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Wenn es um die Frage geht, ob die Europäische Union endlich die längst fällige Steuer für SpekulantInnen, auch Finanztransaktionssteuer genannt, einführen soll, ist auf die VertreterInnen der BürgerInnen im Europäischen Parlament Verlass. Diese Woche sprachen sie sich in Straßburg zum zweiten Mal mit breiter parteienübergreifender Mehrheit für eine rasche und umfassende Besteuerung von Finanztransaktionen aus. Damit senden die ParlamentarierInnen ein klares Signal an die Mitgliedstaaten: Findet endlich eine Lösung, die BürgerInnen erwarten das von euch!
Es ist ein langer Kampf mit vielen Hürden. Die Besteuerung von Finanztransaktionen, die bisher völlig steuerfrei sind, hat viele GegnerInnen. Zu ihnen zählen nicht nur die Finanzindustrie und ihre Lobby, sondern auch Mitgliedstaaten, die ihre nationalen Finanzplätze schonen wollen, so wie Großbritannien, aber auch Luxemburg, Schweden, die Niederlande und Dänemark.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich das Europäische Parlament unter Federführung der griechischen Sozialdemokratin Anni Podimata mit breiter Mehrheit für eine Vorreiterrolle Europas bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Und das mit guten Gründen. Die Steuer spült nicht nur dringend benötigte Einnahmen in die Budgets der Mitgliedstaaten, sondern hilft auch dabei, kurzfristige Spekulationen, die keinerlei volkswirtschaftliche Bedeutung haben, zu bremsen. Die Unterstützung des Europäischen Parlaments für dieses wegweisende Projekt, die nicht zuletzt auch durch eine breite europäische BürgerInnenkampagne, die bis zum heutigen Tag von AK und ÖGB und weiteren PartnerInnen aus Gewerkschaften, Politik und Zivilgesellschaft getragen wird, ermöglicht wurde, war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer Beteiligung der SpekulantInnen an den Kosten der Finanzkrise, die von ihnen verursacht wurde. Noch vor wenigen Jahren wurde die Finanztransaktionssteuer von den Eliten und Medien als Utopie belächelt.

Der Druck der BürgerInnen und des Europäischen Parlaments, zusammen mit der Unterstützung durch einige europäische Regierungen, zu denen von Beginn an Österreich zählte, überzeugte die Europäische Kommission, die dem Projekt lange zögerlich bis ablehnend gegenüberstand, endlich einen Richtlinienvorschlag vorzulegen. Nicht alles am Vorschlag der Kommission ist aus Sicht der ArbeitnehmerInnen gelungen, aber dennoch kann der Kommissionvorschlag im Großen und Ganzen begrüßt werden.

Leider ist es aber so, dass bei der Frage der Einführung einer europäischen Steuer ausschließlich die Mitgliedsstaaten das Sagen haben. Unter dem Druck ihrer Finanzlobbies unternehmen einige von ihnen, darunter vor allem die Briten und ihre Verbündeten, alles, um eine Einigung auf europäischer Ebene zu hintertreiben. Deshalb sind die Verhandlungen zwischen den Mitgliedsländern über den Vorschlag der Kommission auch zeitraubend und manchmal frustrierend.

Was tun, wenn die Mitgliedsstaaten keine einstimmige Einigung zustande bringen? Soll dann das Projekt, das gemäß Umfragen von einer breiten Mehrheit der europäischen BürgerInnen unterstützt wird, einfach zu Grabe getragen werden? Das wäre wohl die angenehmste Lösung für die GegnerInnen der Steuer. Aber so wünschenswert es wäre, alle 27 Mitgliedsstaaten an Bord zu haben, es geht auch mit weniger. Deshalb die Idee, dass jene Länder in der EU, die nicht nur von ihren Finanzlobbies getrieben sind, die Steuer einführen, und sich die ZögererInnen und BlockiererInnen später anschließen können oder nicht. Im EU-Jargon nennt man das die „verstärkte Zusammenarbeit“.

