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Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat große Löcher in die Staatshaushalte gerissen, die Staatsschulden sind angestiegen, und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ist damit in Gefahr geraten. Dass daher gerade bei den Pensionsausgaben gespart werden muss, ist, so sehen es jedenfalls die Wirtschafts- und FinanzministerInnen bei ihrer dieswöchigen Tagung in Brüssel, die logischste aller Folgen! Die Bevölkerungsalterung stellt unzweifelhaft eine große Herausforderung dar, darf aber nicht als Vorwand genommen werden, um diejenigen zur Kasse zu bitten, die die Krise gar nicht verursacht haben.
Der Bevölkerungsbericht (Ageing Report) 2012 gibt Aufschluss über zukünftige Staatsausgaben

Grundlage für die Analyse der Wirtschafts- und FinanzministerInnen (ECOFIN-Rat) ist der Bericht über die Bevölkerungsalterung 2012 mit Wirtschafts- und Haushaltsprojektionen für die 27 EU-Mitgliedstaaten (2010–2060), den der Aus¬schuss für Wirtschaftspolitik (Arbeitsgruppe "Auswirkungen der Bevölkerungsalterung") und die Kommission (GD ECFIN) auf der Grundlage gemeinsam festgelegter methodischer Vorgehens¬weisen und Annahmen erstellt haben. Wie bereits die früheren Berichte über die Bevölkerungsalterung enthält auch der Bericht für 2012 Prognosen zu den altersbedingten Staatsausgaben für Pensionen, Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege, Bildung und Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Der ECOFIN-Rat sah es als gegeben an, dass die Überalterung der Bevölkerung erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben wird. So wird davon ausgegangen, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand, die unmittelbar auf altersbedingte Faktoren zurückzuführen sind (ohne Berücksichtigung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit), zwischen 2010 und 2060 in der EU voraussichtlich um weitere 4,1 Prozentpunkte des BIP steigen. Der prognostizierte Anstieg der altersbedingten Ausgaben spiegelt unter anderem den Anstieg der staatlichen Pensionszahlungen in der EU um 1,5 Prozentpunkte des BIP bis 2060 wider.

Laut MinisterInnen ist Koppelung des gesetzlichen Pensionsalters an die steigende Lebenserwartung Teil der Lösung

Geht es nach den Wirtschafts- und FinanzministerInnen, so haben die jüngsten Reformen der Pensionssysteme in den Mitgliedstaaten erkennbare positive Wirkung gezeigt und den Anstieg der Staatsausgaben gebremst, unter anderem indem in einigen Ländern das gesetzliche Pensionseintrittsalter an die Lebenserwartung angepasst wurde. In anderen Ländern ist das Ausmaß der Reformen nach wie vor unzureichend oder noch nicht quantifiziert worden, so die MinisterInnen. Viel zu wenig Beachtung findet in dem Zusammenhang jedoch die Tatsache, dass jegliche Reform im Pensionsbereich, wie z.B. die Anhebung bzw. Anpassung des gesetzlichen Pensionsalters ohne Erfolg bleiben wird, wenn man sich nicht als primäres Ziel setzt, bessere Chancen für ältere Frauen und Männer für den Verbleib am Arbeitsmarkt, die Förderung von lebenslangem Lernen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder auch die Reduktion der Jugendarbeitslosigkeit in Angriff zu nehmen. Primäres Ziel sollte es auch sein, das faktische Pensionsalter anzuheben, und nicht das gesetzliche. Verbunden mit einer Steigerung der Beschäftigungsquote auch in jüngeren Jahren würde dies ausreichen, um (z.B. auf Basis der bereits durchgeführten Pensionsreformen) den Anstieg des BIP-Anteils für die öffentliche Alterssicherung in sehr engen Grenzen zu halten. In den Schlussfolgerungen der Wirtschafts- und FinanzministerInnen zum Bevölkerungsbericht 2012 wird bekräftigt, dass geeignete politische Maßnahmen in der EU weiterhin erforderlich sein werden. Hierzu zählt z.B. die Umsetzung der Strategie Europa 2020 und die dreigleisige Strategie zur Bewältigung der Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die Volkswirtschaften und die Haus¬halte, die vorsieht, dass die Staatsverschuldung zügig abgebaut wird, die Beschäftigungsquoten und die Produktivität erhöht sowie Renten-, Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme reformiert werden. Leider gewinnt man bei den Schlussfolgerungen des Rates zur Bevölkerungsalterung den Eindruck, dass der Vorrang nicht bei den Investitionen in den so wichtigen Arbeitsmarkt liegt. Vielmehr wird nach weiteren Reformen verlangt, da ansonsten die Bevölkerungsalterung zum Pulverfass für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen werden könnte. Dass jedoch Reformen und die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters nicht automatisch zu dem dringend benötigten Beschäftigungswachstum führen, wird mit keinem Wort erwähnt.

Weiterführende Information:

Schlussfolgerungen der Wirtschafts- und FinanzministerInnen zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen vor dem Hintergrund der Bevölkerungsalterung (nur auf Englisch verfügbar)

Bevölkerungsbericht 2012 (nur auf Englisch verfügbar)