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Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments hat am 10. und 11. Oktober VertreterInnen der nationalen Parlamente, des Rates und der Kommission zu einer Debatte über die „Wiederbelebung des Binnenmarkts eingeladen, um den gegenwärtigen Stand und bevorstehende Herausforderungen zu diskutieren. Alle RepräsentantInnen waren sich einig, dass der Binnenmarkt reibungsloser und bürgernäher funktionieren muss. Auch eine weitere Vereinheitlichung des Binnenmarktes wird über Parteigrenzen hinweg befürwortet. Grüne und sozialdemokratische Politiker auf EU- und nationaler Ebene fordern aber eine stärkere Ausrichtung auf die soziale Dimension des Binnenmarkts und den stärkeren Verbraucherschutz. Liberale und Konservative drängen hingegen auf eine stärkere Liberalisierung.
Binnenmarktkommissar Barnier pocht auf Umsetzung der 12 Hebel zur Ankurbelung des Binnenmarkts

Aus Sicht des Binnenmarktkommissars Barnier gebe es eine gute Zusammenarbeit zwischen dem EU-Parlament, dem Rat, der Kommission und den nationalen Parlamenten. Der Binnenmarkt soll zu neuem Wachstum, mehr Wettbewerbsfähigkeit und höherer Beschäftigung führen. In ihrer Mitteilung „auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte“ hat die Kommission 50 Vorschläge zur Diskussion gestellt. Aus diesen Vorschlägen wurden dann die 12 Hebel zur Ankurbelung des Binnenmarkts identifiziert. Er erläuterte jeweils kurz die einzelnen Punkte und kündigte an, dass diese bis Jahresende der Kommission vorgestellt werden sollen. Als weiteres Ziel nannte er die Zurückgewinnung der industriellen Produktionskapazitäten.

Waldemar Pawlak, stellvertretender Ministerpräsident Polens und Vertreter des polnischen Ratsvorsitzes, verwies auf den erfolgreichen Prozess, der letzte Woche bei einem Binnenmarkforum in Krakau eingeleitet wurde. Insgesamt nahmen 5000 Besucher am Forum teil und diskutierten über den Binnenmarkt. Das erzeuge Bürgernähe. Pawlak hob zudem die Bedeutung der Anerkennung von beruflichen Abschlüssen und den elektronischen Handel hervor.

Jan Wyrowinski, Vorsitzender des Ausschusses für Volkswirtschaft des Polnischen Senats, fordert einen besseren und effizienteren Binnenmarkt

Man könne nur über den Binnenmarkt Wachstum und Beschäftigung erreichen. Man müsse alles in der Macht stehende tun, damit Europa nicht nur zu einem Raum der Sparmaßnahmen wird, sondern auch wachsen kann. Polen will hier zu den federführenden Ländern gehören und Kontakte zu Unternehmen, BürgerInnen und Parlamenten intensivieren. Der Binnenmarkt soll ein Schlüsselinstrument für beide polnischen Häuser sein und somit rasch Wirklichkeit werden.

Vertreter der nationalen Parlamente unterstützen den einheitlichen Binnenmarkt, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten

Die Vertreter des italienischen Parlaments betonten, dass es beim Binnenmarkt vor allem um die zu geringe Einbindung der BürgerInnen geht. Oft werde erwartet, dass sich die BürgerInnen ihre Infos selbst holen und von 25 Befragungen der Kommission wurden beispielsweise 18 nur auf Englisch veröffentlicht. Zudem würden die Fragen und Herausforderungen oft zu kompliziert formuliert, von den BürgerInnen also nicht verstanden. Die Kommunikation müsse deshalb bürgerInnengerechter werden. Denn es geht nicht nur um den wirtschaftlichen, sondern auch um den politischen Mehrwert.

Die griechischen VertreterInnen beteuerten, dass Grenzen und Verzerrungen in der EU überwunden werden müssten. Aber der Binnenmarkt sei ein großes Unterfangen: Alle und vor allem die BürgerInnen müssten einbezogen werden. Man müsse durch das, was den Banken passiert ist, klüger werden: Liberalisierung und Obligationen haben zu den tragischen Vorfällen für Griechenland geführt. Eine bessere Marktaufsicht und Marktregulierung seien in Zukunft zentrale Aspekte. Kluge Politik sei gefragt, nicht einfach nur ein großer ungeregelter Markt – er müsse
strukturiert werden. Banken sollten ihren ursprünglichen Aufgaben reguliert nachkommen.

Die VertreterInnen Deutschlands sagten, dass wir uns an einem Scheideweg befänden. Es bräuchte jetzt konkrete Maßnahmen für den Binnenmarkt. Denn der Binnenmarkt sei Europas Zukunft. Teile von Europa wären nicht wettbewerbsfähig. Zum Beispiel müsste im Dienstleistungsbereich mehr möglich sein. Neue Industrien (Green Jobs/online-Handel) seien ebenso wichtig. Auch die Harmonisierung des Fernabsatzgeschäfts sei gut, aber es gäbe immer noch Unsicherheit bezüglich grenzüberschreitender Zahlungen und Sprachregelungen. Es gäbe noch viel zu tun. Das zwanzigjährige Jubiläum 2015 wäre eine gute Gelegenheit weiter daran zu arbeiten.

Verbraucherrechte weiter stärken und Mobilität ausbauen


Die Berichterstatterin zum kürzlich verabschiedeten Sammelklagen-Bericht, Sylvana Rapti (S & D), sieht den Binnenmarkt als gleichschenkliges Dreieck von VerbraucherInnen, Unternehmen und Wettbewerbsfähigkeit. In 46 Jahren seien 1608 Gesetzesvorschläge zum Binnenmarkt erlassen worden, aber immer noch sei der Binnenmarkt weit davon entfernt, reibungslos zu funktionieren. Sie betonte vor allem die Rolle der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAWIs) und die soziale Dimension des Binnenmarktes, wo Beschäftigung immer im Vordergrund stehen müsse. Rapti betonte zudem, dass Eurobonds und die Finanztransaktionssteuer für VerbraucherInnen und den Binnenmarkt einen großen Nutzen hätten.

Der Vorsitzende des Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments, Malcolm Harbour (ECR), sagte, dass die im Rat verabschiedete neue Verbraucherrechte-Richtlinie ein großer Schritt bei der Durchsetzung der Verbraucherrechte in der EU sei. Auch die Möglichkeit, alternative Streitbeilegungsmechanismen nützen zu können, sei eine gute Sache. Der Vertreter des griechischen Parlaments betonte auch die wichtige Rolle der Flugpassagierrechte, wenn es um die Bürgernähe des Binnenmarktes gehe. Hier müsse es aber auch stärkere Sanktionen geben, wenn Unternehmen die Rechte der Passagiere nicht beachten, ansonsten wäre der Verbraucherschutz zahnlos.

Die EU-Abgeordnete McClarkin (ECR), Berichterstatterin für die Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen, beteuerte, dass die EU-weite Anerkennung von Berufstiteln unabdingbar für das Funktionieren des Binnenmarkts sei. Dazu sollten die Potentiale des Internets ausgebaut und über einen EU-Berufsausweis nachgedacht werden. Bei der Verbesserung der Mobilität waren sich alle einig: sie müsse gestärkt werden.

Link zu Hintergrunddokumenten der Binnenmarktpolitik:
http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/organes/imco/imco_20111010_1430.htm