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Geht es nach der EU-Kommission, soll eine umfassende Bankenunion in der EU entstehen- und das schneller, als bislang gedacht. Bereits vergangene Woche schlug die Behörde EU-weite Vorschriften zur Sanierung und Abwicklung von Banken vor. SteuerzahlerInnen sollen damit nicht länger für Pleitebanken aufkommen müssen. Nun fordert Kommissionschef Barroso die Realisierung einer Bankenunion in Form einer EU-Aufsicht für Europas größte Banken, gemeinsamer Einlagensicherung und Rettungsfonds schon für nächstes Jahr.
In ganz Europa haben angeschlagene Banken die Staathaushalte arg in Mitleidenschaft gezogen. Von Oktober 2008 bis Oktober 2011 genehmigte die EU-Kommission unglaubliche 4,5 Billionen Euro an staatlichen Hilfen für kriselnde Finanzinstitute. Und das jüngste Hilfsansuchen Spaniens, um seinen Bankensektor zu rekapitalisieren, macht klar, dass die Bankenkrise längst noch nicht ausgestanden ist.

Inmitten dieser Krisenphänomene gewinnt die Debatte um eine „Bankenunion“ immer mehr an Fahrt. Beim letzten informellen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am 23. Mai brachte Barroso die Idee ein. Wie eine Bankenunion als zentrale Säule einer vertieften Wirtschafts- und Währungsintegration aussehen könnte, soll ein Bericht darlegen, den der Präsident des Europäischen Rats, der Kommissionspräsident, der Eurogruppen-Vorsitzende und der Präsident der Europäischen Zentralbank beim nächsten EU-Gipfel Ende Juni vorstellen wollen.

Vergangene Woche schlug die Kommission Maßnahmen vor, die einen Schritt in Richtung einer Bankenunion darstellen sollen. So soll eine Reihe von präventiven Bestimmungen künftig verhindern, dass nicht mehr lebensfähige Banken kritische Funktionen oder die Finanzstabilität gefährden, oder von den SteuerzahlerInnen aufgefangen werden müssen. Darüber hinaus sollen Behörden gemäß dem Vorschlag frühzeitig eingreifen können, wenn finanzielle Probleme entstehen. Unter anderem könnten Aufsichtsbehörden bei einer schlimmen Finanzlage eines Instituts vorübergehend einen Sonderverwalter einsetzen. Wenn Banken dennoch pleitegehen, soll eine Harmonisierung der Abwicklungsinstrumente und –befugnisse greifen, sodass die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten über gemeinsame Instrumente für die Abwicklung von Bankenausfällen verfügen.

Zudem sieht der Vorschlag vor, dass alle Mitgliedstaaten Abwicklungsfonds einrichten, in die die Banken innerhalb von zehn Jahren ein Prozent der Einlagen einzahlen sollen. Bei der Abwicklung grenzüberschreitend tätiger Banken sollen sich die nationalen Abwicklungsfonds gegenseitig unterstützen.

Barroso will Bankenunion schon nächstes Jahr und ohne Änderung der Verträge

Nun macht Kommissionspräsident Barroso Druck, den einzelnen Schritten einen großen Wurf folgen zu lassen. Diese Woche forderte er in einem Interview mit der „Financial Times“, die EU müsse einen „sehr großen Schritt“ in Richtung tieferer Integration machen, wenn die EU aus der Schuldenkrise lernen will. Barroso spricht sich darin für eine Bankenunion aus, in der eine einzige grenzüberschreitende Aufsichtsbehörde die großen Banken aller 27 EU-Länder überwachen soll. Auch ein EU-weites Einlagensicherungssystem und ein gemeinsamer Rettungsfonds, der durch Abgaben von Finanzinstituten finanziert werden soll, will der Kommissionspräsident verwirklicht sehen.

Um die Umsetzung seiner Vision nicht auf die ferne Zukunft zu verschieben, will Barroso den Plan ohne Änderung der bestehenden EU-Verträge verwirklichen. Schon nächstes Jahr soll er beschlossen werden.

Die Vorhaben der EU-Kommission stoßen jedoch auf heftigen Widerstand in Deutschland und Großbritannien. Besonders die geplante gemeinsame Einlagensicherung ist der deutschen Bundesregierung ein Dorn im Auge. Zu groß sind die Bedenken, für die Einlagen griechischer und spanischer Pleite-Banken haften zu müssen. Auch Großbritannien hat deutlich gemacht, dass es keiner Bankenunion beitreten werde, in der britische SteuerzahlerInnen für die Rekapitalisierung von Eurozonen-Banken aufkommen müssen oder britische Großbanken einer EU-Aufsicht unterliegen.

In seiner Rede im Plenum des EU-Parlaments diese Woche bekräftigte Barroso seinen Appell für eine Bankenunion und auch eine Fiskalunion. Bis zum Herbst will die Kommission Gesetzesvorschläge zur Union des Bankensektors vorlegen.



Weiterführende Informationen:

Pressemitteilung „Neue Krisenmanagement-Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Bankenrettungen“
 
Memo „The banking union“ (auf Englisch)