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Mit einer Anhörung im Rechtsausschuss haben die Beratungen im Europäischen Parlament zu einem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht begonnen. Der Kommissionsvorschlag wird von einer breiten Mehrheit sowohl seitens der VerbraucherInnen- als auch der UnternehmerInnenorganisationen kritisiert und abgelehnt. Befürchtet werden eine deutliche Verschlechterung des VerbraucherInnenschutzniveaus und eine hohe Rechtsunsicherheit. AKEUROPA berichtete bereits – siehe den Link zum Bericht am Ende des Artikels. Die erste Anhörung im Europäischen Parlament war jedoch von der Einladungspolitik der zuständigen EU-Abgeordneten überschattet: Von Unternehmens- und KonsumentInnenseite wurden ausschließlich BefürworterInnen des umstrittenen Vorschlags eingeladen.
Gerade zum Beginn der Diskussion über den EU-Kaufrechtsvorschlag der Kommission wäre es von großem Interesse gewesen, einen Überblick über die Reaktionen von VerbraucherInnen- und Unternehmensverbänden aller EU-Länder zu erhalten. Statt dazu die europäischen Dachverbände einzuladen, die die Stimmung aller nationalen Mitglieder am besten wiedergeben könnten, pickten die EU-Abgeordneten jedoch gerade jene nationalen Verbände heraus, die sich dezidiert für den Vorschlag der Kommission aussprechen. Diese Vorgehensweise ist vor allem deswegen bedenklich, weil sich insbesondere bei den VerbraucherInnenverbänden und den VertreterInnen der Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) eine breite Mehrheit gegen den Vorschlag zum EU-Kaufrecht stellt. So gibt es bei der europäischen KonsumentInnenschutzorganisation BEUC mit den luxemburgischen VerbraucherschützerInnen nur ein einziges Mitglied (von insgesamt 42 KonsumentInnenschutzorganisationen), das sich für den Vorschlag von EU-Kommissarin Reding ausspricht. Wie der Zufall so spielt, wurde just dieser Vertreter zur Anhörung eingeladen. Ähnliches gilt auch für die zur Anhörung eingeladene KMU-Vertreterin. Auch von der Industrieseite wurde ein absoluter Befürworter des EU-Kaufrechtsvorschlags eingeladen. Positiv anzuerkennen ist jedoch, dass der luxemburgische VerbraucherInnenvertreter seine Teilnahme kurz vor Beginn der Anhörung absagte. Die Reaktion des Europäischen Parlaments: Statt einen Vertreter von BEUC oder einer anderen nationalen KonsumentInnenschutzorganisation einzuladen, verzichteten die MandatarInnen auf einen Beitrag der VerbraucherInnenseite.

Im Fokus des ersten Teils der Anhörung standen zunächst Vorträge von der wissenschaftlichen Seite. Gemäß Prof. David Hertzell und Prof. Hector McQueen werde das EU-Kaufrecht aufgrund des Aufwandes, sich mit dem neuen Rechtssystem auseinanderzusetzen, nur für HändlerInnen relevant sein, welche ihre Leistungen in mehreren Ländern anbieten. Praktisch könnte ein solcher Handel nur über das Internet erfolgen, die entscheidende Frage sei also, inwieweit das EU-Kaufrecht geeignet sein kann, den Internethandel in Europa zu fördern. Dies sei in der aktuellen Form aus mehreren Gründen nicht der Fall, die Regelung sei zu lang, zu kompliziert und manche Themen über den Text verstreut. Das EU-Kaufrecht könne zudem nicht auf grenzüberschreitenden Handel beschränkt werden, da Händler nicht mit unterschiedlichen Rechtssystemen für den Handel im In- und Ausland operieren wollten. In der Praxis würden schließlich viele relevante Regelungen auf nationaler Ebene bestehen bleiben und weiterhin als Bremse für den Binnenmarkt wirken. Daher werde eine kurze und klare Regelung für den Onlinehandel empfohlen.

Anderer Ansicht ist Prof. Leible von der Universität Bayreuth. Die Etablierung eines zweiten Vertragsrechtsregimes durch das EU-Kaufrecht sei sehr wohl praktikabel und mit der bestehenden Rom I-Verordnung vereinbar. Das EU-Kaufrecht könne vereinbart werden, wenn das internationale Privatrecht zum Recht des Mitgliedstaates führt. Lediglich bei Verträgen mit VerbraucherInnen in Drittstaaten könne es zu Anwendungsproblemen aufgrund des zwingenden Rechts dieses Drittstaates kommen. Hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs sprach sich Prof. Leible für eine Anwendbarkeit des EU-Kaufrechts auch für innerstaatliche Geschäfte aus.

Prof. Carlo Castronovo sprach sich kritisch zu den Begriffsbestimmungen aus. Das EU-Kaufrecht habe die gleichen Themen wie die VerbraucherrechtsRL 2011/83/EU, aber eine andere Ausrichtung. Verschiedene Begriffsbestimmungen, etwa für VerbraucherInnen, UnternehmerInnen oder HändlerInnen würden auch in unterschiedlichen Sprachfassungen zu Problemen führen. Daher müssten genauere Begriffsbestimmungen definiert bzw. vorgeschrieben werden.

