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Vergangene Woche veranstaltete AK EUROPA gemeinsam mit dem ÖGB Europabüro eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema Regulierungszusammenarbeit in TTIP. Dabei ging es um die sogenannten nichttarifären Handelshemmnissen, die in den „neuartigen“ Handelsabkommen TTIP und CETA durch intensive Kooperation der Gesetzgeber abgebaut werden sollen. Während die EU-Kommission behauptet, dass damit nur technische Vorschriften wie die Farbe von Stromkabeln gemeint seien, warnt die AK vor einem Abbau von Standards im ArbeitnehmerInnen- und KonsumentInnenschutz. Diese „Handelshindernisse“, von denen die Allgemeinheit profitiert, kann theoretisch wesentlich mehr „eingespart“ werden als bei den oft zitierten Vorschriften für Kabel.

Peter-Tobias STOLL von der Universität Göttingen stellte das von ihm im Auftrag der AK miterstellte Rechtsgutachten vor. Zunächst erläuterte er das Konzept der sogenannten „Regulierungszusammenarbeit“ als Kernelement der EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP). Neben der Senkung von Zöllen sollen die Abkommen damit auch die aus unterschiedlichen Regulierungen resultierenden nichttarifären Handelshemmnisse abbauen. Der Professor meldete einige begründete Bedenken an den Plänen der Kommission an:

  • Die Entwurfstexte von CETA und TTIP betonen zwar das Bestreben, möglichst hohe Schutzstandards zu gewährleisten. Leider werden Regulierungshoheit und Schutzstandards nur unter Einschränkungen bzw. in schwachen Formulierungen in die Vertragstexte aufgenommen;
  • Bedenklich ist weiters, dass das in Europa herrschende Vorsorgeprinzip (Zulassung von Chemikalien, Medikamenten etc. erst wenn die Unschädlichkeit wissenschaftlich bewiesen ist) als ein Kernelement der europäischen Regulierungspolitik in CETA und den bisher bekannten Teilen von TTIP kaum vorkommt. Vielmehr wird auf das WTO-Recht Bezug genommen, welches deutlich weniger Raum für eine vorsorgende Regulierung in Fällen zulässt, in denen Schädlichkeit noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist;
  • Ein weiteres Defizit liegt darin, dass nach dem geltenden EU-Recht das EU-Parlament erst- und einmalig bei der Ratifikation der Abkommen zustimmen muss, aber über die Arbeit innerhalb der Abkommen – hier also insbesondere der Regulierungszusammenarbeit – nur noch informiert wird. Es sollte daher auf der Seite der EU ein interner Mechanismus zur verstärkten Beteiligung des EU-Parlamentes geschaffen werden;
  • CETA und TTIP bleiben bei der Beteiligung der Zivilgesellschaft im Ungefähren. Es ist sicherzustellen, dass zivilgesellschaftliche Gruppen in den Tätigkeiten und Gremien, die für ihre Arbeit relevant sind, vertreten sind.

Éva DESSEWFFY von der AK Wien wies auf drei Kernbedenken der ArbeitnehmerInnenvertrung hin: Zunächst kritisierte sie die Nicht-Einbindung des Europäischen Parlaments, was demokratiepolitisch bedenklich sei. Weiters merkte sie an, dass TTIP als „Projekt der höchsten Standards“ zwar wünschenswert gewesen wäre, da es zurzeit allerdings nach dem Gegenteil aussehe, müsse man sensible Bereiche wie die Gesundheitsversorgung auf jedem Fall aus dem Abkommen ausnehmen. Als schlechtes Omen wertete sie die Pläne der Kommission, Pestizidgrenzwerte in Lebensmitteln auf die internationalen Minimumvorgaben abzusenken. Schließlich wies sie darauf hin, dass – wie so oft im Umfeld der Kommission – die Wirtschafts- und Industrielobbies auch im Bereich der Handelspolitik überrepräsentiert seien und die VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen nur schwer Einfluss auf die Gestaltung des Abkommens nehmen könnten. Ausdrücklich warnte sie vor einer Verwässerung des sogenannten Vorsorgeprinzips in Europa – es müsse weiterhin gesichert sein, dass z.B. Chemikalien erst in den Umlauf kommen dürfen, wenn zweifelsfrei feststehe, dass keine Gefahr von ihnen ausgehe. Der Vorschlag der Kommission, dies in einer Fußnote unterzubringen, sei zu schwach.

Ursula PACHL vom europäischen KonsumentInnenschutzverband, machte in ihrem Redebeitrag auf die konzeptuellen Parallelen zwischen der Regulierungszusammenarbeit in Handelsverträgen und den derzeit auf EU-Ebene sehr in Mode befindlichen Konzepten „Bessere Rechtsetzung“ und „REFIT“ aufmerksam. In Planung befindliche Gesetzesvorhaben müssten hier wie dort zigfach geprüft und legitimiert werden, damit nur ja nicht Unternehmen bei ihrer Tätigkeit behindert werden. Dies habe zur Folge, dass es immer schwieriger werde, neue Gesetze zu erlassen. Die Folge: „Paralyse durch Analyse“, so die Rechtsexpertin von BEUC. Bevor der Gesetzgeber sich das antue, verzichte er lieber prophylaktisch auf neue Regeln, selbst wenn sie im Interesse der ArbeitnehmerInnen, der KonsumentInnen oder der Umwelt sind.

Fernando PERREAU DE PINNINCK von der europäische Kommission (GD Handel) paraphrasierte einen bekannten Ausspruch wenn er davon sprach, dass „niemand die Absicht habe“, mit TTIP über die Hintertüre irgendwelche europäischen Standards zu senken. Ganz im Gegenteil gehe er davon aus, dass TTIP und die Regulierungszusammenarbeit viele Standards eher erhöhen werde. Regulatorische Zusammenarbeit sei laut ihm jetzt schon Normalität, da Regulierungsbehörden aus aller Welt sich immer wieder abstimmen würden. Das Vorsorgeprinzip sah er durch den aktuellen Verhandlungsvorschlag der Kommission „wasserfest“ geschützt. Dieser sehe nämlich ein „Recht auf Regulierung“ vor, das auch die Art und Weise der Zulassung von Medikamenten, Chemikalien etc. miteinschließe.

Insgesamt biete das Abkommen viele Vorteile für KMU. Den Vorschlag, auf regulatorische Kooperation zu verzichten („TTIP light“), wies er mit dem Argument zurück, dass dann TTIP wesentlich mehr Vorteile für die USA als für Europa bringe: Dann wären nämlich nur noch tarifäre Handelshemmnisse – also Zölle – betroffen, bei denen Europa im Rahmen des transatlantischen Handels wesentlich stärkere Einnahmen verzeichnen könne. Auf diese müsste die EU im Fall von „TTIP light“ dann ohne die Kompensation durch andere Vorteile, wie sie durch Regulierungszusammenarbeit entstünden, verzichten.

Die Moderation übernahm Petra PINZLER von der Wochenzeitung DIE ZEIT.

 

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