derzeit sei. So werde z.B. durch das Bewegungsprofil von Mobiltelefonen auf die Bonität geschlossen: Häufige Ortswechsel könnten als instabilere Lebensverhältnisse gedeutet werden. Es gebe Anzeichen, dass user mit teureren Computern bei Käufen im Internet manchmal tiefer in die Tasche greifen müssten, was die AK in Kürze genauer untersuchen werde.

In der geplanten Datenschutzverordnung der EU sah die AK-Expertin gute Ansätze, allerdings fehle die Möglichkeit für die Nationalstaaten, gewisse Vorschriften „zu präzisieren“. Am Gesetzesentwurf ließen sich vor allem drei kapitale Fehler feststellen:

  1. Forcierung von „Pseudonymisierung“ durch die EU: Die AK Fordert hier eine vollständige Anonymisierung, sobald der Personenbezug nicht mehr notwendig ist;
  2. Aufgabe der Zweckbindung: Daten sollen von den „Sammlern“ auch für andere Zwecke als ursprünglich gedacht weiterverarbeitet werden dürfen;
  3. die geplante Relativierung von Verarbeitungsinteressen der Unternehmen und den Geheimhaltungsinteressen der BürgerInnen.

Die Moderation übernahm der freie Journalist Eric BONSE.

Weiterführende Informationen

Fotos von der Veranstaltung

Präsentation von Daniela Zimmer