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Mit einer Reihe von Drittländern laufen derzeit Verhandlungen über neue Handelsabkommen mit der Europäischen Union. Stattdessen wäre mit der Erbringung dieser Dienste von Großunternehmen zu rechnen – unter gewinnorientierten Gesichtspunkten. Ein ExpertInnenseminar, organisiert von der Europäischen Dienstleistungsgewerkschaft EPSU, dem Europabüro des ÖGB und von AK EUROPA widmete sich diese Woche dem Thema im Detail und besprach Möglichkeiten dieser Entwicklung gegenzusteuern.
Im Zentrum der Diskussionen standen Überlegungen der Europäischen Kommission, die bisherige Standard-Schutzklausel für öffentliche Dienstleistungen einzuschränken und den Bereich der öffentlichen Dienstleistungen in das bilaterale Abkommen EU-Kanada aufzunehmen. Alle RednerInnen mit Ausnahme des Kabinettsmitarbeiters von EU-Handelskommissar De Gucht drückten ihre Besorgnis aus, dass damit die Liberalisierungspolitik über den Umweg internationaler Handelsabkommen weiter vorangetrieben werden soll.

Krajewski schlägt Verbesserung bestehender Schutzbestimmungen vor

Eine von Markus Krajewski von der Universität Erlangen-Nürnberg im Rahmen eines Forschungsprojekts von EPSU und der Arbeiterkammer Wien erstellte Studie zeigt auf, wie mit dem neuen Ansatz der Kommission bestehende Schutzstandards und Regulierungsmöglichkeiten im Bereich öffentlicher Dienstleistungen eingeschränkt werden. Dabei macht die Studie insbesondere auch deutlich, wie der so genannte Negativlistenansatz des EU-Kanada Abkommens eine stärkere Liberalisierungsdynamik begünstigt: Während aufgrund eines rechtlichen Automatismus Liberalisierungsverpflichtungen nicht mehr eigens ausgewiesen werden müssen, steigt der Druck auf jegliche Ausnahmebestimmung („list it or lose it“). Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zeige sich gerade auch im Bereich öffentlicher Dienstleistungen der Bedarf, die Reichweite und Rechtssicherheit von Schutzbestimmungen sorgfältig zu prüfen.

Krajewski schlägt Alternativoptionen zu den Kommissionsüberlegungen vor, die in zwei Richtungen gehen: Zum einen werden rechtliche Textierungen vorgelegt, die unmittelbar zur Verbesserung bestehender Schutzbestimmungen zur Anwendung kommen können. Dazu zählt eine weiter gefasste Formulierung der so genannten „public utilities“-Klausel. Damit sollen die vor allem auch die bestehenden Kompetenzen auf nationaler und lokaler Ebene gestärkt werden, über die Definition von öffentlichen Dienstleistungen zu bestimmen. Zum anderen wird vorgeschlagen, grundsätzlich mehr Flexibilität zu gewährleisten. So sollen Verpflichtungen im Rahmen des GATS oder von bilateralen Freihandelsabkommen in Zukunft leichter abänderbar werden. Dies würde insbesondere auch den politischen Handlungsspielraum dafür erhöhen, einmal eingegange Verpflichtungen neu zu beurteilen.

Liberalisierungsmaßnahmen waren zu einem guten Teil ein Misserfolg

David Hall von der Public Services Research Unit kritisierte, dass neoliberale Tendenzen seit den 80er Jahren immer mehr Einzug gehalten hätten. Heute hätte der Binnenmarkt in der EU oberste Priorität, Post, Telekom und die Bahn seien beispielsweise liberalisiert worden. Weiters stünden derzeit auf der Kommissionsagenda neue Regelungen bei der öffentlichen Beschaffung und bei den Beihilfevorschriften für öffentliche Dienstleistungen. Fakt sei jedoch, dass die Liberalisierung keineswegs immer effizienter sei, außerdem sei zu beobachten, dass die Dienstleistungen oft teurer werden.

Öffentliche Dienstleistungen sollen nicht liberalisiert werden, meint die Kommission

Damien Levie, Kabinettsmitarbeiter von EU-Handelskommissar de Gucht hob hervor, dass die soziale Wohlfahrt nur durch mehr Wachstum gesichert werden könne. Handelsabkommen könnten für zusätzliches Wirtschaftswachstum sorgen. Levie beteuerte, dass die Kommission öffentliche Dienstleistungen nicht über die Hintertür liberalisieren wolle. Es soll lediglich ein neuer Rahmen geschaffen werden, der einfacher handhabbar wäre. Subventionen für öffentliche Dienstleistungen sollen nicht beeinflusst werden, so Levie.

EU-Abgeordnete fordern von Kommission mehr Information zu laufenden Verhandlungen über Handelsabkommen

Der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Jörg Leichtfried mahnte die Kommission eingangs, das Europäische Parlament detaillierter über die Verhandlungen zu Handelsabkommen zu informieren. Leichtfried kritisierte, dass es der Kommission nur wichtig sei auf allen Ebenen zu liberalisieren. Tatsächlich liege das Problem aber in der ungleichen Verteilung des Wohlstands und der ungerechten Besteuerung, unterstreicht der EU-Abgeordnete. Es gebe einige Punkte, im Vorschlag zum Handelsabkommen mit Kanada, die er ablehne, neben öffentlichen Dienstleistungen auch die Vorschläge zum Teersand und zu Robbenerzeugnissen. Leichtfried betonte, dass er gegen das Abkommen stimme werde, wenn öffentliche Dienstleistungen enthalten sein sollten.

Sozial- und umweltpolitische Ziele werden durch die Liberalisierung in den Hintergrund gedrängt

Scott Sinclair vom Canadian Centre for Policy Alternatives kritisierte die Verhandlungen zum EU-Kanada Abkommen heftig. Die neuen Regelungen seien gegen das Prinzip der öffentlichen Dienstleistungen gerichtet. Es gebe auch in der Praxis negative Beispiele für die Einbeziehung von öffentlichen Diensten in Handelsabkommen wie beispielsweise im Falle Costa Ricas, das gezwungen wurde ihre Gesundheitsversicherung zu liberalisieren. Zudem führte Sinclair insbesondere auch anhand ders nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) aus, wie grundlegend Regulierungsmöglichkeiten für sozial- und umwelpolitische Ziele eingeschränkt werden.

Die Kommission fühlt sich hauptsächlich Großunternehmen verpflichtet

Pia Eberhardt von der Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Obeservatory schilderte die einseitige Vorgehensweise der Kommission bei den Verhandlungen zu den EU-Handelsabkommen. Es gebe mehrere Arbeitsgruppen, in denen sich die Kommission exklusiv mit UnternehmervertreterInnen austausche, beispielsweise die Market Access Working Group. Die Zivilgesellschaft hingegen sei vom Verhandlungsprozess ausgeschlossen. 100 Treffen mit VertreterInnen von Business Europe, den europäischen Industriellen, stünden lediglich 6 Gespräche mit RepräsentantInnen der Europäischen Gewerkschaft gegenüber. Auf Anfragen zum Verhandlungsstand gebe es keine Information. Die Legitimität der Kommission sei daher ernsthaft infrage zu stellen, so Eberhardt.
Dem Fachseminar sollen nun weitere Treffen der ArbeitnehmervertreterInnen folgen, Maßnahmen gegen die Kommissionspläne ausgearbeitet werden.