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Die Maßnahmen für eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung oder „economic governance“, die die EU als Antwort auf die Krise geschnürt hat, stützen sich auf zwei Kernpunkte: eine Verringerung der öffentlichen Defizite und eine frühzeitige Überwachung gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte. Anstoß für das zweite Vorhaben soll nach Ansicht der EU-Kommission nun der erste sogenannte Warnmechanismus-Bericht über makroökonomische Ungleichgewichte liefern, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Der Bericht listet zwölf Mitgliedstaaten – darunter Frankreich, Großbritannien und Italien - auf, deren Wirtschaftsentwicklung vertiefend untersucht werden soll- Österreich sei kein Problemfall.
Kontinuierliche Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen, Verluste an Wettbewerbsfähigkeit, hohe Verschuldung und gefährliche Wohnungsmarktblasen: die Liste an strukturellen Problemen, die die Kommission für das letzte Jahrzehnt identifiziert, ist lang. Um zu verhindern, dass riskante Entwicklungen zukünftige Krisen auslösen, nahm die Kommission zehn ökonomische Indikatoren heran, um die wirtschaftliche Lage in den EU-Mitgliedstaaten einem Auslesetest zu unterziehen. Das Ergebnis: Zwölf Länder wurden herausgefiltert, die in der Folge in vertiefenden Studien genauer analysiert werden sollen. Diese sollen nicht an den Pranger gestellt werden, wie die EU-Kommission versichert. Vielmehr verspricht sich die Kommission eine verstärkte Zusammenarbeit mit wirtschaftlich schwächelnden Mitgliedstaaten.

Neben großen Volkswirtschaften wie Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien will die Kommission in den nächsten Monaten auch die Ursachen von Strukturproblemen in Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Schweden, Slowenien, Ungarn und Zypern untersuchen. So zählt etwa Frankreichs Rückgang an Exportmarktanteilen zu den höchsten in der EU. Bei Italien zeigt sich die Kommission unter anderem aufgrund des Ausmaßes der Staatsverschuldung besorgt, und auch Großbritannien zählt etwa mit einem starken Verlust an Exportmarktanteilen und hoher privater Verschuldung zu den Sorgenfällen der Kommission. Länder, die bereits finanzielle Hilfsprogramme erhalten, wie Griechenland, wurden nicht untersucht.

Makroökonomisches Frühwarnsystem soll Reformen anstoßen

Die wirtschaftlichen Probleme der Mitgliedstaaten sind teils schon lange bekannt. Im Gegensatz zu bisherigen statistischen Pflichtübungen soll das neue Überwachungsverfahren gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte aber konkrete Reformen anstoßen – notfalls mittels Sanktionen. Zuerst sind aber die EU-FinanzministerInnen am Zug, die bei ihrem Treffen im März die Ergebnisse des Berichts besprechen. Darauf aufbauend erstellt die Kommission die zwölf vertiefenden Länderstudien, um herauszufinden, welche Ungleichgewichte bestehen und wie gravierend diese sind. Jene Länder, bei denen Ungleichgewichte festgestellt werden, erhalten in der Folge Empfehlungen zu Reformen von EU-Kommission und Rat. Bei Ländern mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen will die EU Zähne zeigen: diese Länder müssten dann einen Fahrplan mit Maßnahmen vorlegen, die ihre Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen sollen. Halten sich Euroländer mit schwerwiegenden Strukturschwächen nicht an ihre Hausaufgaben, drohen ihnen künftig Strafzahlungen nach Brüssel.

EU-Bericht lässt deutschen Leistungsbilanzüberschuss unangetastet

Interessant ist allerdings nicht nur die Liste jener Länder, die von der Kommission zur vertiefenden Analyse ausgewählt wurden, sondern auch, welche nicht darauf stehen. So hat die Kommission davon abgesehen, Deutschlands umstrittene hohe Leistungsbilanzüberschüsse zum Thema weiterer Untersuchungen zu machen. Genau diese sind es aber, sagen viele ÖkonomInnen, die einem wirtschaftlichen Gleichgewicht in der Währungsunion nicht gerade förderlich sind, da Deutschlands Exportwunder davon abhängt, dass andere Länder mehr Güter importieren, als sie exportieren. Auch Österreich befindet sich nicht auf der Liste der möglichen Problemfälle, obwohl die sinkenden Exportmarktanteile über der von der Kommission vorgegebenen Gefahrenschwelle liegen, genauso wie die öffentliche Verschuldung und jene des Privatsektors, die vor allem von Unternehmen vorangetrieben wurde. Die nächsten Monate werden also zeigen, ob die Reformempfehlungen der EU auf Wachstum und Beschäftigung abzielen, oder die Sparspirale lediglich weiter vorangetrieben wird.

Weiterführende Informationen:

Warnmechanismus-Bericht (nur in Englisch)