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Wie kann die Außenhandels- und Investitionspolitik der EU dazu beitragen, Entwicklung zu fördern? Sind Freihandel und offene Märkte für Entwicklungsländer wirklich immer nützlich? Diesen Fragen widmeten sich Experten bei einem Workshop im Europäischen Parlament. Die Mitteilung der EU-Kommission zu „Handel, Wachstum und Entwicklung“ stand dabei unter anderem auf dem Prüfstand.
Es sind weitreichende Veränderungen in der Weltwirtschaft, die die im Jänner veröffentlichte Mitteilung der EU-Kommission aufzeigt: Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien gehören mittlerweile zu den größten Volkswirtschaften. Mehr als die Hälfte des Welthandels entfällt nun auf Entwicklungsländer. In den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDCs) bleiben jedoch im Allgemeinen große Fortschritte in der Armutsreduktion aus, viele LDCs sind verstärkt von wenigen Exportgütern abhängig. Aus Sicht der EU-Kommission verliert der Begriff „Entwicklungsländer“ an Bedeutung, und es sollte innerhalb derer stärker differenziert werden. So sollten die Anstrengungen der EU verstärkt auf die ärmsten und am stärksten gefährdeten Länder gerichtet werden, während Schwellenländern auf beiderseitigen Interessen basierende Partnerschaften angeboten werden sollten.

Handel kein Wundermittel, das alle Probleme lösen kann

Offener Handel sei eine notwendige Bedingung für erfolgreiche Entwicklung, die EU will daher Entwicklungsländern helfen, sich ins multilaterale Handelssystem zu integrieren und Handel zur Armutsreduktion in Entwicklungsländern einzusetzen, führte Peter Thompson, Direktor der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission, aus. Entwicklung beginne jedoch vor Ort und nationale Reformen und gute Staatsführung seien notwendig, um Handel zum Nutzen der armen Bevölkerung wirksam zu machen. Aus Sicht der Kommission muss sich eine moderne entwicklungsorientierte Handelspolitik auch auf eine breite Palette von Themen konzentrieren, die über Zollsenkungen hinausgehen, wie beispielsweise Handelserleichterungen auf lokaler und regionaler Ebene, technische, soziale und umweltbezogene Regeln und den Schutz geistiger Eigentumsrechte.

Supachai Panitchpakdi, Generalsekretär der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), hob hervor, dass internationaler Handel ein kraftvolles Instrument für Staaten sei, aber kein Wundermittel, das alle Probleme lösen könnte. Ein Teil der Probleme der Entwicklungsländer könne mit Handel gelöst werden, es gebe aber auch Entwicklungsländer, die Handelsinstrumente nicht zu ihrem Nutzen einsetzen konnten. Entwicklungsländer seien gute Schüler gewesen, als man ihnen sagte, sie sollten ihre Wirtschaft öffnen, ihren Handel liberalisieren und die Zölle senken. So sei der Exportanteil am BIP der Entwicklungsländer zwischen 2001 und 2008 von 35 auf 45 Prozent gestiegen. Ob es jedoch sinnvoll wäre, diesem Pfad der Handelsliberalisierung unendlich zu folgen, verneinte der UNCTAD-Generalsekretär. Jene Länder in Asien, die den sogenannten weisen Ratschlägen folgten, ihre Wirtschaft immer weiter zu öffnen, seien schwer getroffen worden, weil sie so stark mit der globalen Wirtschaft verbunden sind. Wichtig sei die Ausgewogenheit zwischen Binnen- und Außennachfrage.

Für die Bedeutung von Handelsliberalisierung für das Wachstum sprach sich Kenneth Heydon, ehemaliger stellvertretender Direktor für Handel in der OECD, aus. Er warnte davor, dass es als Bremse für multilaterale Handelsliberalisierung wirke, sich auf Zollpräferenzen für bestimmte Länder zu stützen.

Gegen die vorherrschende Meinung, dass Freihandel immer von Nutzen ist, bezog Robert Wade vom Institut für Entwicklung der London School of Economics, kritisch Stellung. Auf die Frage, ob Handelsliberalisierung wirklich als Motor der Entwicklung diene, meinte Wade, dass die Entwicklung von Ländern in der Regel eine Handelsliberalisierung mit sich bringe, dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass Handelsliberalisierung die Triebfeder der Entwicklung ist. So sei ein kausaler Zusammenhang zwischen Handelsoffenheit und Wachstum nicht eindeutig erwiesen. Der Aufstieg Chinas als Werkbank der Welt sei problematisch. So nutzen billige chinesische Importe zwar lateinamerikanischen KonsumentInnen, jedoch nicht lateinamerikanischen ArbeitnehmerInnen, die von guten Arbeitsplätzen verdrängt werden. Aus der Perspektive einer lateinamerikanischen Regierung, beispielsweise der brasilianischen Regierung, hält Wade es für berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die subtile Formen von Handelsschutzmaßnahmen beinhalten, um zu verhindern, dass billige chinesische Importe eigene Industrien wegfegen.

Weitere Informationen: Mitteilung der Europäischen Kommission „Handel, Wachstum und Entwicklung“