Obwohl das Europäische Parlament bei Steuerfragen keine rechtlich bindenden Möglichkeiten hat, die Mitgliedsstaaten zu beeinflussen, muss es dennoch zumindest angehört werden. Dies geschah diese Woche in Straßburg, wo sich die EU-ParlamentarierInnen während ihrer Plenarsitzung zum Vorschlag der Kommission zur Finanztransaktionssteuer eine politische Meinung gebildet haben. Und diese politische Meinung kann auch von den Mitgliedsstaaten nicht einfach ignoriert werden.

Die Meinung der VolksvertreterInnen fiel überwiegend positiv aus. So begrüßten die Abgeordneten die Ideen der Kommission und hatten nur einige wenige Änderungswünsche und politische Empfehlungen. Eine der wichtigsten: Wenn die 27 Mitgliedsstaaten aufgrund der Tatsache, dass die Briten, Schweden, Niederländer, Luxemburger und Dänen auf der Bremse stehen, keine Einstimmigkeit zustande bringen, dann sollen die Länder, die dazu bereit sind, die Steuer einfach ohne sie einführen. Eine weitere Forderung der Abgeordneten: Die Mitgliedsländer sollen bei ihren Verhandlungen alles versuchen, um eine breitest mögliche Mehrheit der Staaten an Bord zu holen. Allerdings nicht um den Preis, dass der Vorschlag der Kommission durch Dutzende Ausnahmen ausgehöhlt und zur Karikatur gemacht wird.

Eine wichtige Forderung, die allerdings von den Abgeordneten selbst leider unterlaufen wird. Anders als die Europäische Kommission fordern sie nämlich, dass Pensionsfonds – ein Milliardengeschäft – keine Finanztransaktionssteuer zahlen sollen. Offensichtlich haben sich die öffentliche Angstmache und die Lobbyoffensive der Pensionsfonds ausgezahlt. Aus Sicht der ArbeitnehmerInnen ein schwerwiegender Fehler: Schließlich sollten jene Pensionsfonds, die langfristig investieren, belohnt werden, und jene, die auf der Suche nach überdurchschnittlichen Profiten besonders riskant veranlagen, eingebremst werden. Die Finanztransaktionssteuer wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung gewesen.

Als Ausgleich für dieses Einknicken vor der Fondsindustrie hat das Parlament aber auch eine Forderung neu aufgenommen, die von großer Bedeutung ist. So fordert es, dass die Finanztransaktionssteuer auch bei Spekulationen mit Währungen fällig werden soll. Da es hier um ein Multi-Billionen-Geschäft geht, ist dies ein mutiger Vorschlag, vor dem die Kommission zurückgeschreckt ist. Leider ist damit zu rechnen, dass die Mitgliedsstaaten mit Unterstützung der Europäischen Zentralbank diese Forderung der ParlamentarierInnen schlicht ignorieren werden.

Als Kuriosum sei noch das Verhalten der luxemburgischen konservativen Abgeordneten Astrid Lulling vermerkt. Sie brachte noch in letzter Minute den Wunsch ein, dass auch Investmentfonds, die sich aufgrund der steuerlichen Vorzugsbehandlung in Luxemburg besonders wohl fühlen und dort massenhaft vertreten sind, auch keine Finanztransaktionssteuer zahlen sollen. Ein trauriges Beispiel dafür, wie nationale Sonderinteressen selbst bei Europaabgeordneten dem europäischen Gesamtinteresse vorgezogen werden.

Am Ende wurde der Bericht von Anni Podimata mit großer Mehrheit angenommen. 487 Abgeordnete sprachen sich dafür aus, 152 dagegen, und 46 enthielten sich ihrer Stimme. Alle österreichischen EU-Abgeordneten mit Ausnahme von Ewald Stadler stimmten für eine europäische Finanztransaktionssteuer. Ein starkes Signal an die FinanzministerInnen, bei ihrer Sitzung im Juni endlich die Ergebnisse zu liefern, die die BürgerInnen von ihnen erwarten!