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Am 30. Jänner 2014 fand in Brüssel ein Seminar zu Fragen globaler Steuergerechtigkeit statt. Organisiert wurde dieses mitunter von der sozialistischen belgischen Gewerkschaft „ABVV-FGTB“ und der wallonischen entwicklungspolitischen NGO „CNCD 11.11.11.“. Ein wichtiger Diskussionspunkt war der so genannte Aktionsplan der OECD gegen „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS). Dieser Aktionsplan ist zwar als durchaus positiv zu betrachten, weil endlich auch über Steuergerechtigkeitsfragen auf globaler Ebene diskutiert wird. Dennoch offenbart die konkrete Umsetzung bestimmte Widersprüchlichkeiten aus Gewerkschaftssicht.
„Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS)

Im Juni 2013 hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ein Konzept namens „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) im Rahmen des G-20 Treffens in Moskau vorgestellt. Im Wesentlichen wird mit BEPS jenes Phänomen beschrieben, wonach staatliche Steuereinnahmen durch veraltete nationale wie internationale Steuersysteme systematisch zurückgehen. Vermögende Einzelpersonen wie auch multinationale Konzerne nützen diese regulatorischen Schlupflöcher, um mit formal legalen Mitteln ihre jeweilige Steuerlast zu minimieren. Besonders Unternehmen bedienen sich komplexer Firmenkonstruktionen, damit die erwirtschafteten Profite stets dort versteuert werden, wo der Steuersatz am niedrigsten ist. Als Resultat ist in den letzten Jahrzehnten ein rasanter globaler Steuerwettbewerb zwischen den einzelnen Staaten entstanden. Zugleich muss die breite Schicht der Bevölkerung eine immer höhere Steuerlast tragen.

Der Aktionsplan der OECD

Auf Basis der BEPS-Studie hat die OECD einen Aktionsplan gegen BEPS erarbeitet. In Europa gehen dem Fiskus jährlich durch Steuervermeidung rund 150 Milliarden Euro verloren, welche im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit und für eine nachhaltige öffentliche Daseinsvorsorge dringend benötigt werden. Auch Entwicklungsländer sind von diesen dramatischen Entwicklungen stark betroffen. Konkrete Zahlen sind aufgrund der undurchsichtigen Firmenkonstruktionen transnationaler Konzerne schwer errechenbar, jedoch schätzen ExpertInnen den Schaden höher ein, als die jährlich durch Steuerbetrug abfließenden Gelder von in etwa 1000 Milliarden Euro.

Der Aktionsplan umfasst fünfzehn konkrete Maßnahmen gegen BEPS. Unter anderem soll ein automatischer Informationsaustausch zwischen staatlichen Steuerbehörden eingerichtet werden, auf welchen sich auch die G-20 Staaten im September 2013 schon formal geeinigt haben.

Beim Seminar vom 30.1.2014 wurde vor allem vonseiten zahlreicher NGOs und Gewerkschaften gefordert, ein öffentliches globales Unternehmensregister einzurichten, wo die Profite der jeweiligen Standorte von multinationalen Konzernen ebenso aufgelistet sind, wie deren EigentümerInnen und die konkreten MitarbeiterInnenzahlen.

OECD vs. Gewerkschaften und NGOs

Während der Veranstaltung vom 30.1.2014 wurden die Bruchlinien zwischen dem Vorgehen der OECD und Forderungen der Gewerkschaften und NGOs offenkundig. Renata Fontana, OECD Zentrum für Steuerpolitik und Verwaltung, stellte den Prozess der Ausarbeitung der konkreten Ziele des Aktionsplans vor. Konkret versucht die OECD, VertreterInnen der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, wie auch der Zivilgesellschaft besser einzubinden. Einbindung bedeutet in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, im Rahmen eines Konsultationsprozess inhaltliche Vorschläge einzubringen.

Die Umsetzung dieses Vorhabens wurde besonders von Pierre Habbard kritisiert, seines Zeichens Mitglied des gewerkschaftlichen Beratungskomitees der OECD (TUAC). Das TUAC ist die Vertretung der Gewerkschaftsbewegung bei der OECD in Paris. Pierre Habbard bemängelte die starke Dominanz von Interessensverbänden der Unternehmen im Konsultationsprozess. Bisher wären rund 95 % aller inhaltlichen Vorschläge von Lobbying-Gruppen der Konzerne eingebracht worden und lediglich 5 % durch Gewerkschaften und NGOs. Dies läge vor allem an den großen finanziellen Mitteln multinationaler Konzerne für Lobbying-Aktivitäten.

VertreterInnen entwicklungspolitischer NGOs wiederum sind über die Tatsache beunruhigt, dass Entwicklungsländer bei der Ausarbeitung der konkreten Umsetzungsvorschläge des Aktionsplans kein Stimmrecht bekommen. Selbst Renata Fontana hat bestätigt, dass Entwicklungsländer lediglich eine Stimme im Konsultationsprozess, aber kein formales Recht auf Mitbestimmung haben.

Ausblick

Die Umsetzung des Aktionsplans wird 2014 im Rahmen mehrerer Diskussionsforen auch noch mit den Entwicklungsländern diskutiert werden. Allgemein soll bis Dezember 2015 eine umfassende Ausformulierung konkreter Vorschläge zur Implementierung des Aktionsplans fertig gestellt werden. Es bleibt zu hoffen, dass trotz der starken Dominanz des Lobbyings von UnternehmensvertreterInnen den Anliegen der Gewerkschaften ausreichend Rechnung getragen wird.

Weiterführende Informationen:

BEPS-Seite der OECD (EN)

Gewerkschaftliches Beratungskomitee der OECD (TUAC) (EN)