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Bei einer Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) skizzierte EU-Haushaltskommissar Lewandowski, in welche Richtung sich das EU-Budget bis 2020 bewegen wird: Von einem Zahlungsvolumen des EU-Haushalts von 1,18 % des EU-Bruttoinlandsprodukts in den 90er Jahren ausgehend, prognostiziert Lewandowksi eine kontinuierliche Reduktion auf 0,94 %. Einige EWSA-Mitglieder befürchten, dass dies vor allem auf Kosten der Kohäsionspolitik und damit auch auf sozialpolitische Projekte gehen könnte. Auch EU-Abgeordnete zeigten sich alles andere als zufrieden mit den Entwicklungen rund um den EU-Finanzrahmen.
Der Vertreter der derzeitigen dänischen EU-Präsidentschaft Kaare Barslev deutete an, dass die Verhandlungen zum neuen EU-Finanzrahmen ab 2014 nur langsam vorangehen. Die Verhandlungen im Rat seien derzeit in der technischen Phase, so Barslev. Eine politische Diskussion über die Verwendung der EU-Mittel sei zwar schon geführt worden, aber hier sei man noch nicht weit vorangeschritten. Geplant sei, dass der dänische Vorsitz die Grundlage für die letzte Phase der Verhandlungen schaffe. Damit ist auch bereits klar, dass es offensichtlich zu keiner Einigung vor Jahresende kommen wird.

Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Ivailo Kalfin, äußerte sich unzufrieden mit der Aussage Lewandowskis. Das Europäische Parlament habe eine Resolution beschlossen, die einen 5 %igen Anstieg des EU-Budgets für die Jahre 2014 bis 2020 vorsehe. Im Vergleich dazu wollen einzelne EU-Mitgliedstaaten das EU-Budget stark kürzen, aber dann stelle sich die Frage auf welche Ausgaben man sich konzentrieren solle. Auf Innovationen, Transeuropäische Netze oder auf etwas anderes. Bei der Verwaltung hingegen sei kaum Sparpotential gegeben, denn die Ausgaben für diese Kategorie beträgt nur 6 %, so Kalfin. Der EU-Abgeordnete wies auch auf eine problematische Neuerung hin, die mit der so genannten Konditionalität eingeführt werde. Nach diesem Prinzip erhalten Mitgliedstaaten kein Geld, die bestimmte makroökonomische Vorgaben nicht einhalten. Damit würden aber gerade jene Länder besonders getroffen, die vom Kohäsionsfonds abhingen. Auch zum Vorschlag der Kommission vermehrt private Gelder für Infrastrukturprojekte anzuziehen äußerte Kalfin Zweifel: Erstens sei das Volumen der geplanten Großinfrastrukturvorhaben mit 1 Bio. € äußerst groß, zweitens erwarten sich PrivatinvestorInnen auch entsprechende Gewinne, die aber nicht gewährleistet werden könnten. Zu den Plänen im Eigenmittelbereich wie der Finanztransaktionssteuer sei es wichtig, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass damit nicht mehr Geld an die EU fließt und auch nicht mehr Geld ausgegeben wird, so der Berichterstatter des Europäischen Parlaments abschließend.

Auch Kalfins Kollegin, EU-Abg. Gardiazabal Rubial kritisierte, dass ein Einfrieren des EU-Budgets nicht helfen werde. Insbesondere weil immer mehr Aufgaben auf die EU-Ebene abgeschoben würden. Die Kohäsionspolitik sei eines der wichtigsten Instrumente und gerade dieser Bereich sei von der Kommission schlechter dotiert worden. In der Diskussion zum Beispiel im Rat mangle es an Solidarität, stattdessen herrsche Egoismus und Populismus vor, so die EU-Mandatarin.
Schwere Kritik übte auch die Vertreterin des Europäischen Gewerkschaftsbundes Claude Denagtergal. Gerade in Zeiten der Krise seien Mittel für sozialpolitische Zwecke nötig. Aber jetzt werde gespart und die Mitgliedsländer werden nationalistischer. Positiv zu erwähnen sei, so Denagtergal, dass der Europäische Sozialfonds hervorgehoben wurde und er mit 25 % der gesamten Strukturfondsgelder bedacht werden soll. Somit stünden 82 Mrd. € zur Verfügung, was eine Erhöhung gegenüber dem laufenden EU-Finanzrahmen sei. Allerdings sei nicht erklärbar, warum die Kommission eine Reihe nützlicher Projekte auslaufen lassen wolle, wie zum Beispiel ein Programm, das den Bedürftigsten helfen soll. Gerade die Reduzierung der Armut sei aber ein Ziel der EU2020 Strategie. Dann wiederum seien 2 Mrd. € neu für Lebensmittelhilfen geplant – hier sei zu befürchten, dass dieses Geld der Landwirtschaft zugute kommt. Beim Europäischen Globalisierungsfonds wiederum schlägt die Kommission eine Öffnung für landwirtschaftliche Zwecke vor. 2,5 der insgesamt vorgesehenen 3 Mrd. € können demnach in den Agrarsektor wandern. Obwohl der Landwirtschaft bereits eine eigene Säule zur Verfügung steht. Der eigentliche Zweck des Fonds, arbeitslos gewordene Personen zu unterstützen, wird damit untergraben.

Sowohl der Europäische Sozial- und Wirtschaftsausschuss, als auch das Europäische Parlament arbeiten derzeit Stellungnahmen zum mehrjährigen EU-Finanzrahmen aus. Bei den einzelnen Verordnungsvorschlägen zu den einzelnen EU-Programmen ab 2014 entscheidet das Europäische Parlament im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens maßgebend mit. Über das Volumen des EU-Budgets jedoch befindet der Rat und das Europäische Parlament kann dem Ergebnis der Ratsverhandlungen nur zustimmen oder ablehnen, Änderungen der Mittelausstattungen bei einzelnen Positionen können sie nicht vornehmen. Damit der neue EU-Finanzrahmen zeitgerecht inkraft treten kann, müssen die Verhandlungen bis Ende 2012 abgeschlossen sein.