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Zum allergrößten Teil ablehnend reagierten die TeilnehmerInnen auf die neuen Richtlinienvorschläge zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungen diese Woche bei einer Diskussion im Europäischen Parlament. Bei der Kooperationsveranstaltung von Österreichischem und Deutschem Gewerkschaftsbund, sowie der Deutschen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Bundesarbeitskammer Österreich informierte EU-Abgeordnete Heide Rühle von den Grünen gleich zu Beginn, dass nicht nur die ArbeitnehmerInnenorganisationen Probleme mit dem Kommissionstext zur Richtlinie über die Konzessionsvergabe habe, sondern auch die Wirtschaft.
Erst vor kurzem habe sie ein Vertreter des Bundes der Deutschen Industrie über deren Skepsis zum vorgeschlagenen Text informiert, so Rühle. Laut der Abgeordneten gibt es eine Reihe von Punkten, die bei der Richtlinie kritisiert werden müssten, wie zum Beispiel die Gleichstellung der Dienstleistungskonzessionen mit den Baukonzessionen oder die mangelnde Berücksichtigung der Risiken für die öffentliche Hand. Ein derart komplexer Vorschlag sei nicht hilfreich, so die Abgeordnete.

Kritik am Richtlinienvorschlag zur Konzessionsvergabe übten auch ver.di-Bundesvorstandsmitglied Erhard Ott, sowie Thomas Kattnig von der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten und Heidrun Maier-de Krijf, Generalsekretärin des Verbandes der öffentlichen Wirtschaft und Gemeinwirtschaft Österreichs (VÖWG). Es gibt laut Ott sehr viele Bereiche, in denen öffentliche Leistungen über Konzessionen erbracht werden, zum Beispiel bei den Häfen, beim Verkehr, Gesundheit, soziale Dienstleistungen, bei Wasser, Energie und Abfall. In Deutschland gebe es 6.211 Wasserversorgungsunternehmen, von denen alleine nächstes Jahr rund 1.000 neue Konzessionsverträge ausgehandelt werden müssten. Ganz wesentlich sei es bei den Legislativmaßnahmen Sozialstandards verbindlich zu berücksichtigen. Thomas Kattnig unterstrich zudem, dass die Kommission mit dem Rechtsvorschlag das Primärrecht aus den Augen verloren habe, denn Art. 14 EUV räume den öffentlichen Dienstleistungen großen Spielraum ein. Die Wasserversorgung über die Hintertür zu liberalisieren, wird strikt abgelehnt. Österreich hat zum Richtlinienvorschlag eine Subsidiaritätsrüge eingebracht. Heidrun Maier-de Krijf betonte, dass die fraglichen Gesetze von den EU-Institutionen gemacht und von den Kommunen gelebt werden – sie sollten sich daher nicht auseinanderbewegen, warnte Maier-de Krijf. Es ist laut der Generalsekretärin des VÖWG eine intelligente inhouse-Regelung nötig und es solle nicht etwas komplett neues erfunden werden. Die von der Kommission oft angekündigte einfachere Gesetzgebung (better regulation) sei in dieser Richtlinie leider überhaupt nicht zu sehen, vielmehr werden mit dem Vorschlag nur Oligopole geschaffen, so Maier-deKrijf.

Der im EU-Parlament zuständige Berichterstatter für die Dienstleistungskonzessions-Richtlinie, EU-Abgeordneter Philippe Juvin von der Europäischen Volkspartei sicherte zu, dass auch er eine Privatisierung über die Hintertüre vermeidet werden soll. Gleich zu Beginn der Richtlinie soll verankert werden, dass die öffentliche Hand die Freiheit hätte, ob eine Dienstleistung über eine Konzession erbracht wird. Inhouse, auch im Verband mit mehreren Gemeinden soll jedenfalls möglich sein. Das Primärrecht müsse berücksichtigt werden, nötig sei aber auch zusätzliche Transparenz.

In der Diskussion mit dem Publikum wurde der Richtlinienvorschlag ebenfalls heftig kritisiert: Der Vorschlag, geht laut einem Gewerkschaftsvertreter an den Problemen vorbei, die sozialen Bedingungen werden so nur verschärft. Juvin versicherte daraufhin, dass bei den Ausschreibungen nicht nur das Kriterium des niedrigsten Preises gelten soll.

EU-Abgeordnete Evelyne Gebhardt von den Sozialdemokraten machte darauf aufmerksam, dass neben dem Vorschlag für eine Dienstleistungskonzessionsrichtlinie auch mit den beiden anderen Rechtsvorschlägen zur Vergabe Probleme drohen. Werde die Konzessionsrichtlinie einfach abgelehnt, würden stattdessen die beiden Vergaberichtlinien gelten, das sei gefährlich und ein Grund für die Sozialdemokraten, weswegen sie die Konzessionsrichtlinie nicht von vorneherein ablehnen, sondern sie stattdessen ändern möchten.

Ein weiterer Redner führte auch den Umweltschutz an, der mit diesem Rechtsvorschlag auch gefährdet werde. Einig waren sich die TeilnehmerInnen darüber, dass Lohn- und Sozialdumping unterbunden werden muss.

Am 26. Juni wird Berichterstatter Juvin seinen Berichtsentwurf zu den Dienstleistungskonzessionen vorstellen. Erst gegen Ende des Jahres wird der zuständige Binnenmarktausschuss über den Bericht abstimmen, die erste Lesung im Europäischen Parlament wird damit voraussichtlich Anfang 2013 abgeschlossen sein.