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Diese Woche wurde in Brüssel eine von ÖGB und AK in Auftrag gegebene Studie vorgestellt. Thema der Untersuchung waren die Aktivitäten der Finanzindustrie in Brüssel. Insgesamt 700 Organisationen versuchen mit 1700 LobbyistInnen die EU-Gesetzgebung im Sinne der Banken zu beeinflussen. Oft agieren sie dabei im Dunkeln. 450 Organisationen sind nicht im offiziellen Transparenzregister eingetragen. Im Vergleich dazu werden NGOs, Gewerkschaften und KonsumentInnen nur durch rund 150 Organisationen repräsentiert. Deutlich wird die Übermacht der Finanzindustrie auch angesichts der enormen Budgets der Lobbyorganisationen. 120 Millionen Euro werden jährlich allein für die Einflussnahme von PolitikerInnen und BeamtInnen eingesetzt. Gewerkschaften und VertreterInnen der Zivilgesellschaft müssen hingegen mit 4 Million im Jahr Haushalten.
„Finanzlobbys raus aus EU-Expertengruppen“

Bei der Podiumsdiskussion von AK und ÖGB in Brüssel herrschte enormer Andrang – ein Zeichen dafür, dass die Übermacht der Finanzlobbys in der EU ein drängendes Problem darstellt. Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-Europabüros erklärte den Grund für die neue Studie: „Offenbar wurde aus der Krise nichts gelernt, die Zocker sind leider wieder zurück. Selbst verbriefte Schrottanleihen, die ein wesentlicher Auslöser der Finanzkrise waren, werden inzwischen wieder fleißig gehandelt.“ Gleichzeitig macht die EU-Kommission bei der Finanzmarktregulierung den Bock zum Gärtner: „In den Beratergruppen der EU-Kommission sitzen rund 70% FinanzlobbyistInnen, während Gewerkschaften praktisch nicht vorkommen. Diese LobbyistInnen gehören endlich raus aus den EU-Gremien“, forderte Röpke.

Finanzlobbys als direkte Berater der EU-Kommission

Olivier Hoedeman, dessen Organisation Corporate European Observatory die Studie erstellt hat, bestätigte den bestimmenden Einfluss, den die Bankenlobby auf die sogenannten Expertengruppen hat. In den Expertengruppen sitzen die offiziellen Berater der Europäischen Kommission. Besonders in den oft komplizierten Finanzmarktfragen verlassen sich die KommissionsbeamtInnen auf ihre Expertise. Sie üben damit enormen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung aus. In 15 von 17 Expertengruppen sind die VertreterInnen der Finanzindustrie stärker vertreten als jene von NGOs, KonsumentenschützerInnen und Gewerkschaften zusammen. Die Ausnahme bilden 2 Gruppen, die sich explizit mit Konsumentenschutz befassen. Insgesamt haben 70% aller BeraterInnen in Expertengruppen sehr enge Verbindungen zur Finanzindustrie. Nur 0,5% der ExpertInnen vertreten den Standpunkt der Gewerkschaften. Die European Commissions Expert Group on Market Infrastructure besteht sogar zu 90% aus VertreterInnen der Finanzindustrie, die Derivates Expert Group zu 86%.

Starker Druck auf ParlamentarierInnen

Zu den Rednern zählte auch der EU-Parlamentarier Sven Giegold (Grüne). Er erzählte von den penetranten Bemühungen der FinanzlobbyistInnen, ihn und andere Angehörige des Parlaments von bankenfreundlichen Positionen zu überzeugen. Insgesamt 143 verschiedene Finanzindustrie-nahe Organisationen hatten sich in den letzten zwei Jahren um Kontaktaufnahme bemüht. Emilie Turunen, ebenfalls Abgeordnete (S&D), berichtete von ihren Erfahrungen als Schattenberichterstatterin im Wirtschafts- und Finanzausschuss. Nach ihrer Bestellung wurde sie innerhalb von einer Woche von 25 verschiedenen FinanzlobbyistInnen mit Einladungen bombardiert. Oft gelingt es den LobbyistInnenen ParlamentarierInnen auf ihre Seite zu ziehen. Zu einer Richtlinie, die die Regulierung von Hedgefonds zum Ziel hat, gab es im Europäischen Parlament 1700 Änderungsanträge. 900 davon stammten direkt aus der Feder der Finanz-Lobbys. Für Sven Giegold stellt das Kräfteungleichgewicht bei der Interessenvertretung das Kernproblem dar.

Greg Ford von „Finance Watch“, einer Initiative, die 2010 überparteilich von mehreren Abgeordneten zum EU-Parlament gegründet wurde, um unabhängige Expertise zu den Finanzmärkten zu erstellen, verdeutlichte nochmals, dass die EUR 123 Millionen pro Jahr, die von der Finanzlobby in Brüssel ausgegeben werden, aus Sicht von Banken und Co. gut investiertes Geld seien. Schließlich sei es ihnen gelungen, sich damit Milliarden an öffentlichen Geldern für die Rettung des Finanzsektors zu sichern. Die Rendite stimme also.

Gleichzeitig greifen auch die Medien immer stärker das finanzielle Ungleichgewicht von Finanzlobbyisten auf der einen Seite und Gewerkschaften und NGO´s auf der anderen Seite auf. "Lobbying braucht Transparenz und Kontrolle" fordert auch AK-Direktor Werner Muhm. Die Finanzindustrie gebe im Jahr 123 Mio. Euro für Lobbying aus - NGOs, Gewerkschaften und KonsumentInnenvertreter nur ein Dreißigstel davon (4 Mio. Euro). Das erkläre wohl auch, warum die Bankenregulierung seit Ausbruch der Wirtschaftskrise zwar gekommen sei, aber nur "schwach und löchrig", so Muhm.

Weiterführende Informationen:


Studie (EN)