Im zweiten Teil wurden die künftigen NutzerInnen des EU-Kaufrechts gebeten, ihre Position zum Kommissionsvorschlag vorzustellen. Von der VerbraucherInnenseite war, wie oben erwähnt, kein Vertreter dabei.

Die Vorsitzende für internationale Angelegenheiten von der „Federation of Small Businesses“ aus Großbritannien, Tina Sommer, begrüßte den Kommissionsvorschlag ausdrücklich. KMUs hätten mit den nationalen Regelungen derzeit Probleme. Bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit wäre es schwierig, wenn man beispielsweise in einem anderen EU-Land vor Gericht müsse. Damit wären auch erhebliche Kosten verbunden. Heute sei es für ein Unternehmen günstiger, die Ware lieber zweimal zu liefern, als vor Gericht zu gehen. Insbesondere bei E-Commerce wäre ein gemeinsames Kaufrecht günstig. Der Kommissionsvorschlag sei sehr verständlich und gut anwendbar, meint Sommer. Die britische KMU-Vertreterin steht damit im Widerspruch zur Europäischen Dachorganisation UEAPME, die den Kommissionstext als äußerst komplex und mit vielen Rechtsunsicherheiten behaftet einstufen und daher ablehnen.

Der deutsche Vertreter der „Union of Groups of Independent Retailers of Europe“ Marc Zgaga begrüßte den Kommissionsvorschlag ausdrücklich. Zwar wäre eine Vollharmonisierung am besten gewesen, die optionale Variante sei aber die zweitbeste Lösung. Transaktionskosten ließen sich dadurch verringern. In seinen Ausführungen lies Zgaga dann aber auch deutliche Kritik anklingen: Extrem wichtig wäre ihm die Einbeziehung eines grenzüberschreitenden Eigentumsvorbehalts, der insolvenzsicher und unbürokratisch durchführbar ist. Die Schlussfolgerung der Kommission, dass die ROM I-Verordnung nicht anwendbar sei, ist umstritten, hier muss Klarheit geschaffen werden. Zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe seien im Text enthalten. Hier stellt sich laut Zgaga die Frage, wie diese Rechtsbegriffe auf nationaler Ebene behandelt werden sollen.

Der Rechtsanwalt Marc Frilet kritisierte den Legislativvorschlag. Ein gemeinsamer Referenzrahmen sei zwar zu begrüßen, vorher wären aber vertiefende Studien nötig, um zu wissen, wo die Hindernisse liegen. Bei dem vorliegenden Text sieht er für Unternehmen Probleme beispielsweise im Zusammenhang mit dem Baurecht, dem Ingenieurwesen und dem Bankenbereich. Außerdem sei es schwierig, in einem Vorschlag sowohl Geschäfte zwischen HändlerInnen als auch zwischen HändlerInnen und VerbraucherInnen unter einen Hut zu bekommen. Der Europäische Verband der Rechtsanwälte sieht den Rechtsvorschlag sogar deutlich negativ und kritisiert ihn wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit, die damit geschaffen werde. 186 Artikel seien darüber hinaus so umfangreich, dass sie auch für JuristInnen schwer auszulegen seien. Frilet fragt sich, ob optionale Instrumente überhaupt notwendig seien.

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments möchte vor der Sommerpause zumindest noch zwei weitere Workshops zum EU-Kaufrecht durchführen. Mit Argusaugen muss weiterverfolgt werden, ob die VertreterInnen des Europäischen Parlaments bei ihrer Einladungspolitik bleiben, beziehungsweise ob eine Strategie verfolgt wird, bei der sich GegnerInnen des EU-Kaufrechtsvorschlags nur zu Nebenaspekten äußern dürfen, um Kritik am Hauptteil des Vorschlags zu verhindern. Warum sowohl die Europäische Kommission als auch viele VertreterInnen des Europäischen Parlaments sich nach wie vor für diesen EU-Kaufrechtsvorschlag aussprechen, ist mehr als verwunderlich. Schließlich befürchten sowohl eine große Mehrheit an EU-KonsumentInnen- als auch an Unternehmensorganisationen durch den Rechtstext hauptsächlich niedrigere Standards sowie Rechtsunsicherheiten. Bis zum Ende der Verhandlungen im Europäischen Parlament könnte jedenfalls noch viel Zeit vergehen – einzelne Schätzungen gehen davon aus, dass erst gegen Ende der Legislaturperiode im Jahr 2014 die Verhandlungen in erster Lesung beendet werden könnten. Es bleibt zu hoffen, dass die EU-EntscheidungsträgerInnen diese lange Zeit nutzen werden, um ihre Positionen zu überdenken und im Interesse der Betroffenen der Verordnung - sowohl der VerbraucherInnen als auch der Wirtschaftstreibenden – zu handeln.

AKEUROPA-Artikel: Heftige Kritik am neuen Kommissionsvorschlag zum EU-Kaufrecht