Nachrichten

Zurück
Die Europäische Kommission hat im September einen Verordnungsentwurf über die Einstufung schwerwiegender Verstöße gegen Unionsvorschriften im Straßenverkehr vorgelegt. Durch die Bestimmungen sind zahlreiche arbeitsrechtliche Standards gefährdet, zudem könnte dies durch die Hintertür den grenzüberschreitenden Verkehr von Gigalinern bringen. Dieser Entwurf wurde diese Woche im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlamentes diskutiert.

Der Verordnungsentwurf über die Einstufung schwerwiegender Verstöße gegen Unionsvorschriften im Straßenverkehr beinhaltet eine Liste, wie zukünftig verschiedene Verstöße im Bereich des Personen- und Gütertransportmarktes einzuordnen sind. Die Schwere der Verstöße bestimmt die Konsequenzen für unseriöse TransportunternehmerInnen, die bis zum Konzessionsentzug gehen können.

Schwere Vergehen bleiben für Unternehmen ohne schwere Konsequenzen

Höchst problematisch ist dabei, dass bestimmte Delikte hinsichtlich ihrer Schwere viel zu milde beurteilt werden, um die Konsequenzen für Unternehmen möglichst gering zu halten. Dies wurde von der AK bereits beim Erstentwurf 2012 kritisiert. Umso bedenklicher nun der neue Entwurf, der noch unternehmensfreundlicher gestaltet wurde. So wurden beispielsweise bei den Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten rund zwanzig Deliktstatbestände gänzlich weggelassen, für deren Einhaltung die Unternehmen verantwortlich gewesen wären. Weiters führte eine Umstrukturierung der Kategorien dazu, dass es kaum mehr Delikte gibt, die in die schwerste Kategorie fallen (statt rund 40 nur noch 10). Eine Auswirkung davon wäre, dass eine Unterschreitung der wöchentlichen Ruhezeit um mehr als 9 Stunden nun nur noch ein mittelschweres Vergehen darstellt. Selbiges bei den Arbeitszeiten, hier fällt kein einziger Verstoß in die schwerste Kategorie. Auch bei allen anderen Verstößen (u.a. Geschwindigkeit, Aus- und Weiterbildung) zieht sich dieses Muster durch.

Gigaliner durch die Hintertür?

Fragwürdig ist auch die Regelung hinsichtlich der Verstöße jener Richtlinie, welche die höchstzulässigen Abmessungen und Gewichte für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr regelt und die gerade novelliert werden soll (Stichwort „Gigaliner“). Die Bewertung der Überschreitungen steht nämlich gänzlich im Widerspruch zu jenen Änderungen, die Rat und EP anlässlich der gerade stattfindenden Novellierung gefordert haben.
So soll beispielsweise ein Gewichtsverstoß erst dann als schweres Vergehen eingestuft werden, wenn das höchstzulässige Gesamtgewicht (40 t) um 20% (8 t) überschritten wird. Es stellt sich die Frage, ob die Kommission den FrächterInnen deswegen mehr Toleranz einräumt, um Gigaliner (besonders lange und schwere LKWs) im grenzüberschreitenden Verkehr über die Hintertür zuzulassen.

Verkehrsausschuss hinterfragt Entwurf

Diese Woche wurde im Verkehrsausschuss der Verordnungsentwurf über die Einstufung schwerwiegender Verstöße gegen Unionsvorschriften im Straßenverkehr mit VertreterInnen der Kommission diskutiert. Die Kritikpunkte der AK fanden sich in den Fragen zahlreicher Abgeordneter wieder. Lucy Anderson (S&D) wollte bezüglich der Klassifizierung der Verstöße hinsichtlich Länge und Gewicht wissen, wann die Kommission gedenke, EU-Gesetze über Gewichte und Maße ernst zu nehmen – diese blieb eine Antwort schuldig. Das Fehlen der sozialen Dimension wurde u.a. von Karima Delli (Grüne) und George Bach (EPP) moniert. Die Antwort der Kommission stimmt bedenklich; Sozialgesetzgebung (mit Ausnahme von Fahrzeiten, Arbeitszeit, Ruhepausen, Nachtzeiten) gehöre nicht zum Verkehrsrecht. Jörg Leichtfried verwies auf die starke Reduzierung der Verstöße gegen Sozialbestimmungen und brachte pointiert zum Ausdruck, dass am Ende nicht die verantwortlichen UnternehmerInnen, sondern die FahrerInnen, die erwischt werden, die Dummen sind. Auf die Frage von Ismail Ertug (S&D) nach dem Verbleib der Verstöße gegen die Kabotagevorschriften wurde unzutreffenderweise von der Kommissionssprecherin die Meinung vertreten, dass die Kabotagebestimmungen nicht zu ihrem Mandat gehören. Auch auf die Feststellung, dass die Formulierungen zu schwammig seien, u.a. von Gesine Meissner (ALDE), war die Antwort lapidar. Es sei einfach nicht möglich, jeden kleinen Umstand zu benennen, vielmehr solle den Mitgliedsstaaten ein angemessener Ermessenspielraum zustehen. Da stellt sich die Frage, wozu es dann überhaupt eine harmonisierte Verstoßliste geben soll.

Bis 18.11. haben die Mitglieder des Verkehrsausschusses noch Zeit Einspruch gegen die Annahme dieser Maßnahme einzulegen – aus Sicht der AK ist eine Ablehnung des Verordnungsvorschlages unbedingt notwendig.

Weitere Infos:

AK Positionspapier Gigaliner