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Zentrale Indikatoren des Arbeitsmarktes sind die Beschäftigungszahlen und die Arbeitslosenraten. Aber diese Zahlen haben ein Manko: Sie sagen nichts aus über die Qualität der Arbeitsplätze. Oder über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Verteilung der Einkommen wird ebenso wenig berücksichtigt wie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. AK und WIFO möchten das jetzt ändern und haben dazu den Arbeitsmarkt-Monitor entwickelt, der jetzt in Brüssel vorgestellt wurde.
Die Europa 2020 Strategie hat – neben Forschung, Energie und Bildung - zwei Hauptstoßrichtungen: Zum einen eine Beschäftigungsquote von 75 Prozent der 20- bis 64-Jährigen. Und zum anderen eine Reduktion von Armut und sozialer Ausgrenzung.

Hehre Ziele der Kommission. Aber wer überprüft die Erreichung der gesteckten Ziele? Arbeitnehmer-Vertretungen sehen sich als kritische Korrektive zur gängigen Meinung der Kommission und verfolgen daher deren Handeln sehr aufmerksam und kritisch. Und sie untermauern ihre Argumente mit wissenschaftlichen Analysen.

Bei einer Veranstaltung von AK EUROPA, dem Europabüro des ÖGB Brüssel und dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut EGI wurde der Arbeitsmarkt-Monitor erstmals öffentlich präsentiert und von einer Expertenrunde vor 100 interessierten Besuchern diskutiert. Ein ähnliches Instrument, der Job Quality Index des EGI wurde ebenfalls vorgestellt.

EU-weites Arbeitsmarkt-Beobachtungssystem

Eva Rückert, wissenschaftliche Mitarbeiterin des WIFO, erläuterte den Aufbau des Arbeitsmarkt-Monitors, der aus fünf Bereichen besteht: Allgemeine Leistungskraft des Arbeitsmarktes (z.B. Beschäftigungsquote), Integrationsorientierung des Erwerbssystems (z.B. Jugend- oder Altersarbeitslosigkeit), Zugangsgerechtigkeit und Verbleibschancen (z.B. Bildung, Betreuungsmöglichkeiten), Verteilung der Erwerbseinkommen und Verteilung durch den Sozialstaat.

Österreich liegt im ersten, zweiten und fünften Bereich im europäi-schen Spitzenfeld, Probleme gibt es aber bei der Zugangsgerechtigkeit und bei der Einkommensverteilung. Da ist Österreich nur im oberen Mittelfeld positioniert.

Job-Quality-Index 2011


Janine Leschke vom ETUI stellte den JQI vor - dieser Index besteht ebenfalls aus mehreren Sub-Indizes, zum Beispiel Löhne, Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen, prekäre Arbeitsverhältnisse, Karriere-Entwicklung und Interessenvertretung. Der Index konzentriert sich auf die Qualität der Arbeit und der Arbeitsplätze.

Eingehende Diskussion

Hendrik Kafsack, Korrespondent der FAZ, versuchte mit den Teilnehmern der Podiumsdiskussion herauszufinden, was solche Indizes bewirken können und welche politischen Schlüsse gezogen werden sollten.

Georg Fischer, Direktor in der Europäischen Kommission (Generaldirektion Beschäftigung), hält „solche Indizes für sehr hilfreich“, um einerseits „Politik zu analysieren und zu verstehen“ und andererseits um die Frage zu beantworten „Haben wir in bestimmten Bereichen Fortschritte gemacht oder nicht?“.

EU-Parlamentarierin Evelyn Regner stößt ins gleiche Horn. Das Parlament beschäftige sich regelmäßig mit der 2020-Strategie. Da sei es wichtig, dass es solche Indizes gibt. „Vor allem“, so Regner, „ist es aber wichtig, wer sie macht. Indizes von Institutionen, die Vertrauen und Glaubwürdigkeit genießen, sind sehr wertvoll.“

WIFO-Mitarbeiter Helmut Mahringer auf die Frage des Moderators, ob bei einem neuen Index nicht ohnehin wieder Binsenweisheiten herauskommen: „Nein, denn wir haben viel Neues gefunden. Zum Beispiel, dass Slowenien in der Verteilungsfrage im Spitzenfeld liegt.“

Und Josef Wallner von der Arbeiterkammer Wien auf die gleiche Frage: „Ein genauerer Blick lohnt sich und zeigt Schwächen auf, zum Beispiel in Österreich bei der Altersbeschäftigung. Da kann dann die Politik konkret eingreifen.“

Andrew Watt von ETUI bekennt: „Der JQI war ein erster Versuch mit all seinen Schwächen. Aber die Arbeitszufriedenheit ist für die Lebensqualität vieler Menschen entscheidend und deshalb müssen solche Indizes entwickelt und weiterentwickelt werden.“

Und welche politischen Schlüsse können aus den Indizes gezogen werden? Watt: „Es fehlen zum Beispiel Zahlen. Etwa die Unfallquoten am Arbeitsplatz. Da ist die Politik gefordert rasch etwas zu tun.“ Und Mahringer: „Österreich hat zum Beispiel große Schwierigkeiten bei Frauen mit Betreuungspflichten und bei der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit.“

Einen ersten Erfolg konnten die Verfasser der Indizes bereits verbuchen: „Bei den nächsten Beschäftigungsrichtlinien werden die Indizes sicher Berücksichtigung finden“, so Georg Fischer von der Kommission abschließend.

Hinweise:

Arbeitsmarkt-Monitor-Kurzversion

Arbeitsmarkt-Monitor Langversion


Job-Quality-Index