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Am 16. Juni 2015 veranstaltete AK EUROPA in Kooperation mit dem ÖGB Europabüro eine Podiumsdiskussion zum Thema Steuerpolitik der Europäischen Union. Nach einer Präsentation der AK-Studie „Steuerflucht und Steueroasen“ diskutierten die PodiumsteilnehmerInnen u.a. über legale Steuervermeidung, die schädlichen Folgen des Steuerwettbewerbs sowie die Möglichkeiten, auf europäischer Ebene gegenzusteuern.

Steuervermeidung schädigt Staatshaushalte in großem Ausmaß

Otto FARNY (Arbeiterkammer Wien) präsentierte die von ihm miterstellte AK-Studie „Steuerflucht und Steueroasen“. Er erläuterte die beiden wesentlichen Ereignisse, die dem Thema eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen konnten: Zunächst die „Neuigkeit“, dass viele multinationale Konzerne wie Starbucks oder Apple in Europa kaum Steuern zahlen und die „Steuer-CDs“, durch die auch prominentere Fälle (indirekt) ans Licht kamen.

Studien gingen davon aus, dass den europäischen Staaten 75 Mrd. USD an Steuereinnahmen durch Vermeidungspraktiken entgingen. Bezüglich der EU-Vorschläge, insbesondere der gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage (CCCTB), verwies Farny auf eine Studie der Steuerberatungskanzlei PricewaterhouseCoopers (PwC), in der anhand einer virtuellen Musterfirma die Effektivsteuersätze für dasselbe Unternehmen in mehreren europäischen Staaten verglichen wurden. Trotz eines Nominalkörperschaftsteuersatzes von 25% in Österreich kämen Firmen aufgrund der diversen Sonderregelungen (Abschreibungen etc.) in der Alpenrepublik „billiger“ davon als z.B. in der Slowakei oder Tschechien, wo die theoretischen Sätze deutlich niedriger seien. Durch eine einheitliche Bemessungsgrundlage (CCCTB) würden diese plötzlich tatsächlich vergleichbar, was ein race to the bottom im Rahmen des EU-Steuerwettbewerbs weiter begünstigen könnte, wenn nicht gleichzeitig Mindeststeuersätze festgelegt würden.

Evelyn REGNER, Mitglied des Europäischen Parlaments und des Steuersonderausschusses, betonte die Bedeutung des durch Luxleaks erzeugten öffentlichen Drucks, der erst Bewegung in das Thema Steuervermeidung gebracht habe. Im TAXE-Ausschuss, der aufgrund derartiger Veröffentlichungen eingerichtet wurde, habe man das Problem, dass man nur schwer an VertreterInnen der großen Unternehmen „herankomme“ – ein Untersuchungsausschuss könnte hier sicherlich effektiver vorgehen. Transparenz, wie von der Kommission vorgeschlagen, sei ein erster Schritt, um „Deals“ endlich sichtbar zu machen.

OECD-Selbstkritik bei Doppelbesteuerungsabkommen – Paradigmenwechsel gefordert

Marlies STUBITS, Botschafterin der Ständigen Vertretung Österreichs bei der OECD, hielt eine Präsentation über die Tätigkeiten ihrer Organisation im Steuerbereich. Ihre These war, dass sich in Österreich in puncto Bankgeheimnis in den letzten Jahren so viel bewegt habe, weil u.a. durch die OECD und die G20 viel politischer Druck ausgeübt wurde. Naming and shaming habe sich auch in anderen Fällen als sehr wirkungsvoll erwiesen.

Die OECD sei derzeit durchaus selbstkritisch und überdenke alte Paradigmen: Immerhin habe das frühere Engagement für Doppelbesteuerungsabkommen und transfer pricing -Richtlinien die derzeitigen Probleme erst ermöglicht und zu „doppelter Nicht-Besteuerung“ geführt. Diese Praktiken, deren Auswirkungen mit BEPS (base erosion and profit shifting = Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung) zusammengefasst werden, führten nicht nur zu staatlichen Einnahmenverlusten, sondern würden auch rein national tätige Unternehmen (die sehr wohl Körperschaftsteuern bezahlen müssten) benachteiligen und allgemein die Steuermoral beschädigen.

Heinz ZOUREK, Generaldirektor für Steuern und Zollunion in der Europäischen Kommission, sprach von den derzeit erlebten „Auswüchsen“ des Steuerwettbewerbs, da es im Fiskalbereich keinen echten Binnenmarkt gebe. Ein Paradigmenwechsel sei aufgrund der Weigerung der Mitgliedstaaten, im Steuerbereich europäische Lösungen zu beschließen, unvermeidbar. Er bestätigte, dass die verringerten Einnahmen aus Unternehmenssteuern (durch niedrige Steuersätze und Vermeidungspraktiken) durch andere Steuern – auf Arbeit und im Konsumbereich – ausgeglichen worden seien. Die Kommission strebe Gegenmaßnahmen an, die im Gemeinschaftsrecht verankert werden sollen, die größte Herausforderung sei aber der Rat, da bei Steuerthemen das Einstimmigkeitsprizip herrsche. Mindeststeuersätze hielt der EU-Beamte für ein eher unwahrscheinliches Unterfangen.

Die Moderation übernahm Silvia ANGELO von der AK Wien.

Weitere Informationen:

Fotos der Veranstaltung

AK-Studie „Steuerflucht und Steueroasen“

EU-Kommission stellt weitere Maßnahmen im Kampf gegen Steuervermeidung vor (19. 06. 2015)

„Stand der Dinge im Kampf gegen Steuervermeidung“ im blog.arbeit-wirtschaft.at von AK und ÖGB

EU-Kommission zieht erste Konsequenzen aus Luxleaks – legale Steuervermeidung soll bekämpft werden (19.3.2015)