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Eine kürzlich erschienene Studie der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen legt neue Erkenntnisse über Jugendarbeitslosigkeit in Europa vor. Mit neuen Kriterien wird die Jugendarbeitslosigkeit Europas berechenbar. Die schockierend hohe Zahl junger Menschen ohne Arbeit und die enormen Kosten, die daraus für die Staaten entstehen, sollen die europäischen EntscheidungsträgerInnen wachrütteln. Die Europaabgeordnete Emilie Turunen sieht die Forschungsergebnisse als Anlass für einen radikalen Politikwechsel.
Harte Fakten

Rekordjugendarbeitslosigkeit ist in aller Munde. Mehr als jedeR fünfte junge EuropäerIn ist ohne Arbeit. In manchen Ländern, beispielsweise Spanien und Griechenland, ist jedeR zweite junge Erwachsene von Arbeitslosigkeit betroffen. Der Begriff „NEET“, wie er von den AutorInnen der größten Studie zu Jugendarbeitslosigkeit in Europa eingeführt wird, beschreibt junge Menschen, die sich weder in schulischer Ausbildung oder in einer beruflichen Ausbildung befinden noch einer Arbeit nachgehen. Seit Beginn der Eurokrise 2008 stieg die Anzahl junger Personen mit NEET-Status in der Europäischen Union um 28% an. Manche Gruppen junger Arbeitsloser sind einem stärkeren Risiko ausgesetzt NEET zu werden, als andere. Ein niedriges Bildungsniveau, Migrationshintergrund sowie Menschen mit Behinderung und gesundheitlichen Problemen sind überdurchschnittlich oft der Gruppe der NEETs zuzurechnen. Somit wird die Frage von Reichtum und Armut ins Licht gerückt. Kinder aus reichen und gut ausgebildeten Familien gehören nicht zur verlorenen Generation, so Donald Storrie, Leiter der Abteilung bei Eurofound, die die Studie durchgeführt hat. Die Wohlhabenden werden sich schon gut durchschlagen, nur all jene, die nicht zu den Reichen der Gesellschaft gehören, haben mit erheblichen Hindernissen zu kämpfen. Die sogenannte „verlorene Generation“ ist somit eng mit der Schieflage der Vermögensverteilung in Europa verbunden.

Hohe Kosten

Die hohe Zahl der jungen NEETs kostete die EU im Jahr 2011 1,2% ihres Bruttoinlandsproduktes. Die enormen nicht nur gesellschaftlichen, sondern auch budgetären Kosten der immensen Jugendarbeitslosigkeit werden in den krisengeschüttelten Ländern Europas besonders deutlich: Griechenland musste für die notdürftigste Linderung 3,28% seines BIPs aufwenden, Irland 2,8%, und Polen 2,04% des BIPs. Die stark defizitären Länder Europas könnten mit einem Abbau der Jugendarbeitslosigkeit erhebliche Geldsummen einsparen, so das Argument der Studie. Dabei sind die langfristigen Kosten hoher Arbeitslosigkeit bei den Berechnungen der AutorInnen noch gar nicht miteingeflossen. Die Kosten von Jugendkriminalität und von gesundheitlichen Problemen als Folge von Arbeitslosigkeit müssten konsequenterweise noch hinzugerechnet werden.

Dringender Handlungsbedarf gegeben


Die AutorInnen der Studie empfehlen den Mitgliedsstaaten, ein einheitliches System zu entwickeln, um bisher getroffene Maßnahmen evaluieren zu können. Die dänische Europaabgeordnete Emilie Turunen zeigt sich, so wie auch eine Reihe anderer AbgeordneteR zum Europäischen Parlament, von den Ergebnissen der Studie bestätigt. Sie fordert einen breiten Lösungsansatz, von der Bildungspolitik über die Arbeitsmarktpolitik bis hin zur Wirtschaftspolitik. Das duale Ausbildungssystem mit Lehrstellen soll gefördert und ausgebaut werden. Praktika dürfen reguläre Anstellungsverhältnisse nicht ersetzen, müssen fair bezahlt werden und in ein Ausbildungsprogramm eingebettet sein. Ferner ist eine europaweite Jugendgarantie nach österreichischem Vorbild, finanziert durch den Europäischen Sozialfonds, notwendig. Zudem ist eine koordinierte europäische Steuerpolitik ebenso wie ein generelles Umdenken bei der Wirtschaftspolitik nötig. Die aktuelle Austeritätspolitik mit ihrem ausschließlichen Augenmerk auf das Sparen verschärfe das Problem der Jugendarbeitslosigkeit immer mehr. Investitionen in Wachstum und Beschäftigung müssten stattdessen Priorität werden. Das aktuelle Wirtschaftsmodell muss fundamental umgedacht werden. Die erschreckend hohe und inakzeptable Jugendarbeitslosigkeit ist sicherlich eine der größten Herausforderungen auf europäischer Ebene. Klar ist: wenn weiterhin so viele junge Menschen in der Arbeitslosigkeit gefangen bleiben, hat Europa tatsächlich eine Generation verloren.

Eurofound Studie zu Jugendarbeitslosigkeit