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Diese Woche präsentierte das Europäische Statistikamt Eurostat die neuen Zahlen zu den Schulden und Defiziten der öffentlichen Hand. Einmal mehr wird darin deutlich, welche enormen Auswirkungen die Rettung des Finanzsektors und eine seit Bestehen der Europäischen Union noch nie dagewesene Rezession für den öffentlichen Sektor hatte: Binnen 4 Jahren (2008 – 2011) erhöhte sich die Verschuldung in der Europäischen Union um mehr als 2,6 Billionen € beziehungsweise um 20 Prozentpunkte von 62,5 auf 82,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Die in fast allen Mitgliedstaaten eingeleiteten Sparmaßnahmen dürften derweil nicht nur erfolglos sein, sondern sogar kontraproduktiv auf Wirtschaft und Verschuldung wirken.
Gerade Mitgliedstaaten, die bereits seit mehreren Jahren mehr oder weniger freiwillig rigorose Sparmaßnahmen im öffentlichen Haushalt umsetzen, schaffen es nicht, ihre Defizite in einem deutlichen Umfang zu reduzieren. Stattdessen sinkt das Bruttoinlandsprodukt, die Arbeitslosigkeit steigt teilweise drastisch. Beispiel Großbritannien: Trotz des strikten Sparkurses unter Premier Cameron, gelingt es nicht, das jährliche Haushaltsdefizit zu reduzieren. 2009 hatte das Vereinigte Königreich ein Defizit von 11,5 %, 2010 von 10,2 % und 2011 noch immer von 8,3 %. Damit bewegen sich die Haushaltsdefizite in den letzten beiden Jahren fast genau auf demselben Niveau wie jenes von Griechenland. Und das trotz allerbester Bonitätsbewertung der Ratingagenturen und entsprechend niedrigen Zinszahlungen für ihre Schulden. Großbritanniens Verschuldung ist binnen vier Jahren um fast 31 % auf nunmehr 85,7 % in die Höhe geschnellt. Die Arbeitslosigkeit stieg einstweilen von 5,3 % im Jahr 2007 auf 8,3 % per Februar 2012. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs 2011 nur um 0,7 %, dieses Jahr soll es noch schlechter aussehen.

Ein etwas bekannteres Beispiel ist auch Irland, das in den letzten vier Jahren unter dem Eindruck der geplatzten Immobilienblase ganz erheblich mit Stützungen für die irischen Banken zu kämpfen hatte. Nach einem in der Geschichte der EU wohl einmalig hohen Haushaltsdefizit von 31,2 % im Jahr 2010 aufgrund massiver Subventionen für den Bankenbereich, bleibt das Niveau des Defizits mit 13,1 % fast auf derselben Höhe wie 2009. Und das trotz erheblicher Sparbemühungen seit einigen Jahren. Kräftig runtergegangen ist dafür das Bruttoinlandsprodukt, und zwar von fast 180 Mrd. € 2008 auf nunmehr 156 Mrd. € per Ende letzten Jahres. In der Öffentlichkeit wenig diskutiert wird die beängstigende Entwicklung des Arbeitsmarktes in Irland: Gab es 2007 eine Arbeitslosenrate von etwa 4,6 % so sind es nun per Februar 2012 rund 14,7 %. Katastrophal sieht es bei den Jugendlichen aus: Im Februar 2012 waren 31,6 % der unter 25jährigen ohne Beschäftigung.

Weit besser sieht es hingegen für Deutschland aus, das von vielen als die Krisengewinnlerin gesehen wird. Lag das Haushaltsdefizit 2010 noch bei 4,3 %, so betrug es 2011 nur mehr 1 %. Innerhalb der Eurozone erreichten nur Finnland mit -0,5 % und Luxemburg mit -0,6 % bessere Werte. Bei der Gesamtverschuldung liegt Deutschland jedoch bei überraschend hohen 81,2 % und verfehlt das Maastricht-Ziel der maximalen 60 %igen Schuldenquote nun bereits seit 10 Jahren infolge. Nur 6 Eurozonen-Länder liegen bei der Verschuldung schlechter als Deutschland.
Traditionell gut liegen die skandinavischen Staaten: Schweden erreichte vergangenes Jahr einen Budgetüberschuss von 0,3 %, der Schuldenstand liegt bei 38,4 %. Auch Dänemark und Finnland haben eine geringe Schuldenquote in Höhe von 46,5 % beziehungsweise 48,5 %. Österreich liegt sowohl beim Defizit als auch bei der Schuldenquote mit 2,6 % und 72,2 % besser als der EU27-Durchschnitt (4,5 % und 82,5 %).

Ob die neuen Sparbemühungen in fast allen EU-Ländern zu einer blühenden Wirtschaft, sinkender Arbeitslosigkeit und niedrigeren Schulden führen werden, darf angesichts der Erfahrungen aus den EU-Ländern, die bereits seit längerer Zeit sparen, bezweifelt werden. Endgültige Gewissheit wird es wohl erst in einem Jahr geben, wenn die Zahlen für 2012 vorliegen.