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Rund 30 Millionen Menschen haben in der Europäischen Union kein Girokonto. Mit ernsthaften Konsequenzen für das alltägliche Leben zum Beispiel bei der Job- oder der Wohnungssuche oder einfach nur bei den täglichen Besorgungen. Die nun von der Europäischen Kommission veröffentlichte Empfehlung zum Recht auf ein Girokonto für alle Bürger ist für die EU-Abgeordneten enttäuschend, denn sie verpflichtet die Banken nicht, jedem Interessenten ein Konto zur Verfügung zu stellen.
Bereits im Vorfeld der Debatte im Europäischen Parlament hatte die Arbeiterkammer in einem Schreiben an EU-Kommissionspräsident Barroso appelliert, noch dieses Jahr einen Legislativvorschlag für das Recht auf ein Girokonto zu veröffentlichen. Der Brief wurde auch an alle EU-Abgeordneten zur Information weitergeleitet.

Bei einer Anhörung im zuständigen Binnenmarkt- und Verbraucherausschuss äußerte sich die für das Thema zuständige EU-Abgeordnete Evelyne Gebhardt von den Europäischen Sozialdemokraten enttäuscht über die Kommission. Ursprünglich habe EU-Kommissar Michel Barnier einen Richtlinienvorschlag für den Zugang zu einem Basiskonto versprochen, nun sei es aber nur eine unverbindliche Empfehlung geworden. Dabei sei ein Girokonto heute eine Notwendigkeit bei vielen Geschäften. Gebhardt führte das Beispiel einer Studentin an, die auf Wohnungssuche an ihrem Studienort war, und der gesagt wurde, dass sie einen Mietvertrag nur bekäme, wenn sie ein Girokonto habe. Bei der Bank wiederum wurde der Studentin mitgeteilt, dass sie ein Konto nur erhält, wenn sie einen festen Wohnsitz nachweisen könne. Und so gehe es vielen Menschen ohne Konto, schildert die EU-Abgeordnete.

Der zuständige Kommissionsbeamte führte aus, dass es in der Europäischen Union rund 7 Prozent beziehungsweise 30 Millionen Erwachsene gebe, die keinen Zugang zu einem Konto hätten. Große Unterschiede gebe es zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten. In den alten Mitgliedstaaten hätten 97 Prozent ein Konto. In den neuen Mitgliedstaaten, zum Beispiel in Bulgarien, gebe es Regionen, wo 50 Prozent kein Girokonto hätten. Dort werde noch eine Kultur der Bargeldzahlung gepflegt. Es gebe unterschiedliche Beweggründe, warum Menschen kein Konto hätten. Manche würden Banken nicht trauen, andere würden sich fürchten eine Bank zu betreten. Mangelndes Bewusstsein über die Vorteile eines Kontos sei ebenfalls ein Grund. In einigen wenigen Ländern gebe es nur einen schwach entwickelten Bankensektor. Rechtliche Hindernisse, wie das Erfordernis einer Wohnadresse sei ebenfalls in manchen Fällen ein Problem. Die Banken wollen keine Verluste erwirtschaften beispielsweise für den Fall, dass die Adresse eines Kunden unbekannt ist und der Kontoinhaber untertaucht. Außerdem wollen Banken oft lieber besserverdienende Kunden, als Leute die vielleicht am Rande der Gesellschaft leben. Für Unternehmen ist es schlecht, wenn Teile der Bevölkerung kein Konto haben, weil diese beispielsweise im Internethandel als Kunden wegfallen. Die Kommission habe sich entschieden zu empfehlen, dass jeder Bürger Zugang zu einem Konto haben soll. In 11 Mitgliedstaaten hat man sich laut Kommission bereits Gedanken darüber gemacht und teilweise nationale Gesetze beschlossen. Mit einer Folgenabschätzung soll eine Lösung zu diesem Problem gefunden werden. Eine Empfehlung sei flexibel und informiere die Mitgliedstaaten frühzeitig über zukünftige Pläne. Im Sommer 2012 sieht die Kommission eine Rechtsmaßnahme vor, sollten die Mitgliedstaaten auf die Empfehlung nicht reagieren.

EU-Abgeordneter Hans-Peter Mayer von der Europäischen Volkspartei äußert sich ähnlich kritisch wie seine Kollegin Gebhardt. Es gehe nicht um Überziehungen und Kredite, sondern lediglich um den Zugang zu einem Konto (auf Guthabenbasis). Für ihn sei es Zeit für einen Legislativvorschlag. Mit einer Empfehlung komme man keinen Schritt weiter. Es gebe aber auch noch weitere Probleme, zum Beispiel, dass manche Kontenbesitzer keine grenzüberschreitenden Überweisungen tätigen können, weil ihnen das die Bank nicht erlaube. Auch Abgeordneter Ashley Fox von den Europäischen Konservativen kritisierte die Kommission ebenfalls, er hält jedoch Regelungen zu jedem Bereich nicht für erforderlich. Seine Fraktion hätte sich aber noch keine abschließende Meinung gebildet. EU-Abg. De Jong von den Europäischen Linken hält es für äußerst wichtig, dass die Europäische Kommission tätig wird. Das sei gerade für Menschen wichtig, die gesellschaftlich am Rand stehen. Der Abg. Kreutzmann von den Liberalen sieht die Möglichkeit, BürgerInnen Girokonten auf Guthabenbasis zur Verfügung zu stellen.

Mangels eines Rechtsvorschlags der Kommission wird das Europäische Parlament nun wohl oder übel über die Kommissionsempfehlung diskutieren. Die zuständige Berichterstatterin für das Europäische Parlament Evelyne Gebhardt wird in den nächsten Wochen einen Berichtsentwurf im Binnenmarkt- und Verbraucherausschuss vorlegen.

Schreiben der Bundesarbeitskammer Österreich an Kommissionspräsident Barroso zum Vorschlag über das Recht auf ein Girokonto