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Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr organisierten Europäische, deutsche und österreichische Gewerkschaften sowie das Brüsseler Büro der Bundesarbeitskammer Österreich eine Fachdiskussion zur Dienstleistungskonzessionsrichtlinie und zur Richtlinie über die öffentliche Beschaffung für EU-Abgeordnete sowie deren MitarbeiterInnen. Bei der Diskussionsveranstaltung ging es um die Arbeitsbedingungen der in den betroffenen Sektoren Beschäftigten, die nun durch die Richtlinienvorschläge drohen gefährdet zu werden.
Penny Clark führte stellvertretend für Thorsten Schulten von der Hans Böckler Stiftung aus, dass es schon im 19. Jahrhundert gesetzliche Regelungen zur Entlohnung gab wie die Fair Wage Resolution in Großbritannien oder die National Acts in den USA. Bei der Internationalen Arbeitsorganisation gebe es mit der Konvention Nr. 94 ebenfalls eine Regelung dazu. Leider hätten diese Konvention bisher nur 10 der 27 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert. Neben den gesetzlichen Regelungen zur Entlohnung spielen insbesondere Kollektivverträge eine wichtige Rolle. Penny Clark appellierte daher an die EU-Abgeordneten die Frage der Entlohnung in den Richtlinienvorschlägen verbindlich zu berücksichtigen und wünscht sich, dass auch die ILO Konvention 94 im Gesetzestext angeführt ist.

Rolf Gehring von der Europäischen Bau-/Holzgewerkschaft warnte, dass für die Beschäftigten die Gefahr groß sei, dass die Tarifstandards ausgehebelt werden. Tariftreue Unternehmen kämen unter die Räder, wenn MitbewerberInnen ihre Beschäftigten ohne Tarife wesentlich schlechter bezahlten. Diese „schmutzige Konkurrenz“ führe zu einer Wettbewerbsverzerrung. Daher sollten bei öffentlichen Aufträgen Tarifstandards mit dem gesamten Tarifgitter verpflichtend und nicht nur freiwillig vorgesehen werden. Gehring fordert außerdem Sanktionen bei Verstößen gegen das Arbeits- und Sozialrecht. Denn immer wieder komme es zu Verstößen von AuftragnehmerInnen und deren Subunternehmen. Die Konsequenz solcher Verstöße müsse den Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren nach sich ziehen.

In der deutschen Wasserwirtschaft spielen laut Andreas Kahlert, Betriebsrat bei den Wasserwerken Westfalen, Konzessionen eine ganz wesentliche Rolle: Über 1.600 Konzessionen gebe es bei der Wasserver- und entsorgung, ein Großteil davon laufe bald aus. Dieser Bereich solle aber weiterhin in der Hand der Kommunen bleiben, alles andere widerspräche darüber hinaus dem Vertrag von Amsterdam. Es sei unabdingbar, bei den beiden Richtlinienvorschlägen die Tarifverträge zu beachten. In diesem Zusammenhang lobte Kahlert die von den österreichischen EU-Abgeordneten Regner und Weidenholzer sowie von der deutschen EU-Abgeordneten Steinruck (alle SozialdemokratInnen) eingebrachten Änderungsvorschläge.

Die Generalsekretärin der Europäischen Dienstleistungsgewerkschaft (EPSU) Carola Fischbach-Pyttel unterstützte die Aussagen der VorrednerInnen. EPSU spreche sich für die Ablehnung der beiden Richtlinienvorschläge aus, denn es sei kein Mehrwert darin zu erkennen.

Die grüne EU-Abgeordnete Heide Rühle alarmierte das Publikum mit der Information, dass die Troika Griechenland empfohlen habe das Wasser zu privatisieren. Proteste dagegen wurden von der Kommission abgetan, denn die Privatisierung würde helfen Schulden und Subventionen abzubauen. Rühle befürchtet durch die Richtlinienvorschläge mehr Rechtsunsicherheit. Eine öffentliche Kooperation würde mit den Rechtsakten schwieriger, es seien Ineffizienzen zu befürchten. Nicht nur in den EU-Mitgliedstaaten gebe es Unruhe wegen den Vorschlägen, auch im Nicht-EU-Land Norwegen sei man beunruhigt, da alle Richtlinien 1:1 in norwegisches Recht umgesetzt werde, wie sie erst vor kurzem erfahren habe.

In der Diskussion mit dem Publikum gab es über weite Strecken Unterstützung für die Position der Arbeitnehmervertretungen. Leider waren jedoch weder VertreterInnen von der Europäischen Volkspartei noch von den Liberalen anwesend. Bereits im Dezember soll über die Änderungsvorschläge zu den Dienstleistungskonzessionen und zur öffentlichen Vergabe in den federführenden Ausschüssen abgestimmt werden. Anfang Februar 2013 soll die 1. Lesung mit der Abstimmung im Plenum abgeschlossen werden.