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Höchst erfreut zeigte sich die EU-Kommission bei einer Diskussion mit der Zivilgesellschaft zum EU-Kanada Freihandelsabkommen diese Woche: Es sei ein Durchbruch bei den Freihandels-Verhandlungen mit den kanadischen BeamtInnen gelungen. Wie üblich hatten die VertreterInnen der Kommission bereits Zahlen bereit, welche zusätzlichen Wachstumsschübe das Abkommen für die Wirtschaft der EU bringen könnte. VertreterInnen der Zivilgesellschaft, insbesondere aus dem ArbeitnehmerInnen- und VerbraucherInnenbereich reagierten jedoch zurückhaltend bis verärgert auf die Aussagen der Kommission. Verbesserungen für Beschäftigte sind aufgrund des Abkommens nicht zu erwarten – ganz im Gegenteil, die Vereinbarung könnte die Beschäftigungsbedingungen in manchen Branchen sogar verschlechtern.
12 Milliarden Euro mehr fürs EU-Bruttoinlandsprodukt, 500 Millionen weniger an Zöllen für die Industrie, 125 geschützte geografische Angaben (wie beispielsweise „Parmaschinken“) und zumindest gleichrangigen Zugang zum Dienstleistungsmarkt wie beim amerikanischen NAFTA-Abkommen. Das sind einige der frohen Botschaften, die die EU-Kommission zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA-Abkommen) verkündete. Ob diese Versprechen jedoch tatsächlich gehalten werden können, steht auf einem anderen Blatt. Vor einigen Jahren stellte die Kommission ähnliche Prognosen für die Handelsbeziehungen mit Südkorea an. Nach Inkrafttreten des Abkommens mit Südkorea stellte sich heraus, dass die Annahmen zur Wirtschaftsentwicklung mit Südkorea bei weitem nicht erreicht wurden.

Einen Text, der die Details zum Entwurf des Freihandelsabkommens darstellt, hat die Kommission jedoch bislang noch nicht veröffentlicht. Dennoch gibt es bereits einige Informationen darüber, welche Schattenseiten das Abkommen birgt:

•So ist ein so genannter Investor-Staat Streitschlichtungsmechanismus vorgesehen. Wie der kanadische Gewerkschaftsvertreter Larry Brown bei einer Gewerkschaftsveranstaltung anmerkte, sei dieser Mechanismus absurd: Jedes beliebige Unternehmen aus Kanada beziehungsweise der Europäischen Union kann demnach Klage erheben, wenn es das Gefühl hat, dass ihm aufgrund einer staatlichen Regel Gewinn entgangen ist. Das Unternehmen muss dabei in dem Land vorher gar nicht geschäftlich tätig sein beziehungsweise werden. Die vom Unternehmen und Staat genannten SchlichterInnen müssen dann entscheiden, ob und wie viel Kompensation der Staat zahlen muss. Ein praktisches Beispiel: Mexiko weigerte sich toxischen Abfall aus den USA in ihrem Land zu deponieren. Das jedoch war ein Verstoß gegen das Handelsabkommen mit den USA und im Zuge des Mechanismus erhielt das klagende Abfallentsorgungsunternehmen eine Kompensationszahlung von 70 Mio. US-Dollar. Derartige Fälle wären dann in Zukunft auch zwischen den EU und den USA möglich. Statt unparteiischen Gerichten entscheiden dann InteressenvertreterInnen, zahlen muss der Staat beziehungsweise die Gesellschaft.

•Von der Kommission bestätigt wurde, dass ein Negativlistenansatz im EU-Kanada Abkommen vorgesehen ist. Das heißt, alle jene Dienstleistungsbereiche die in der Liste nicht aufgezählt sind, müssen liberalisiert werden („list it or lose it“). Das ist insbesondere deswegen abzulehnen, weil es erstens passieren kann, dass unter den zahlreichen bestehenden Dienstleistungen eine Dienstleistung vergessen wurde aufzuzählen, die man aber nicht liberalisieren möchte oder aber auch, dass sich in Zukunft gänzlich neue Dienstleistungen entwickeln könnten, die man zwar nicht liberalisieren will, schlussendlich aber muss, da sie nicht in der Liste erwähnt sind. Verschärft wird dieser Ansatz durch die so genannte Ratchet-Klausel: Dienstleistungen die zwar als Ausnahme in der Liste erwähnt sind, aber dann doch liberalisiert werden, können später beispielsweise bei mangelnden Erfolg der Liberalisierung nicht wieder zurückgeführt werden, sondern müssen liberalisiert bleiben. Beispiel: Die öffentliche Hand liberalisiert die Müllabfuhr und schreibt diese Dienstleistung aus. Nach wenigen Jahren stellt die öffentliche Hand fest, dass die Müllabfuhr vom privaten Dienstleister unzuverlässig und ineffizient arbeitet. Eine Rückführung an die öffentliche Hand ist entsprechend der Klausel dann aber nicht mehr möglich, die Dienstleistung muss weiterhin ausgeschrieben werden.

•Ein Nachhaltigkeitskapitel, welches Fragen zu den Arbeitsbedingungen oder zu Umweltangelegenheiten enthält, ist zwar im Abkommen enthalten. Verbindliche Regeln beziehungsweise Sanktionen bei Verstößen sind jedoch nicht vorgesehen – es fehlt an Durchsetzungsmaßnahmen.

Tom Jenkins, Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsbundes, machte aus seiner Verärgerung über das Verhandlungsergebnis der Kommission zum Freihandelsabkommen EU-Kanada kein Geheimnis: Jenkins hofft, dass das Abkommen doch noch auf Eis gelegt wird. Er hält es für eine Schande, dass der Kommission der Schutz einzelner Käsesorten oder Hormonrindfleisch wichtiger ist, als ein eigenes verbindliches Beschäftigungskapitel im Abkommen.

Penny Clarke von der Europäischen Dienstleistungsgewerkschaft EPSU zeigte sich enttäuscht über die Negativliste. Dienstleistungen und Interessen könnten sich weiterentwickeln, dann sei eine solche Klausel hinderlich. Positiv sei aber, dass eine Klausel, die öffentliche Versorgungsunternehmen (public utility clause) vom Abkommen ausnehme, aber im Abkommen enthalten sei.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Friends of the Earth oder der Europäische VerbraucherInnenschutzverband verstehen wiederum nicht, warum ein Investor-Staat Mechanismus notwendig ist, da derartige Schlichtungsverfahren bisher nur bei Ländern, die Entwicklungsrückstände insbesondere in rechtsstaatlichen Angelegenheiten aufwiesen, üblich war. Das sei aber weder bei Kanada noch bei der Europäischen Union der Fall.

Trotz des Jubels der EU-Kommission, ist das Freihandelsabkommen mit Kanada noch lange nicht beschlossene Sache: Zuerst muss der Text zum Abkommen in eine offizielle Form gegossen werden, anschließend wird das Abkommen von SprachjuristInnen geprüft.

Die größte Chance aus Sicht der ArbeitnehmerInnenorganisationen und von NGOs noch Änderungen beim Freihandelsabkommen mit Kanada zu erreichen, ist jedoch das EU-Parlament. Wenn die EU-Abgeordneten dem Abkommen nicht zustimmen, wird den KommissionsbeamtInnen nichts anderes übrig bleiben, als neuerlich mit Kanada zu verhandeln.

Aus Kommissionssicht soll das Abkommen in rund 2 Jahren in Kraft treten.