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Nach langer Pause meldet sich mitten im Trubel der Euro-Krise und der Anti-Banken Bewegungen die EU wieder mit Vorschlägen zur Regulierung der Finanzmärkte zu Wort. Nach einjährigen Verhandlungen sollen jetzt „nackte“ Leerverkäufe mit europäischen Staatsanleihen eingeschränkt werden. Und auch die Deregulierung des Handels mit Finanztiteln, die erst vor drei Jahren umgesetzt wurde, soll wieder zum Teil rückgängig gemacht werden. Das größte Problem beim Zurückdrehen des Rades der Geschichte: Die City of London und ihre europäischen Verbündeten stehen auf der Vollbremse.
Kurz vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU, das auf einen börsenfreien Sonntag verlegt wurde, um „die Finanzmärkte“ nicht zu stören, gibt es auf EU-Ebene wieder Neuigkeiten von der Regulierung der Finanzmärkte. Bekanntlich ist das laute Bekenntnis der weltweiten SpitzenpolitikerInnen nach Ausbruch der Finanzkrise 2007, die Finanzmärkte an die Leine legen zu wollen, heute nahezu vergessen. Sämtliche Vorschläge des durchaus bemühten französischen Kommissars Michel Barnier werden unter dem Einfluss der FinanzlobbyistInnen und ihrer politischen Verbündeten in einigen wenigen Mitgliedstaaten bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Während das alte Spiel mit der Spekulation heute genauso fröhlich weitergeht wie vor der Krise, beraten die Regierungschefs über neue Milliardenhilfen für die Großbanken.

Da kommt die Schlagzeile gelegen, dass sich Parlament und Mitgliedstaaten auf ein Verbot von Spekulationen auf Staatspleiten geeinigt hätten. Konkret geht es um sogenannte Leerverkäufe und Kreditausfallsversicherungen, einige der Erfindungen, auf welche die Finanzindustrie so stolz ist. Bei Leerverkäufen wettet ein „Investor“ (Spekulant) auf fallende Kurse. Kreditausfallsversicherungen sind Wertpapiere, die gegen den Ausfall eines Kredites (an Unternehmen, aber auch an Staaten) absichern sollen. Das Wetten auf fallende Kurse von Staatsanleihen europäischer Länder hat nach Ansicht vieler ExpertInnen zur Verschärfung der Eurokrise beigetragen, was die FinanzinvestorInnen natürlich vehement bestreiten.

Einige Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, haben sich trotzdem entschieden, reine Wetten auf den Wertverlust von Staatspapieren und Bankenaktien, in deren Besitz die SpekulantInnen nicht einmal sind (sogenannte ungedeckte Leerverkäufe, im englischen auch naked short selling) , in ihrem Hoheitsgebiet zu verbieten. Und auch die Kommission hat zu dem Thema vor rund einem Jahr einen Vorschlag vorgesehen, der allerdings kein Verbot dieser Praktiken enthielt. Es war das Verdienst des grünen französischen Europaabgeordneten Pascal Canfin, in den Verhandlungen im Europäischen Parlament eine Mehrheit der Parlamentarier für ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen auf Staatspapiere zu organisieren. Das Problem dabei: Auch die Regierungen der 27 Mitgliedstaaten müssen einem derartigen Verbot zustimmen. Und obwohl es hier viele handlungsbereite Regierungen gibt, ist auf eines Verlass: Die Briten, unter dem Einfluss des Finanzplatzes London, und ihre Verbündeten (Niederlande und oft Tschechien) sagen „njet“.

So auch in diesem Fall. Da ein Kompromiss zwischen Parlament und Mitgliedstaaten aber notwendig ist, damit überhaupt etwas weitergeht, wurde auch bei diesem Thema wieder weichgespült. Es gibt zwar ein Verbot, aber einzelne Länder (so wie Großbritannien) können sich Ausnahmen von dem Verbot verordnen lassen (opt out). Damit ist gesichert, dass Hedgefonds auch in Zukunft zumindest von London aus munter auf die Pleite von EU-Mitgliedstaaten spekulieren können.

Eine weitere Großbaustelle, die in dieser Woche von der Kommission angegangen werden soll, ist die sogenannte Finanzmarktrichtlinie MIFID. In der Blütezeit des Glaubens an die Wunderkräfte des Finanzkapitalismus haben Kommission und Mitgliedstaaten den Handel mit Finanzprodukten, der noch in den 90er Jahren geordnet und mit staatlicher Aufsicht an Börsen stattgefunden hat, völlig liberalisiert. Argument: Mehr Wettbewerb zwischen Handelsplattformen senkt die Preise für InvestorInnen. Dieser naive Glaube wurde postwendend bestraft. Nur 3 Jahre nachdem MIFID von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde, muss die Kommission schon wieder zurückrudern. Dazu die Kommission, in ihrem Entwurf verklausuliert, aber an Deutlichkeit nicht zu übertreffen: „Frühere Annahmen, dass minimale Transparenz, Aufsicht und Anlegerschutz zu mehr Markteffizienz führen, sind nicht länger gültig“. Eine Bankrotterklärung.

Was war passiert? Im Schatten der traditionellen Börsen schossen in vielen Mitgliedsländern unregulierte und unbeaufsichtigte Minibörsen, elektronische Handelsplattformen und andere private Marktplätze wie Schwammerln aus dem Boden, in den meisten Fällen im Besitz von Groß- und Investmentbanken. Nicht nur wurde, wie die Kommission eingestehen muss, der Handel mit Wertpapieren dadurch für den Endkunden oft teurer, auch die Übersicht darüber, wie der Marktpreis ist – eine der zentralen Funktionen eines Marktes – ging vor lauter Unübersichtlichkeit verloren. Im Fahrwasser der neuen Handelsplätze wurden auch trübe Geschäfte hinter dem Rücken der Aufsicht getätigt.

Jetzt gelobt die Kommission auch hier Einsicht und Besserung. Die Frage ist, ob die City of London und Co. hier tatenlos zusehen werden.