Nachrichten

Zurück
Wie soll die Zukunft des EU-Gesellschaftsrechts aussehen? Im Rahmen einer öffentlichen Konsultation will die EU-Kommission derzeit klären, ob das europäische Regelwerk in dem Bereich an aktuelle Entwicklungen angepasst werden muss. Bei einer Konferenz der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament mit Gewerkschaften wurde klar, dass die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte von ArbeitnehmerInnen auf dem Spiel stehen und verteidigt werden müssen.
Die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts auf EU-Ebene, das unter anderem AktionärInnen, GläubigerInnen und anderen AkteurInnen gleichwertigen Schutz bieten soll, war bereits bisher für die Europäische Kommission wesentlich, um den Binnenmarkt voranzutreiben. Prestigeprojekte in dem Bereich sind europäische Rechtsformen für Unternehmen, wie etwa die 2004 eingeführte Europäische Gesellschaft. Kernpunkt bei der Diskussion über die zukünftige Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts aus Sicht der ArbeitnehmerInnen ist, dass die Mitbestimmung der Beschäftigten in Unternehmen geschützt und nicht ausgehöhlt wird.

Aline Conchon, Forscherin beim Europäischen Gewerkschaftsinstitut, argumentierte, dass das Europäische Unternehmensstatut theoretisch dazu verwendet werden könnte, Rechte der ArbeitnehmerInnen-Mitbestimmung in Vorständen oder Aufsichtsräten zu umgehen. Schließlich finden Verhandlungen über die Formen der Mitbestimmung nur vor der Gründung einer Europäischen Gesellschaft und nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt statt- auch wenn sich die Anzahl der Beschäftigten im Betrieb zwischenzeitlich ändert.

Nachhaltiges Unternehmensmodell muss Schwerpunkt auf ArbeitnehmerInnen legen


Für ein neues Modell eines nachhaltigen Unternehmens plädierte Claudia Menne vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB). Dieses sei nicht möglich ohne Informations- und Konsultationsrechte von ArbeitnehmerInnen. Ein größerer Fokus auf Stakeholder, also Beschäftigte, und weniger auf die kurzfristige Perspektive des Shareholder-Werts eines Unternehmens sei notwendig. Der EGB fordert die Schaffung eines Rahmeninstruments für die Beteiligung der ArbeitnehmerInnen. Die Forderungen beinhalten beispielsweise eine Neueinschätzung des Hauptsitzes von Unternehmen. Es müsse verhindert werden, dass Betriebe ihren eingetragenen Firmensitz auf dem Papier in Länder mit niedrigeren Mitbestimmungs-Standards verlagern und so ArbeitnehmerInnen-Rechte im Land der eigentlichen Geschäftstätigkeit umgehen.

Jonas Malmberg, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität Uppsala, nahm den im Frühling 2011 veröffentlichten Bericht der von der Kommission eingesetzten Reflexionsgruppe zur Zukunft des EU-Gesellschaftsrechts zum Anstoß seiner Ausführungen. Die Reflexionsgruppe betrachtet Mitbestimmung auf Vorstands- oder Aufsichtsratsebene aus der Perspektive des Nutzens, den sie für die Leistung des Unternehmens bringt und sieht sie als weder gut noch schlecht für die Unternehmensleistung. Laut dem Vertrag gilt die ArbeitnehmerInnen-Beteiligung jedoch als Bestandteil der EU-Sozialpolitik, macht Malmberg klar. Deren Ziel ist es unter anderem, den sozialen Dialog zu verbessern, welcher einen Wert an sich darstelle.

Michael Petersen, Vorsitzender des Europäischen Betriebsrats von Honeywell, trug seine Erfahrungen aus der praktischen ArbeitnehmerInnen-Vertretung zur Debatte bei. Er meinte, wenn ein Europäischer Betriebsrat angehört werde, sei klar, dass die relevante Entscheidung längst gefallen sei, hier sollte etwas geändert werden. Er plädiert zudem dafür, dass Europäische Betriebsräte die Macht haben sollten, eine Entscheidung zu vertagen.

Auf die laufende öffentliche Konsultation zur Zukunft des EU-Gesellschaftsrechts verwies Gyula Cserey von der Generaldirektion Beschäftigung in der Kommission. Ziel der Kommission sei es, das Gesellschaftsrecht nach der Krise an die neue politische und ökonomische Landschaft anzupassen. Im Oktober will die Kommission neue Leitlinien und Vorschläge zu Unternehmensrecht und Corporate Governance vorlegen- die Debatte wird also noch weiter spannend bleiben.

Weiterführende Informationen:

Informationen der Europäischen Kommission zum EU-Gesellschaftsrecht