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Die Wasserver- und entsorgung, Fernwärme, Energiedienste, Müllabfuhr, Sozial- und Gesundheitsdienste sowie Kultur und Erziehung werden auf europäischer Ebene häufig im Rahmen von so genannten Dienstleistungskonzessionen erbracht, so ExpertInnen bei einer Anhörung im Europäischen Parlament. Diese Verträge, abgeschlossen zwischen der öffentlichen Hand und Privatunternehmen, sollen nun einen neuen Rechtsrahmen erhalten. Der Legislativvorschlag, den die Europäische Kommission dazu veröffentlicht hat, stößt jedoch auf heftige Kritik sowohl bei den von dem Vorschlag betroffenen Stellen als auch beim Europäischen Parlament.EU-Abgeordneter Philippe Juvin von der Europäischen Volkspartei und Berichterstatter zu dieser Thematik begrüßt den Vorstoß der Kommission. Er sieht derzeit große Rechtsunsicherheit – alleine seit dem Jahr 2000 gab es zu den Konzessionen 25 Urteile des Europäischen Gerichtshofs – der neue Vorschlag würde die Unsicherheiten ausräumen und Stabilität bringen. Darüber hinaus, so Juvin, bringe die neue Regelung mehr Wettbewerb sowie modernere Infrastrukturen. Um dieses Ziel zu erreichen, sei eine eindeutige Definition davon, Konzessionen seien, notwendig. Die Regeln müssten einfach und transparent sein, fordert EU-Abgeordneter Juvin. Dass die öffentliche Hand Dienstleistungen selber durchführen könne (so genanntes Inhouse), sei anzuerkennen. Er spricht sich aber deutlich dagegen aus, dass willkürlich festgelegt wurde, dass eine Inhouse-Tätigkeit vorliege, wenn die öffentliche Hand die Dienstleistung in einem Umfang von mindestens 90 % selbst durchführe. Abschließend hält der konservative Berichterstatter fest, dass der Kommissionsvorschlag auf jeden Fall einen Mehrwert bringe.

Wenig überzeugt davon sind die zur Anhörung über die Dienstleistungskonzessionen eingeladenen InteressenvertreterInnen und ExpertInnen.

Der Vertreter vom Institut für öffentliche Verwaltung (EIPA), Michael Burnett, stellte gleich zu Beginn fest, dass es in der Richtlinie eindeutig nicht um die Freiheit der öffentlichen Hand gehe, zu beschließen, wie sie die öffentlichen Dienstleistungen organisieren will. Man dürfe nicht übersehen, dass es bei den betroffenen Dienstleistungen auch um sehr viel Geld gehe. Darüber hinaus betonte Burnett auch, dass Dienstleistungskonzessionen bei Public Private Partnerships eine große Rolle spielen – 60 % der PPPs seien Dienstleistungskonzessionen. Die Subsidiarität und die Freiheit der öffentlichen Behörden werden seiner Meinung nach nicht verletzt. Die beste Vorgehensweise wäre seiner Meinung nach, die öffentliche Auftragsvergabe und die Dienstleistungskonzession denselben Regelungen zu unterwerfen und nicht unterschiedlichen, wie jetzt vorgesehen.

Rainer Plassmann vom Europäischen Zentrum der ArbeitgeberInnen im öffentlichen Dienst (CEEP) zeigte sich wenig begeistert von dem Kommissionsvorschlag: die Mitglieder seiner Organisation suchten noch immer nach Gründen, warum die Kommission einen derart komplexen und detaillierten Vorschlag veröffentlicht habe. Den einzigen Nutzen des Legislativvorschlags sieht er in mehr Rechtssicherheit und der Subsidiarität. Die Kommission habe versucht, flexible Verfahren zu finden, was ihr recht gut gelungen sei, so Plassmann. Auch die Inhouse-Regelung sei sehr gut gelungen. Problematisch sei jedoch die viel zu weit gefasste Definition der Dienstleistungskonzessionen. Dementsprechend zu klein seien auch die Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie, die sehr eng gefasst sei. Die großzügige Definition der Dienstleistungskonzessionen umfasse unter anderem auch Sozialdienste, Gesundheitsdienste, die Wasserver- und entsorgung, die Müllabfuhr oder Bildungsdienste, was er als äußerst problematisch bewertet. Beispielsweise werde in Österreich und Deutschland die Durchführung der Wasserver- und entsorgung von Privaten strikt abgelehnt, da Wasser als öffentliches Gut betrachtet wird. Italien aber wiederum spreche sich deutlich für die Beteiligung von Privaten aus. Bei einer Regelung, die Energiedienstleistungen miteinbeziehe, werde den Kommunen die Möglichkeit genommen, Energiepolitik zu betreiben. Auch die Vertragsdauer, die vorgesehen sei, müsse diskutiert werden. Es sei festzuhalten, dass die öffentlichen Behörden die Freiheit behalten sollten, zu entscheiden, ob Dienstleistungen ausgeschrieben oder selbst erledigt werden, so Plassmann.

Martin Weyand vom Deutschen Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hält die Rechtsprechung zu den Konzessionen und das primäre Recht für ausreichend. Wasser ist in Deutschland eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse. Aufgaben werden von lokalen Gebietskörperschaften durchgeführt. Er befürchtet durch die angestrebte Regelung und den damit verbundenen Wettbewerb eine Verschlechterung bei der Qualität des Wassers. Der Text ist auch so kompliziert, dass eine Ausschreibung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und viel kosten würde. Es gehe außerdem um viele tausende Arbeitsplätze, über die hier diskutiert wird. Es ergibt sich mit den vorgeschlagenen Regeln keine Entscheidungsautonomie für die Behörden.

Stéphane Saussier, Universitätsprofessor an der Universität Sorbonne, hob hervor, dass in einer Regelung für Konzessionen ein Ermessensspielraum notwendig sei, diesen Spielraum sehe er aber nicht. Darüber hinaus müsse es möglich sein, Konzessionen neu zu verhandeln. Es zeige sich aus der Empirie, dass es sehr oft nötig sei, den Vertrag an neue Bedingungen anzupassen, die sich erst nach Vertragsabschluss herausstellen. Die Richtlinie soll so einfach wie möglich sein, auch die Dauer des Vertrags müsse überdacht werden.

Der Berichterstatter EU-Abg. Juvin echauffierte sich darüber, dass Saussier äußerte, die Autonomie der Behörden sei in Gefahr – das sei seiner Meinung nach nirgendwo zu lesen. EU-Mandatar Panzeri von den Sozialdemokraten möchte einen flexiblen Rahmen, der den öffentlichen Behörden Ermessensspielraum gibt, wie die ExpertInnen es vorschlagen. Man müsse sich auch die Traditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten anschauen und berücksichtigen. Der liberale Abg. Busoi betonte, dass es von Sektor zu Sektor unterschiedliche Sorgen gebe. Er stimmt allerdings dezidiert nicht zu, dass es keinen Bedarf an der Richtlinie gebe. Die grüne EU-Abg. Rühle gab zu Bedenken, dass mit den bisherigen Regelungen nichts günstiger geworden sei, entgegen der ursprünglich gemacht Versprechungen dazu. Rühle sieht nach den Informationen der ExpertInnen die Notwendigkeit die Richtlinie großteils umzuschreiben.

Die Diskussion zu den Dienstleistungskonzessionen bleibt damit spannend. Der Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments soll Ende Mai vorliegen. Nach der Sommerpause soll über den Bericht und Änderungsvorschläge im Ausschuss abgestimmt werden.