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Seitdem am 1. Jänner 2014 auch BulgarInnn und RumänInnen vollen Zugang zum EU-Arbeitsmarkt bekommen haben sind die Begriffe Sozialtourismus bzw Armutszuwanderung in aller Munde. Mit dem Grundrecht auf Freizügigkeit gewährt die EU ihren BürgerInnen die Möglichkeit, an einem beliebigen Ort in der Europäischen Union zu leben, zu arbeiten oder zu studieren. Dass mit dem Recht auf Freizügigkeit nun BulgarInnen und RumänInnen pauschal der Verdacht unterstellt wird, sich Sozialleistungen in anderen Ländern erschleichen zu wollen, wie dies von einigen PolitikerInnen ins Spiel gebracht wurde, löste EU-weit eine hitzige Debatte aus. Beweise dafür gibt es bis dato keine. Großbritannien kündigte diese zwar vollmundig an, konnte jedoch nicht liefern.
Freizügigkeit der EU-BürgerInnen ist Bestandteil des Binnenmarktes

Mehr als 14 Millionen EU-BürgerInnen nehmen das Recht auf Freizügigkeit in Anspruch. Mit dem Recht auf Freizügigkeit ist verankert, dass Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten ist. Dies betrifft insbesondere den Zugang zu Beschäftigung, die Arbeitsbedingungen, soziale und steuerliche Vergünstigungen, den Zugang zu Aus- und Weiterbildung, die Zugehörigkeit zu Gewerkschaften sowie den Zugang zu Wohnraum und zur Bildung für die Kinder solcher ArbeitnehmerInnen. Es gilt als erwiesen, dass die Hauptmotivation der sogenannten EU-WanderarbeitnehmerInnen in der Suche nach Arbeit liegt, gefolgt von familiären Beweggründen. Gerade der Anspruch auf soziale Vergünstigungen ist es, der einigen Mitgliedstaaten ein Dorn im Auge ist. Fakt ist aber auch, dass nach EU-Recht Schutzvorkehrungen hinsichtlich der Inanspruchnahme von z.B. Sozialhilfe durch nicht erwerbstätige EU BürgerInnen gelten. Hierdurch soll eine unverhältnismäßige finanzielle Belastung der Aufnahmemitgliedstaaten verhindert werden. Die Regeln bezüglich nicht erwerbstätiger EU-BürgerInnen, über die meist im Zusammenhang mit Sozialtourismus und Armutszuwanderung gesprochen wird, legen fest, dass in den ersten drei Monaten das EU-Aufnahmeland nach EU-Recht nicht verpflichtet ist, nicht erwerbstätigen EU-BürgerInnen Sozialhilfe zu gewähren. Nach drei Monaten bis zu einem Zeitraum von fünf Jahren gilt, dass nicht erwerbstätige EU-BürgerInnen in der Praxis kaum einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben, da sie, bevor ihnen das Recht auf Aufenthalt zuerkannt wurde, gegenüber den nationalen Behörden nachweisen müssen, dass sie über genügend finanzielle Eigenmittel verfügen. Wichtig ist daher, dass man gerade bei dieser Debatte die Fakten sprechen lässt und die rechtliche Lage klärt. Verfolgt man die auch durch die Medien angeheizte Debatte, bekommt man jedoch manchmal der Eindruck, dass manche PolitikerInnen nicht der Versuchung widerstehen können, diese Debatte dazu zu nutzen, um mit ihr politisches Kleingeld zu wechseln oder von hausgemachten nationalen Problemen abzulenken. Die EU-Kommission versucht daher, mit Sachargumenten die Debatte zu entschärfen.

EU-Kommission stellt Leitfaden für die Arbeit im EU-Ausland vor um Klarheit zu schaffen


Um unter anderem die Rechte der EU-BürgerInnen auf Freizügigkeit und Sozialleistungen zu klären, stellte die EU-Kommission vor kurzem einen Leitfaden vor. Dieser soll den Mitgliedstaaten bei der Anwendung der EU-Vorschriften über die Koordinierung der sozialen Sicherheitssysteme helfen, wenn UnionsbürgerInnen in für einen längeren Zeitraum in einem anderen Mitgliedstaat leben und arbeiten. Aus dem Leitfaden der Kommission geht hervor, dass Beschäftigte und selbstständig Erwerbstätige in jenem Land Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit haben, in dem sie arbeiten. Nicht erwerbstätige Personen (z. B. PensionistInnen, Studierende) sind hingegen in dem Mitgliedstaat ihres gewöhnlichen Aufenthalts anspruchsberechtigt. Trotz Leitfaden ist klar, dass jede Art von Missbrauch, ob Sozialmissbrauch oder auch Steuerbetrug, um nur einige Beispiele zu nennen, bekämpft werden muss. Bei der Kontrolle von Missbrauch sind jedoch in erster Linie die Mitgliedstaaten in der Pflicht, und auch der beste Leitfaden aus Brüssel reicht hier nicht aus. Politisch brisante Themen wie die schon seit Längerem immer hysterischer geführte Debatte über vermeintlichen Sozialmissbrauch und Sozialtourismus müssen in einem solidarischen Europa sachlich und auf der Grundlage von Fakten geführt werden. Alle bisher publizierten Daten scheinen eindeutig zu belegen, dass ArbeitnehmerInnen aus anderen europäischen Mitgliedstaaten „NettozahlerInnen“ sind. Was konkret bedeutet, dass ArbeitnehmerInnen, die in einem anderen europäischen Land als ihrem Herkunftsland leben und arbeiten, durch die von ihnen gezahlten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge letztlich mehr in die Budgets der Aufnahmeländer einzahlen als sie zurückbekommen.

EU-Parlament spricht sich in Entschließung klar für die Personenfreizügigkeit aus


Das EU-Parlament nahm die Diskussion rund um die ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit zum Anlass eine Entschließung zu verabschieden, in der sie ausdrücklich die Position einiger führender PolitikerInnen in der EU ablehnte, die die Freizügigkeit der EU-Bürger einschränken wollen. Das Parlament stellt weiters fest, dass im Vorfeld der Europawahl die Freizügigkeit der EU-BürgerInnen zu einem Wahlkampfthema für einige politische Parteien geworden ist, und dass die Gefahr besteht, dass diese Debatte zu einem Anstieg von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit führen könnte. Abschließend wies das EU-Parlament noch einmal darauf hin, dass zugewanderte ArbeitnehmerInnen insgesamt einen messbaren positiven Beitrag zu Wirtschaft und Haushalt ihres jeweiligen Aufnahmelandes leisten.

Weiterführende Informationen:

Leitfaden zur Feststellung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts für die Zwecke der sozialen Sicherheit