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Die Diskussion um eine Finanztransaktionssteuer in der EU hat neuen Schwung bekommen. In einem Brief an die dänische Ratspräsidentschaft haben die FinanzministerInnen von neun Mitgliedstaaten, darunter Österreich, die rasche Einführung einer EU-Finanztransaktionssteuer gefordert. Auch im Europäischen Parlament laufen die Debatten um eine Steuer auf Finanztransaktionen auf Hochtouren. Am Montag präsentierten ExpertInnen dem Wirtschafts- und Währungsausschuss ihre Einschätzungen zu einer möglichen Umsetzung der Steuer, Auswirkungen auf die Wirtschaft und der Verteilung der Steuerlast. Die ExpertInnen zeigten sich mehrheitlich überzeugt, dass eine Finanztransaktionssteuer das Risiko zukünftiger Finanzkrisen erheblich senken und damit der Gesamtwirtschaft nützen kann.
Neue Rückendeckung erhalten die BefürworterInnen einer Finanztransaktionssteuer von einer Studie der ÖkonomInnen Stephany Griffith-Jones von der Columbia University und Avinash Persaud, Vorsitzender von Intelligence Capital, die ihre Analysen bei der Anhörung vorstellten. Im Gegensatz zur Europäischen Kommission, die davon ausgeht, dass eine Finanztransaktionssteuer das BIP langfristig um 0,2 Prozent senkt, vermuten die AutorInnen der Studie eine langfristige Steigerung des BIP um mindestens 0,25 Prozent. Schließlich stabilisiere eine solche Steuer die Finanzmärkte und senke damit das Risiko zukünftiger Finanzkrisen. Auch dem oft vorgebrachten Argument, eine Finanztransaktionssteuer wäre praktisch nicht umsetzbar oder könnte ausschließlich global eingeführt werden, treten die AutorInnen entgegen. So besteht eine „Stempelsteuer“ (stamp duty) von 0,5 Prozent auf Transaktionen von Aktien und Anleihen in Großbritannien bereits seit 1986. Die Steuer wird zu vierzig Prozent von Personen außerhalb des Königreichs bezahlt und führt daher keinesfalls zu einer Flucht ausländischer InvestorInnen, wie Persaud erklärt. Auch einige stark wachsende Finanzzentren wie Hong Kong, Seoul, Mumbai, Johannesburg und Taipei erheben schon lange Steuern auf Finanztransaktionen und nehmen so 23 Milliarden Dollar jährlich ein.

Hedgefonds und Hochfrequenzhandel tragen die Kosten – nicht SparerInnen und PensionistInnen

Die Frage, wer die Kosten einer Finanztransaktionssteuer zu zahlen hätte, sorgt weiterhin für gehörigen Zündstoff. So warnte Richard Raeburn, Vorsitzender der European Association of Corporate Treasurers, davor, die Falschen zu belasten. Derivate dienten Unternehmen in der Realwirtschaft zur Absicherung vor Risiken, etwa durch Exporte. Werden diese besteuert, würde die Realwirtschaft zu vorsichtigeren Investitionen umschwenken, was das Wachstum hemmen könnte. Auch würden viele Banken nicht davon absehen, die Kosten einer Finanztransaktionssteuer auf die EndverbraucherInnen abzuwälzen, weshalb diese von einer möglichen Steuer ausgenommen werden müssten, so Raeburn.

Dass VerbraucherInnen die Hauptlast einer Finanztransaktionssteuer zu zahlen hätten, stößt jedoch auf Widerspruch bei den übrigen ExpertInnen. Laut Persaud werde die Steuer hauptsächlich von Hedgefonds und InvestorInnen im Hochfrequenzhandel mit kurzfristigen Anlageentscheidungen getragen, nicht von SparerInnen und PensionistInnen. So würden Pensionsfonds die Steuer durchschnittlich nur alle zwei Jahre entrichten, da sie ihre Finanzprodukte langfristiger behalten. Sony Kapoor, Managing Director des Think Tanks Re-Define, hält zudem das Argument, der Hochfrequenzhandel sorge für Liquidität auf den Finanzmärkten, für gefährlich. Schließlich entstehe Liquidität aus der Vielfalt der AkteurInnen auf den Märkten, die durch das Herdenverhalten von vielen ähnlich handelnden InvestorInnen eher beeinträchtigt werde. Einen fairen Beitrag des Finanzsektors zu erheben, sei wachstumsfreundlicher als Mehrwertsteuern oder die Besteuerung des Faktors Arbeit zu erhöhen. Die Einkünfte einer Finanztransaktionssteuer könnten in die notwendige Haushaltskonsolidierung fließen, sowie in Zukunftsinvestitionen wie grüne Energie und die Förderung von KMUs, schlug Griffith-Jones vor. Die Debatte um die Finanztransaktionssteuer bleibt weiterhin spannend- und ihr Ergebnis wird zeigen, wie sehr die EU die Ursachen der Finanzkrise bei den Wurzeln packen kann.