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Das Investor-Staaten Schiedsverfahren (ISDS) soll Unternehmen Anreize für Auslandsinvestitionen bieten. Doch bedeutet ISDS auch, dass Konzerne Staaten verklagen können, wenn neue Gesetze ihre Profite schmälern könnten. Dieses, demokratiepolitisch mehr als fragliche, Mittel hat deshalb zu breiten Protesten von Seiten der Gewerkschaften, politischen Parteien und der Zivilgesellschaft geführt. Um das Thema ausgiebig zu beleuchten, veranstaltete AK EUROPA gemeinsam mit der NGO Friends of the Earth und dem Europäischen Verband für KonsumentInnenschutz BEUC am Dienstag, dem 9. Dezember 2014 eine ganztägige Konferenz in Brüssel.
Zum Auftakt der ganztägigen Konferenz wurde zunächst über die Chancen und Gefahren eines transatlantischen Handelsabkommens gesprochen. Rupert Schlegelmilch, Direktor der EU-Generaldirektion für Außenhandel, sprach zwar von der Bedeutung eines solchen Abkommens für beide Regionen, gestand aber auch Schwächen bei der Transparenz ein. Dagegen benannte die Direktorin von Friends of the Earth, Magda Stoczkiewicz auch die negative Auswirkungen von bilateralen Handelsabkommen. Monique Goyens, Direktorin von BEUC, betonte, dass Handelsabkommen grundsätzlich positive Effekte auf den KonsumentInnenschutz und die Situation von VerbraucherInnen haben können. Allerdings sieht sie in TTIP, wie es aktuell diskutiert wird, viel eher eine Verringerung von Standards. Valentin Wedl, Leiter der Abteilung EU und Internationales der AK Wien, stellte TTIP als Mittel zur Krisenbewältigung in Frage. Anders als häufig behauptet sei ein solches Abkommen kein Mittel zur Lösung der aktuellen Krise in Europa, da diese in erster Linie auf fehlender Binnennachfrageberuhe. Ein Abkommen wie TTIP, das Investitionserleichterungen vorsieht, würde deshalb keinen bedeutenden Effekt haben, um Europa wieder auf die Beine zu helfen. Darüber hinaus betonte Wedl auch die Gefahr, dass durch ein solches Abkommen Arbeitsstandards und Gewerkschaftsrechte unter Druck geraten könnten.

Der zweite Teil der Konferenz beschäftigte sich im speziellen mit ISDS und seinen wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen. Der Direktor der Abteilung für Investitionen und Unternehmen der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), James Zhan, wies auf Herausforderungen im Zusammenhang mit dem existerienden ISDS-Mechanismus hin und merkte an, dass es ein günstiger Zeitpunkt sei, um das derzeitige System zu evaluieren, Reformoptionen abzuwägen und anschliessend zu entscheiden, welche sich am besten eignet. Celeste Drake, Expertin des amerikanischen Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO, sah neben demokratiepolitischen Problemen in ISDS auch ein Instrument, um Gewinne zu privatisieren und Verluste zu verallgemeinern. Jan Kleinheisterkamp, Professor an der London School of Economics, bezeichnete ISDS als veraltet. Er stellte die Frage, ob es nicht sinnvoller sei, nach neuen Möglichkeiten zu suchen statt wie es die EU-Kommission versucht ein obsoletes System zu flicken.

Der dritte Teil der Konferenz wies auf die Möglichkeiten hin, auch abseits von ISDS InvestorInnen einen angemessen Schutz bei internationalen Aktivitäten zu gewährleisten. Zunächst stellte der südafrikanische Botschafter Xavier Carim die außenhandelspolitische Situation seines Landes dar. 2007 wurden alle bilateralen Investitionsabkommen kritisch hinsichtlich ihres Nutzens durchleuchtet. Dabei konnte kein Zusammenhang zwischen ISDS und einer Zunahme an internationalen Investitionen festgestellt werden. Aus diesem Grund sollen die bestehenden Verträge aufgelöst werden. Sanya Reid-Smith vom Third World Network zeigte die vielen Beschwerden zu existierenden Schiedsverfahren auf. So wurde etwa der Staat Kalifornien durch ein solches Verfahren daran gehindert, umweltbelastende Zusätze in Kraftstoffen zu verbieten. Gus van Harten, Rechtsprofessor an der Osgoode Hall Law School in Kanada wies darauf hin, dass die Schiedsgerichte, anders als staatliche Gerichte, nicht kontrolliert werden können und ihre Unabhängigkeit nicht gewährleistet werden kann. Elisabeth Beer, Handelsexpertin der AK Wien, stellte zunächst den ökonomischen Nutzen von ISDS in Frage und wies im Gegenzug darauf hin, welche Gefahren ein solches Schiedsverfahren für einen fairen Wettbewerb innerhalb der EU bringen könnte. Auch demokratiepolitisch sei ein solches Abkommen nicht tragbar. Leopoldo Rubinacci von der Europäischen Kommission betonte zwar, dass ISDS Teil des Verhandlungsmandates sei, es allerdings durch die zunehmende Kritik einen Neustart bei den TTIP Verhandlungen geben wird. Ob und in welcher Form ISDS in den Verträgen weitergeführt wird, ließ er dabei offen.

Auf dem abschließenden Panel sprach zunächst der amerikanische Botschafter bei der EU, Anthony Gardner-Luzzatto, von den Vorteilen eines Investoren-Staaten--Schiedsverfahrens. In der Vergangenheit hatte er selbst als privater Richter bei solchen internationalen Handelsstreitigkeiten gearbeitet. Die öffentliche Konsultation zu diesem Thema und ihre mehr als 150.000 Beiträge bezeichnete Gardner-Luzzatto als irrelevant, da sie durch die Unterstützung von gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen vor allem automatisiert zustande gekommen seien. Auch AK und ÖGB hatten gemeinsam mit Friends of the Earth Europe über ein Onlinetool zur Aufklärung und erleichterten Teilnahme beigetragen. Monique Goyens von BEUC kritisierte deshalb die Aussagen des amerikanischen Botschafters scharf. Sie betonte, dass die Aufbereitung komplexer Sachverhalte ein Grundstein demokratischer Partizipation sei und deshalb nicht kleingeredet werden sollte. Bernd Lange, Vorsitzender des Außenhandelsausschusses im Europäischen Parlament, und Kai Jan Krainer, SPÖ Abgeordneter im österreichischen Parlament, sprachen sich dafür aus, zunächst auf nationale Gerichte zurückzugreifen. ISDS sei in dieser Form nicht nötig, so Krainer. Robert Weissman, Präsident der amerikanischen NGO Public Citizen, betonte, dass ISDS dafür genutzt werden könne, die demokratische Willensbildung auszuhöhlen und die Interessen des Big-Business zu institutionalisieren.

Auf der ganztägigen Konferenz wurde deutlich, welche unterschiedlichen Kritikpunkte und Problematiken ein Investoren-Staaten-Schiedsverfahren mit sich bringen würde. Goyens meinte dazu: „Wenn es so mannigfaltige Probleme mit ISDS gibt, warum verwerfen wir es nicht einfach und setzen unsere Energie in etwas Neues: Einen modernen und demokratischen InvestorInnenschutz des 21. Jahrhunderts.“ Eine Einschätzung die volle Unterstützung von AK und ÖGB findet.