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Die große Abhängigkeit der Finanzmärkte von den drei großen Rating-Agenturen soll verringert werden, ist sich das EU-Parlament einig. Bei der Umsetzung dieses Ziels gibt es aber unterschiedliche Auffassungen. Am Mittwoch setzten sich die EU-ParlamentarierInnen mit einem Kommissionsvorschlag zu den Rating-Agenturen im Wirtschafts- und Währungsausschuss auseinander.
Für eine aktive Rolle des Europäischen Parlaments plädierte der Berichterstatter Leonardo Domenici von den Sozialisten und Demokraten, der sich dafür aussprach, der von der Kommission vorgeschlagenen Richtung zu folgen, aber Änderungen am Entwurf vorzuschlagen. Zum einen sollten die Ratings als bloße Informationsdienstleistung definiert werden, um ihnen nicht einen übergroßen Stellenwert zukommen zu lassen. Zudem müsse sichergestellt werden, dass Rating-Agenturen komplett unabhängig agieren, sowohl von anderen Agenturen als auch von Unternehmen, die sie bewerten. Neben der Notwendigkeit einer besseren Qualität der Ratings verweist Domenici auch auf das Ziel des Kommissionsvorschlags, den Wettbewerb zwischen Rating-Agenturen zu vergrößern, etwa mittels des Prinzips der Rotation, wonach sich Unternehmen ihre Bewertungen abwechselnd von unterschiedlichen Agenturen ausstellen lassen müssten. Damit es nicht immer dieselben „Big Three“ (Standard & Poor’s, Moody’s, Fitch) sind, die das Kreditausfallsrisiko unter die Lupe nehmen, zielt der Kommissionsvorschlag auch darauf ab, den Markteintritt von neuen, kleineren Agenturen zu ermöglichen. Mit dieser Stoßrichtung zeigt sich Domenici einverstanden und schlägt zusätzlich die Möglichkeit vor, quantitative Vorgaben zu erlaubten Marktanteilen der Rating-Agenturen zu bestimmen.

Besonderes Augenmerk legte der Ausschuss auf die Ratings von Staatsschulden. Hier sprach sich der Berichterstatter dafür aus, ein Verbot gegenüber unangeforderten Staatsschulden-Ratings auszusprechen. Ein Vorschlag, mit dem auch Miguel Portas von den Linken übereinstimmte, der allerdings zu bedenken gab, dass ein Verbot unangeforderter Rankings öffentlicher Verschuldung nur funktioniere, wenn es auch sanktioniert wird. Jean-Paul Gauzès von der Europäischen Volkspartei schlägt für die Bewertung der Staatsschulden indes vor, dass die Agenturen die Kreditwürdigkeit von Staaten regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt bewerten und dazwischen keine Änderungen an diesen Beurteilungen vornehmen sollten. Schließlich könne es nicht sein, dass Rating-Agenturen laufend ihre Einschätzungen zu Staaten ändern und damit Volkswirtschaften destabilisieren.

Auch der Kommissionsvorschlag einer öffentlichen europäischen Rating-Agentur wurde zum Thema der Debatte. So plädierten die Fraktionen der Sozialdemokraten und der Grünen dafür, die Kreditwürdigkeit der Mitgliedstaaten künftig von einer unabhängigen europäischen Stelle prüfen zu lassen.

Für mehr Wettbewerb zwischen den Rating-Agenturen spricht sich die Fraktion der Liberalen und Demokraten aus, allerdings kann sie sich nicht mit einer Regelung der Marktanteile von Agenturen anfreunden, und auch das Rotationsprinzip sollte ihrer Meinung nach aus dem Kommissionsvorschlag gestrichen werden.

Rating-Agenturen sollten sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren, das Risiko des Zahlungsausfalls von Unternehmen möglichst objektiv einzuschätzen, meint Pascal Canfin von den Grünen. Politische Empfehlungen, wie etwa die Flexibilisierung von Arbeitsmärkten, auszusprechen, gehörten allerdings keineswegs zum Aufgabenbereich der Agenturen. Die gefährliche Abhängigkeit der InvestorInnen von Rating-Agenturen und ihr Einfluss auf das wirtschaftliche Schicksal ganzer Volkswirtschaften wird das Europäische Parlament noch weiter beschäftigen.

Weitere Informationen:

Berichtsentwurf des Berichterstatters Leonardo Domenici