Nachrichten

Zurück
Die Versuche zur Lösung der so genannten “Staatsschuldenkrise“ stehen weiterhin im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern, so lautet das Resümee der am Montag und Dienstag stattgefundenen öffentlichen Anhörung über die Bewertung der Instrumente gegen die Staatsschuldenkrise im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments. Die Trennlinien bei der Lösung der gegenwärtigen Krise verlaufen zwischen einer weiteren Konsolidierung der Haushalte der EU-Mitgliedstaaten auf konservativ-liberaler Seite und einer grundsätzlichen Umgestaltung der EU-Rettungsprogramme zu einem wachstumsorientierten Marshallplan für die ganze EU, so der deutsche EU-Parlamentarier von der S&D, Udo Bullmann. Der Vertreter der Europäischen Kommission, Marco Buti, verharrt weiterhin auf der bürokratischen Sparschiene. Klaus Regling, der deutsche Verwalter des EFSF-Rettungsschirms, verteidigt die harten Konditionen für die Programmländer als Gegenleistung für Hilfsgelder.
Der alte (EFSF) und der neue (ESM) Rettungsschirm

Klaus Regling, der Leiter der Gesellschaft, die den EFSF verwaltet und die Anleiheprogramme für angeschlagene Euro-Länder wie Portugal, Irland oder Griechenland durchführt, wies die Kritik von grünen und sozialdemokratischen MEPs (Abgeordnete des Europäischen Parlaments), dass der Rettungsschirm und die Konditionalitäten der Hilfsprogramme zu hart seien und kein Wachstum brächten, zurück. Schließlich gehe es um Strukturreformen, die länger andauern und erst nach der Konsolidierung der Haushalte die Wettbewerbsfähigkeit verbessern würden. So zeige sich beispielsweise in Irland sehr gut, dass Irland als Folge des Rettungsprogramms schon wieder weniger Zinsen für Anleihen zahlt.

Marco Buti, der Generaldirektor der Europäischen Kommission für Wirtschaft und Finanzen, ging in seinen Ausführungen auf den neuen permanenten Rettungsschirm (ESM) ein, der ja nun schon ab 1. Juli 2012 eingesetzt werden soll. Dieser wird im Gegensatz zum EFSF allein von der Europäischen Kommission verwaltet: das heißt, dass die Kommission klammen Euro-Ländern Geld auf den Märkten besorgt und es dann an diese praktisch risikolos weiterreicht – ein Novum in der Unionsgeschichte. Derzeit wird der ESM mit einem Volumen von etwa 500 Mrd. EUR veranschlagt, wobei eine Revisionsklausel eine eventuelle Aufstockung über die Mittel vom EFSF oder andere Quellen vorsieht – darüber wird beim Europäischen Rat im März befunden, so Buti. Einen Widerspruch zwischen Haushaltsdisziplin und Wachstum erkannte auch Buti nicht, denn zuerst müsse eben die Verschuldung der EU-Länder angepackt werden, damit diese ideale Bedingungen für den Zugang zu Kapital auf den Märkten hätten.

Andreas Botsch, Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsinstitutes (ETUI), stieß hingegen in ein ganz anderes Horn: die rein ausgabenseitigen Maßnahmen griffen einfach zu kurz. Auch Deutschland und Frankreich hätten das im vergangenen Jahrzehnt versucht und seien dann die ersten gewesen, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt 2003/04 gebrochen hätten. Auch die großen Unterschiede bei den Zinsen für Staatsanleihen seien ein Zeichen dafür, dass die EU-Rettungsschirme und –Programme nicht funktionierten. Europa befinde sich in einer Liquiditätskrise und die Krisengipfeldiplomatie verzögere alles nur. Wenn man nicht bald handle, dann stünden massive Konkurse und Kapitalabflüsse bevor. Auch die Rolle der EZB als wahrhaftig letzter Bereitstellerin von Krediten müsse in Erwägung gezogen werden. Bei der Beurteilung von makroökonomischen Ungleichgewichten in den EU-Staaten vermisste Botsch zudem den Faktor Lohnstückkosten, die vor allem beim Wachstum eine entscheidende Rolle spielten. Außerdem müsse der seit 1999 existierende makroökonomische Dialog auf Europaebene verstärkt werden, welcher vor allem die Lohnentwicklung und –verteilung in den Mittelpunkt rückt. Es bräuchte einfach eine makroökonomische Perspektive für ganz Europa. Der nationalstaatlich orientierte Rat stünde diesem Ziel entgegen.

Der nun vermutlich bald Ende Jänner in Kraft tretende zwischenstaatliche Fiskalpakt stößt vor allem Elisa Ferreira (S&D) sauer auf, denn sie war ja maßgeblich daran beteiligt, dass auf Gemeinschaftsebene im sogenannten „Six Pack“ für eine engere Wirtschaftssteuerung der EU-Länder die Wachstumsmaßnahmen nicht zu kurz kommen. Nun setzten die EU-Mitgliedstaaten wiederum nur auf eine einseitige Sparpolitik, die die Abwärtsspirale noch verstärken könnte.